Lehren aus der Corona-Kurzarbeit
Die Kurzarbeit war mit fast zehn Mrd. Euro das teuerste Kriseninstrument in der Pandemie. Waren die Ausgaben gerechtfertigt?
Wien. „Koste es, was es wolle“– diesen Slogan gab die damalige Regierung in der Coronakrise aus. Das teuerste Hilfsinstrument war die Kurzarbeit. Von Beginn der Pandemie bis Ende 2022 flossen für die Kurzarbeit 9,82 Mrd. Euro an Unternehmen, zeigen Zahlen des Arbeitsministeriums. Österreich war auch im internationalen Vergleich großzügig mit dem Kurzarbeitsgeld. Aber waren die Hilfen auch effizient? Das lässt nun das Arbeitsministerium untersuchen. Ein Überblick.
1 Welche Unternehmen erhielten am meisten Kurzarbeitshilfe?
Diese Informationen waren lang nicht bekannt. Der ORF hat nun vor Gericht die Liste erstritten. Diese zeigt, dass die AUA und der Flughafen die größten Profiteure waren: Die AUA erhielt 261 Mio. Euro an Kurzarbeitsgeld, der Flughafen 107 Mio. Euro. Weitere Fluglinien erhielten Millionenhilfen, auch XXXLutz bekam mit 42 Mio. Euro vergleichsweise viel aus dem Topf. Magna und Swarovski erhielten je 38 Mio. Euro, und auch die Staatsoper gehört mit 23 Mio. Euro zu den größten Nutzern. Insgesamt 75 Mio. Euro gingen an Unternehmen mit Glücksspiellizenzen in Österreich.
2 Waren die hohen Staatsausgaben für die Kurzarbeit sinnvoll?
Das ist nun die große Frage. Als im März 2020 in Österreich der erste Lockdown verhängt wurde, sollte es vor allem schnell gehen. Die Industrie hatte bereits Erfahrung mit der Kurzarbeit aus der Wirtschaftskrise 2009. Nun aber sollten auch Dienstleistungsbetriebe das Kriseninstrument nützen. Das politische Ziel war, einen großflächigen Arbeitsplatzabbau zu verhindern. Politiker und Sozialpartner riefen Betriebe auf, sich zu melden. „In dieser Phase war es wahrscheinlich notwendig, die Kurzarbeit attraktiv und leicht zugänglich zu machen“, sagt Helmut Mahringer vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo), der die Kurzarbeit im Jahr 2021 im internationalen Vergleich analysierte.
Der Rechnungshof ging in einem Prüfbericht im Februar 2022 hart mit der Kurzarbeit ins Gericht. Die Prüfer bemängelten, dass Betrug bei der Kurzarbeit kaum kontrolliert wurde. In der ersten Phase ab März 2020 sei es zu Überzahlungen in Höhe von 500 Mio. Euro gekommen. „Es war auch so, dass Unternehmen aus einzelnen Branchen, die durchaus gar nicht von wirtschaftlichen Schwierigkeiten betroffen waren, auch an diesem Modell teilnahmen“, kommentierte damals Rechnungshof-Präsidentin Margit Kraker den Bericht.
3 Welche Lehren muss man aus der Kritik an der Kurzarbeit ziehen?
Die Corona-Kurzarbeit durchlief mehrere Phasen und wurde mehrmals angepasst. Heute stellt sich vor allem die Frage, wie groß die Mitnahmeeffekte waren. Also in welchem Ausmaß Firmen Kurzarbeit nützten, die ihre Mitarbeiter zumindest teilweise auch ohne Staatshilfe behalten hätten. Das – und anderes – analysiert derzeit das Wifo im Auftrag des Arbeitsministeriums. Es gebe Hinweise, „dass es zu Mitnahmeeffekten gekommen ist“, sagt Wifo-Ökonom Mahringer. Normalerweise gehe in einer Krise die Produktivität zurück, weil weniger Aufträge da sind. Aber während der Coronakrise sei ein Anstieg der Produktivität ausgewiesen worden, sagt Mahringer.
4 Was zeigen internationale Erfahrungen mit der Kurzarbeit?
„Österreich gehörte sicher zu den großzügigen Ländern“, sagt Mahringer, der 2021 die Kurzarbeit in mehreren Ländern verglich. Auch in Bezug auf das „alte“Kurzarbeitsmodell wurde bei der Corona-Kurzarbeit nachgebessert. Das alte Modell wurde während der Finanz- und Wirtschaftskrise stark genützt: 66.500 Beschäftigte waren im Durchschnitt 2009 in Kurzarbeit. Damals gab es einen relativ hohen Selbstbehalt für die Unternehmen. Dieser wurde in der Pandemie erheblich reduziert, Beschäftigte erhielten 80 bis 90 Prozent ihres Nettolohns ersetzt. Die Folge war ein nie da gewesener Ansturm auf die Kurzarbeit: 2020 waren durchschnittlich 1,25 Millionen Beschäftigte in Kurzarbeit, so viele wie nie zuvor.
5 Wie bewerten Experten das Kriseninstrument heute?
Mitte April zeigte eine Analyse des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), dass es in Deutschland „in nennenswertem Umfang“zu Mitnahmeeffekten beim Kurzarbeitergeldbezug gekommen sein dürfte. In Österreich seien einige Dinge „nicht ganz super gelaufen“, sagte Wifo-Direktor Gabriel Felbermayr am Dienstag in der „ZiB 2“anlässlich der neuen Zahlen. Er forderte Zugang zu Daten zur Corona-Kurzarbeit. Wichtig sei, „dass wir für die nächste Krise besser gerüstet sind“.