Fachkräfte dringend gesucht
Die Wiener Wirtschaft hat ein Problem – den Mangel an Fachkräften. Er betrifft fast alle Branchen. Kluge Gegenmaßnahmen sind dringend notwendig.
Mit einem hauchdünnen Wachstum von 0,1 Prozent hat die Wiener Wirtschaft die Krise des vergangenen Jahres relativ gut überstanden. Das wirkte sich auf den Beschäftigtenstand aus: Im Vorjahr waren im Jahresdurchschnitt 915.000 Personen in Wien beschäftigt – um 1,9 Prozent mehr als 2022. Auch heuer wird für die Bundeshauptstadt ein höheres Wirtschaftswachstum als für den Rest des Landes prophezeit. Der Arbeitsmarkt dagegen schwächelt: Im Dezember war die Zahl der beim AMS gemeldeten Arbeitssuchenden um mehr als sieben Prozent höher als im Vergleichsmonat 2022 und es gab um ein Sechstel weniger offene Stellen.
Lücken schwer zu füllen
Diese Entwicklung ändert aber nichts an einem der vordringlichsten Probleme der Unternehmen – dem eklatanten Fachkräftemangel. „Viele, die in der aktuellen Rezession ihren Job verlieren, sind nicht ohne Weiteres in der Lage, die vorhandenen freien Arbeitsplätze zu besetzen“, erläutert Holger Bonin, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Höhere Studien. Der Fachkräftemangel zieht sich durch fast alle Branchen. Am stärksten betroffen ist der Tourismus. In diesem Bereich sind aktuell beim AMS 12.000 offene Jobs vermerkt. Zu den besonders Betroffenen zählt auch die IT-Branche. „Jedes Unternehmen braucht heute IT-Experten, das hat den Bedarf sehr verschärft“, so Christina Danzer, HR Director bei Eviden Austria, der Österreich-Tochter eines internationalen Anbieters von IT-Lösungen im Bereich Digitalisierung, Cloud und Cybersecurity.
Eviden hat manche Jobs daher dauerhaft ausgeschrieben. Ohnehin seien, so Danzer, die gesuchten IT-Experten selten frei am Arbeitsmarkt verfügbar. Es gehe eher um Jobwechsler. Um an talentierte Nachwuchskräfte zu kommen, arbeite Eviden eng mit Fachhochschulen, Unis und HTLs zusammen, erzählt die Expertin. Das Unternehmen bildet außerdem selbst Lehrlinge aus und ist Partner bei waff-Weiterbildungsprogrammen für Menschen, die sich beruflich in Richtung IT umorientieren wollen.
In Wien fehlen derzeit 5800 ITFachkräfte. Das ergab eine Bestandsaufnahme der Fachgruppe
Unternehmensberatung und IT. Um Abhilfe zu schaffen, wünscht WKWien-Präsident Walter Ruck für Wien eine neue HTL mit digitalem Schwerpunkt. „Für die Zukunft des Standorts Wien ist das Fachkräftepotenzial in der IT mitentscheidend“, betont Ruck. Derzeit laufen Gespräche mit der Stadt und anderen potenziellen Partnern zur Klärung von Details. Geht es rasch voran, könnte die neue HTL im Herbst 2027 starten.
Die WK Wien wünscht noch eine Reihe weiterer Maßnahmen zur Fachkräftesicherung. Das beginnt bei der Attraktivierung der Lehre über Anreize für mehr Vollzeit statt Teilzeit sowie für längeres Arbeiten im Alter und geht bis zur Reform der Rot-Weiß-Rot-(RWR-)Karte, mit der Fachkräfte aus Drittstaaten einen Job in Österreich annehmen können. Bei der RWR-Karte heißt das Ziel, die Verfahren schneller und effizienter abzuwickeln. Dem könnte auch Danzer einiges abgewinnen. Eviden holt mit der RWR-Karte immer wieder Fachkräfte nach Österreich. „Es ist schon eine bürokratische Hürde“, sagt sie.
Know-how bündeln
Gemeinsam mit der Stadt haben die Sozialpartner weitere Maßnahmen zur Fachkräftesicherung erarbeitet. Hier stehen die Themen Ökologisierung, kommunale Daseinsvorsorge und Digitalisierung im Mittelpunkt. Erster konkreter Schritt war vergangene Woche die Eröffnung eines Fachkräftezentrums im waff (Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds). Dort sollen alle Stakeholder ihr Know-how bündeln. Ziel ist, gemeinsam den Fachkräftebedarf in Wien systematisch zu analysieren, Probleme frühzeitig zu erkennen und zusammen Maßnahmen und Lösungen zu erarbeiten.