Warum bringt Kaffee manche Menschen zum Frösteln?
Die Tasse Kaffee: Für viele fixer Bestandteil des morgendlichen Frühstücksrituals, für manche auch unverzichtbarer Energie-Booster zwischendurch. Doch der Koffein-Kick sorgt nicht immer nur für neuen Schwung. Er hat mitunter auch einen ungewöhnlichen Nebeneffekt. „Obwohl Kaffee in der Regel heiß getrunken wird, lässt er uns manchmal frösteln“, bestätigt Andreas Rössler, Physiologe an der Med-Uni Graz. Er befasst sich unter anderem mit der Erforschung des Kreislaufs sowie des Lymphsystems. Andere komplizierte Abläufe im menschlichen Organismus sind aber durchaus auch sein Kaffee. Apropos: Warum uns nach einem Verlängerten oder einer Melange mitunter ein Schauer über den Rücken
läuft, sei nicht in allen Einzelheiten geklärt, sagt der Mediziner. Eine reine Kaffeesud-Leserei sei der Versuch einer Erklärung freilich trotzdem nicht, einige Anhaltspunkte gebe es.
Falscher Alarm im Körper
„Die Fachwelt kennt das Phänomen als „paradoxes Kälteempfinden“, holt Rössler aus. Da die Vorgänge im Körper nur dann optimal funktionieren, wenn die Kerntemperatur rund 36,5 bis 37 Grad beträgt, verfügt der Mensch über Mechanismen, die dazu dienen, diese Temperatur konstant zu halten. Ein Teil dieses Systems sind Rezeptoren, die in unterschiedlicher Dichte im Körper verteilt sind und deren Aufgabe es ist, Temperaturunterschiede wahrzunehmen. Wer beispielsweise beim Schwimmen in kaltes Wasser steigt, wird merken, dass es besonders unangenehm wird, wenn der Bauchbereich ins kühle Nass taucht. Das liegt daran, dass es hier mehr Temperaturrezeptoren gibt als an den Beinen. Sie registrieren die Kälte und leiten diese Information an das Regelzentrum im Hirn, an den Hypothalamus, weiter.
Der entscheidet dann, was zu tun ist, um ein drohendes Absinken der Körpertemperatur zu verhindern. Das können Empfehlungen für konkretes Handeln, etwa für das Aufsuchen eines wärmeren Ortes, sein, zum überwiegenden Teil handelt es sich jedoch um unwillkürliche Reaktionen, wie etwa Muskelzittern. Rössler: „Die Muskelaktivität erzeugt Wärme und ist daher, so wie im Extremfall der Schüttelfrost, eine Schutzmaßnahme des Körpers gegen Kälte.“
Ähnliches passiert auch beim Kaffeetrinken. „Das Paradoxe ist jedoch, dass beim Trinken des Heißgetränks die Kälte- und nicht die Hitzerezeptoren im Magen anschlagen“, erklärt der Forscher. Was daraufhin als Frösteln empfunden wird, ist die unwillkürliche Muskelaktivität, die einsetzt, weil der Hypothalamus die Kälteschutzmaßnahmen hochfahren lässt. Der Irrtum wird jedoch recht bald erkannt, weshalb das Zittern in der Regel nur von kurzer Dauer ist. „Warum hier die ,falschen‘ Rezeptoren Alarm schlagen, ist noch Gegenstand der Forschung“, so Rössler.
Nicht alle reagieren gleich
Dass nicht alle Menschen gleich auf den Kaffeegenuss reagieren, ist gewissermaßen das Sahnehäubchen. „Tatsache ist, dass es in der Tierwelt nirgends ein so ausgeklügeltes Thermoregulationsystem gibt wie beim Menschen“, so Rössler. „Es gibt allerdings individuelle Unterschiede, etwa zwischen den Geschlechtern, was die Temperaturtoleranz betrifft.“Doch das ist eine andere Geschichte.