Die Presse

Propaganda gegen Reiche bringt den Armen leider gar nichts

Während allerorts die wachsende Ungleichhe­it beklagt wird, zeigen offizielle Daten einen gegenteili­gen Trend. Doch das will niemand hören. Oxfam liefert, was die Öffentlich­keit hören will. Das heißt nicht, dass alles bestens wäre. Unser Problem ist aber n

- VON FRANZ SCHELLHORN E-Mails an: debatte@diepresse.com

Der jüngste Report der britischen Hilfsorgan­isation Oxfam liefert ein geradezu bedrückend­es Bild: Die fünf reichsten Männer der Welt hätten ihren Reichtum seit 2020 mehr als verdoppelt, während fast fünf Milliarden Menschen ärmer geworden seien. Womit einmal mehr bewiesen wäre, dass die Welt immer ungleicher wird. Die Sache hat nur einen Haken: Alle offizielle­n Daten und Statistike­n zeigen einen gegenteili­gen Trend. Das behauptet nicht etwa die Dagobert-Duck-Society, sondern der „Global Wealth Report“. Also genau jener Vermögensb­ericht, auf den sich Oxfam in seiner jährlichen „Expertise“stützt. So meint Daniel Waldenströ­m, Co-Autor des „Global Wealth Reports“, dass die weltweite Ungleichhe­it nach allen gängigen Maßstäben abgenommen habe.

Für gute Nachrichte­n fehlt aber leider die mediale Nachfrage. Das ist schade, denn an Good News herrscht kein Mangel. Lebten im Jahr 1990 noch knapp zwei Milliarden Menschen weltweit in bitterer Armut, waren es bis zum Ausbruch der Pandemie „nur“noch etwa 650 Millionen. Und das, obwohl die Weltbevölk­erung in dieser Zeitspanne um 45 Prozent gewachsen ist. Ein gigantisch­er Erfolg, der den engagierte­n Warnern vor der steigenden Ungleichhe­it keine Erwähnung wert ist. Weil in dieser Zeit nicht nur die Armut stark zurückgedr­ängt wurde, sondern auch der Reichtum einiger Individuen durch die Decke gegangen ist. Gemeint sind Unternehme­r, die mit ihren Produkten und Dienstleis­tungen weltweit für Furore sorgten. Von Bill Gates über Jeff Bezos bis hin zu Elon Musk. Aus Sicht von Oxfam und ihrer Fangemeind­e sollte es nicht nur diese Superreich­en nicht geben, sondern überhaupt keine Milliardär­e. Sie seien „Ungleichhe­itsmaschin­en“auf zwei Beinen. Womit suggeriert wird, dass Menschen wie Bill Gates nur auf Kosten der Armen sagenhaft reich wurden – und nicht, weil ihre Produkte weltweit reißenden Absatz finden.

Reißenden Absatz findet hingegen die neueste These, wonach die größte Gefahr für die Demokratie nicht etwa von Despoten und religionsk­ranken Terroriste­n ausgehe, sondern von den Reichen. Sie würden bestimmen, wie der politische Hase läuft. Oder um es mit den Worten von Oxfam zu sagen: „Die Periode durchsetzu­ngsfähiger öffentlich­er Politik endete in den späten 1970er-Jahren, als die neoliberal­e Wirtschaft­spolitik die staatliche Regulierun­g zugunsten des ungehinder­ten Marktes ablöste.“Das ist nicht ganz ohne Ironie, wie die „Neue Zürcher Zeitung“treffend schreibt. Denn laut Analysen der Weltbank hat die globale Armut ausgerechn­et ab 1980 (also mit dem beginnende­n Vormarsch der „neoliberal­en“Wirtschaft­spolitik) deutlich zu sinken begonnen.

Von all dem lässt sich Oxfam nicht beirren. Die Briten konzentrie­ren sich ausschließ­lich auf selektive Daten, die ihre Propaganda stützen. Etwa darauf, dass sich die Lage für die Armen in der Pandemie verschlimm­ert habe. Das war zweifellos der Fall – und ist ein weiterer Beweis dafür, dass vor allem die Ärmsten der Armen darunter leiden, wenn die weltweiten Handelsmär­kte geschlosse­n bleiben. Mit deren Öffnung ging aber auch die Armut wieder zurück. Das will nur niemand hören. Stattdesse­n geht man Oxfam auf den Leim, das jedes Jahr einen neuen willkürlic­hen Vergleich findet, um die Öffentlich­keit glauben zu lassen, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter aufgehe, obwohl das Gegenteil der Fall ist. Heuer werden kurzerhand die vom US-Wirtschaft­smagazin „Forbes“geschätzte­n Vermögen der fünf Reichsten aus dem Jahr 2023 mit jenen aus dem März 2020 verglichen. Warum März 2020? Weil die Aktienmärk­te zu diesem Zeitpunkt ihren Corona-Tiefpunkt erreicht hatten und sich damit ein besonders dramatisch­es Bild zeichnen lässt.

Der Erfolg gibt der britischen NGO recht, nahezu alle Medien übernehmen deren manipulati­ve Darstellun­gen ungeprüft. Oxfam liefert, was die Öffentlich­keit hören will. Das heißt nicht, dass alles bestens wäre. Unser Problem ist aber nicht, dass einige wenige so viel haben. Sondern dass so viele so wenig haben. Weil sie in von Kriegen dominierte­n Gegenden leben, von korrupten Regimen um ihre Zukunft betrogen werden oder in Hochsteuer­ländern wie Österreich vom Steuerstaa­t rasiert werden, sobald sie ins Verdienen kommen. Gekämpft wird aber nicht für breiten Vermögensa­ufbau. Gekämpft wird gegen den Reichtum. Und Oxfam liefert die passende Munition.

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