Karl, Tho und Co.: Junge Bäcker erobern die Stadt Die Zeiten, in denen man für handgebackenes (Sauerteig-)Brot durch halb Wien fahren musste, sind vorbei. Dafür sorgen der Karl und andere Bäckerneuzugänge.
Wien. Man kann den Karl leicht übersehen. Obwohl der gleichnamige neue Bäcker mitten auf dem Margaretenplatz eröffnet hat, liegt er doch fast versteckt zwischen dem Kunsthandwerksladen linker und der Goldschmiede rechter Hand. Dennoch hat sich im Fünften ziemlich schnell herumgesprochen, dass es da einen neuen Bäcker gibt. Das Sauerteigbrot war an den ersten Tagen rasch ausverkauft, und nach nicht einmal einer Woche gebe es schon so etwas wie Stammkunden aus dem Grätzel, erzähl Máté Ugaros. Er führt die sehr kleine, sehr hübsche und sehr hippe Bäckerei Karl mit seiner Lebensgefährtin, Lena Guggenbichler, und deren Bruder, David Panzer.
Der Standort – früher gab es hier einen Frozen-Yogurt-Shop – wurde ihnen von einem Freund empfohlen. „Da haben wir uns gedacht: Da könnten wir doch was Cooles draus machen“, sagt Lena Guggenbichler. Was genau, hat sich dann auch recht bald herausgestellt: Denn in ihrer Backstube, in der Guggenbichler und Ugaros seit einigen Jahren Bagels für ihr Lokal im Zweiten (Budapest Bagel Vienna) herstellen, „haben wir schon seit Längerem an neuen Produkten experimentiert“, erzählt sie. Konkret: Sauerteigbrot, Babka, eine israelische Striezelvariante mit Schokolade (schon jetzt ein Lieblingsprodukt im Karl), Brioche oder auch Baguette (das demnächst das Sortiment ergänzen wird). Während man bei Budapest Bagel (nur) den Bagels treu bleibt, gibt es die neuen Backwaren (plus Bagels) im Karl.
Dort passe man mit dem Angebot – dazu gibt es Kaffee von der Röstwerkstatt – ganz gut hin, findet Guggenbichler. Das Grätzel sei „eine absolute Hipstergegend“. Es gebe zwar viel Gastronomie, auch guten Kaffee (wie ums Eck beim Coffee Junkie), einen jungen Bäcker mit handgemachten Broten aber noch nicht, „und ich glaube, dass die Menschen, die hier wohnen und arbeiten, genau danach suchen“. Sandwiches gibt es – sofern das Sauerteigbrot nicht ausgeht – aber auch, weil man befindet, sie fehlen in der Gegend ebenso (stimmt!), von vegan über Pastrami bis Thunfisch, Letzteres hört auf den Namen Tina Tuna.
Denn ja, auch Wortspielen ist man, wie manch anderer junger Bäcker, nicht ganz abgeneigt. Karl klingt zwar ganz nüchtern – der Name wurde gewählt, weil „er sehr wienerisch ist“, und zudem eine Reverenz an den Familienbetrieb, das Restaurant Karl-Otto im OttoWagner-Pavillon, in dem Ugaros und Guggenbichler als junge Generation mitmischen. Geworben wird aber mit Sprüchen wie „In crust we trust“oder „Another one bites the crust“. Apropos Wortspiele: Seit vergangenem Herbst
gibt es mit dem Ährlich in der Wasagasse im neunten Bezirk eine Fusion aus einer Bäckerei und einem Restaurant mit Fokus aufs Innviertel, aus dem die meisten Produkte kommen. Gar nicht weit entfernt in der Servitengasse hat Mitte Dezember Josef Weghaupt seine mittlerweile neunte Joseph-Brot-Filiale eröffnet.
Und während in der Leopoldstadt fast zeitgleich ein neuer, sechster Öfferl-Standort aufgesperrt hat, kommt ein paar Straßen weiter bald noch ein neuer Bäcker dazu: In der Ferdinandstraße, einmal ums Eck von jenem Teil der Praterstraße, der sich rund ums Mochi zum gastronomischen Boboparadies gemausert hat, eröffnet in rund zwei Wochen das (fast wortspielfreie) Das Tho.
Dahinter steht Paul Thomann, der das Brösl im Stuwerviertel mitaufgezogen hat. Bei Joseph arbeitete er zwischenzeitlich auch. Nun steckt er seine Brotleidenschaft in eine eigene Bäckerei. „Es sucht sich einfach jeder ein bisschen sein Platzerl“, sagt er. „Und nachdem wir merken, dass immer mehr aufsper- ren, geht es wohl auch in die Richtung, dass man noch lokaler ein- kauft.“Man könnte sagen: Während die Menschen vor einiger Zeit für gutes Brot noch quer durch die Stadt gefahren sind – oder: fahren mussten –, kommt das gute Brot jetzt zunehmend zu ihnen.
Bäcker für Spätaufsteher
„Ich möchte die Rolle als Nahversorger bei mir im Grätzel einnehmen“, sagt Thomann. Er wird hier aus Biomehl vorrangig Sauerteigbrot machen, mit selbst gezüchteten Hefen auch eine Art Baguette und Süßes. Außerdem soll es ein paar zusätzliche Produkte geben wie ein paar gute Käsesorten und neben dem obligatorischen Kaffee auch ein Weinregal. „Wo man gegebenenfalls auch ein Glas vor Ort trinken kann.“Das mit dem Wein – und die Tatsache, dass Thomann anders als die klassischen Bäcker auf den Nachmittag setzt und nicht auf den frühen Morgen, er hat dafür bis in den Abend hinein geöffnet – hat er mit einem zweiten neuen Bäcker gemeinsam, der im November ein Pop-up in der Linken Wienzeile gestartet hat: Ährensache. Auch hier wird zumindest unter der Woche erst am Nachmittag aufgesperrt. Auch hier gibt es Wein (und einige andere Sachen) zum Brot.
Fixer Standort gesucht
In dem Lokal in poppigen Farben und dem einprägsamen Slogan „Brot ist sexy by Ährensache“(und wieder ein Wortspiel!) trifft man auf Alexander Seibold. Er ist tatsächlich gelernter Bäcker, hat allerdings in den vergangenen zehn Jahren als Küchenchef gearbeitet, zuletzt in Toni Mörwalds Palazzo. Nun macht er mit seiner Frau gemeinsam wieder Brot: bio oder biodynamisch, Sauerteig, 36 Stunden Teigruhe. Bestseller ist derzeit der Strawanzer, ein Weizenmischbrot mit französischem Touch. Gebacken wird das Brot vorläufig in einer Backstube im burgenländischen Kittsee – das könnte sich aber ändern.
Nachdem sich das Pop-up – das noch bis Ende März läuft – bisher bewährt hat, ist Seibold auf der Suche nach einem fixen Standort in der Gegend: „Der Bedarf ist absolut da. Ich hab hier nur aufgesperrt, die Leute sind gekommen und haben gesagt : ,So super, dass man das hier kaufen kann.‘“Wie man es als Bäcker schaffen könne? „Man muss auch Marketing machen“, sagt Seibold. „Man muss super Qualität bieten und auch mutig genug sein, den Wert des Produkts rauszustellen.“Seibold kann sich vorstellen, in Zukunft auch bestehende Bäcker dahingehend zu beraten: Marketing, Vermarktung, Zusatzprodukte fürs Sortiment. Oder sogar ein Franchisekonzept aufzuziehen.