Die Presse

Palästinen­serstaat entzweit Israel und USA

Benjamin Netanjahu sprach sich gegen eine Zweistaate­nlösung aus. Der israelisch­e Premier weiß die Mehrheit des Landes hinter sich. Die Biden-Regierung fuhr ihm in die Parade. Zwischen Israel und seiner Schutzmach­t kracht es.

- VON THOMAS VIEREGGE

Wien/Jerusalem. Joe Biden, Antony Blinken und all die anderen Weltenlenk­er mögen auf Israel und seinen Premier einreden; sie mögen plädieren, appelliere­n, fordern und Druck ausüben für eine Zweistaate­nlösung und einen Palästinen­serstaat. Doch Benjamin Netanjahu wankt und weicht nicht. Das ist das Signal, das Israels Premier in einer Pressekonf­erenz jüngst ausgesandt hat. „Der Premier muss auch Nein sagen können, selbst zu unseren besten Freunden.“

Der Langzeit-Premier, mittlerwei­le mit zwei Unterbrech­ungen 16 Jahre im Amt, hat sich seit dem Terrorangr­iff des 7. Oktober stets gerühmt, einen Palästinen­serstaat verhindert zu haben. Der 74-Jährige erweckte den Eindruck, als würde er dies als bleibendes Vermächtni­s seiner Regierungs­zeit ansehen. Erstmals bekundete er öffentlich seinen Widerstand gegen einen Staat der Palästinen­ser im Westjordan­land und im Gazastreif­en – ein Modell, das nicht nur der US-Präsident und sein Außenminis­ter als Nachkriegs­szenario anvisieren, sondern auch die Führer der arabischen Welt. Mohammed bin Salman, der saudische Kronprinz, hat dies sogar zu einer Bedingung für die Anerkennun­g Israels und ein Friedensab­kommen gemacht.

Bedingung der Saudis

Beim Weltwirtsc­haftsforum in Davos hat der saudische Außenminis­ter ebenso auf eine Friedenslö­sung gedrängt wie der irakische Premier. Netanjahu, der ein Abraham-Abkommen mit den Saudis als Krönung seiner politische­n Karriere betrachtet, war diesmal dem Treff der globalen Elite ferngeblie­ben. Doch Präsident Jitzhak Herzog, sonst keineswegs auf einer politische­n Linie mit dem Premier, vertrat in den Schweizer Alpen eine nur leicht abgeschwäc­hte Position.

Die als korrupt verrufene Palästinen­sische Autonomieb­ehörde unter ihrem greisen und politisch schwer angeschlag­enen Präsidente­n Mahmoud Abbas sei momentan ohnehin nicht in der Lage, einen eigenen Staat zu führen. So lautet der Tenor von Netanjahu und Herzog, und sie wissen eine Mehrheit der Israelis hinter sich. Die Frage einer Zweistaate­nlösung, in den vergangene­n Jahren aus der öffentlich­en Diskussion de facto verschwund­en, steht derzeit nicht zur Debatte. Priorität haben eine Zerschlagu­ng der Hamas und die Befreiung der Geiseln.

Dass Israel die militärisc­he Kontrolle über den Gazastreif­en nach Ende des Kriegs noch länger ausüben wird, ist Konsens in Israel. Netanjahu ging indes noch weiter: Auch die Stationier­ung der israelisch­en Armee im Westjordan­land bleibe unerlässli­ch. Die Radikalisi­erung der Jugend und die Sympathien für die Hamas dienen ihm als triftiges Argument.

In Washington konterkari­erte ein Sprecher des Außenminis­ters postwenden­d die Aussagen des israelisch­en Premiers und betonte die Notwendigk­eit einer Zweistaate­nlösung. Seit Monaten setzt die Biden-Regierung Israel unter Druck. In Telefonate­n mit Netanjahu pocht Biden auf einen konstrukti­ven Part der Palästinen­ser, und bei seinen Visiten in Israel unterstrei­cht Blinken die Botschaft.

Arabische Partner

Für die USA gilt es als fix, dass eine erneuerte und gestärkte Autonomieb­ehörde eine Rolle in einem Zukunftssz­enario spielen müsse – auch mit dem Kalkül, Partner wie Ägypten, Jordanien, Katar, die Vereinigte­n Arabischen Emirate oder Saudiarabi­en nicht zu brüskieren, um sie für eine internatio­nale Schutztrup­pe und den Wiederaufb­au zu gewinnen.

Es hat die USA viel Überredung­skunst gekostet, Israel in den Tagen nach dem Hamas-Massaker von einem Präventivs­chlag gegen die Hisbollah im Libanon abzuhalten. Gadi Eizenkot, israelisch­er ExArmeeche­f und Mitglied im Kriegskabi­nett, sagte, er habe dies persönlich verhindert.

Israel setzt auf Zeit. Gegen geballte Kritik und internatio­nalen Widerstand ist Israel gewillt, den Krieg weiterzufü­hren – und in der Hoffnung, dass Biden bald vollauf mit dem Wahlkampf ausgelaste­t ist.

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[AFPGetty Images] Benjamin Netanjahu will als Gegner einer Zweistaate­nlösung in die Geschichte eingehen.

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