Palästinenserstaat entzweit Israel und USA
Benjamin Netanjahu sprach sich gegen eine Zweistaatenlösung aus. Der israelische Premier weiß die Mehrheit des Landes hinter sich. Die Biden-Regierung fuhr ihm in die Parade. Zwischen Israel und seiner Schutzmacht kracht es.
Wien/Jerusalem. Joe Biden, Antony Blinken und all die anderen Weltenlenker mögen auf Israel und seinen Premier einreden; sie mögen plädieren, appellieren, fordern und Druck ausüben für eine Zweistaatenlösung und einen Palästinenserstaat. Doch Benjamin Netanjahu wankt und weicht nicht. Das ist das Signal, das Israels Premier in einer Pressekonferenz jüngst ausgesandt hat. „Der Premier muss auch Nein sagen können, selbst zu unseren besten Freunden.“
Der Langzeit-Premier, mittlerweile mit zwei Unterbrechungen 16 Jahre im Amt, hat sich seit dem Terrorangriff des 7. Oktober stets gerühmt, einen Palästinenserstaat verhindert zu haben. Der 74-Jährige erweckte den Eindruck, als würde er dies als bleibendes Vermächtnis seiner Regierungszeit ansehen. Erstmals bekundete er öffentlich seinen Widerstand gegen einen Staat der Palästinenser im Westjordanland und im Gazastreifen – ein Modell, das nicht nur der US-Präsident und sein Außenminister als Nachkriegsszenario anvisieren, sondern auch die Führer der arabischen Welt. Mohammed bin Salman, der saudische Kronprinz, hat dies sogar zu einer Bedingung für die Anerkennung Israels und ein Friedensabkommen gemacht.
Bedingung der Saudis
Beim Weltwirtschaftsforum in Davos hat der saudische Außenminister ebenso auf eine Friedenslösung gedrängt wie der irakische Premier. Netanjahu, der ein Abraham-Abkommen mit den Saudis als Krönung seiner politischen Karriere betrachtet, war diesmal dem Treff der globalen Elite ferngeblieben. Doch Präsident Jitzhak Herzog, sonst keineswegs auf einer politischen Linie mit dem Premier, vertrat in den Schweizer Alpen eine nur leicht abgeschwächte Position.
Die als korrupt verrufene Palästinensische Autonomiebehörde unter ihrem greisen und politisch schwer angeschlagenen Präsidenten Mahmoud Abbas sei momentan ohnehin nicht in der Lage, einen eigenen Staat zu führen. So lautet der Tenor von Netanjahu und Herzog, und sie wissen eine Mehrheit der Israelis hinter sich. Die Frage einer Zweistaatenlösung, in den vergangenen Jahren aus der öffentlichen Diskussion de facto verschwunden, steht derzeit nicht zur Debatte. Priorität haben eine Zerschlagung der Hamas und die Befreiung der Geiseln.
Dass Israel die militärische Kontrolle über den Gazastreifen nach Ende des Kriegs noch länger ausüben wird, ist Konsens in Israel. Netanjahu ging indes noch weiter: Auch die Stationierung der israelischen Armee im Westjordanland bleibe unerlässlich. Die Radikalisierung der Jugend und die Sympathien für die Hamas dienen ihm als triftiges Argument.
In Washington konterkarierte ein Sprecher des Außenministers postwendend die Aussagen des israelischen Premiers und betonte die Notwendigkeit einer Zweistaatenlösung. Seit Monaten setzt die Biden-Regierung Israel unter Druck. In Telefonaten mit Netanjahu pocht Biden auf einen konstruktiven Part der Palästinenser, und bei seinen Visiten in Israel unterstreicht Blinken die Botschaft.
Arabische Partner
Für die USA gilt es als fix, dass eine erneuerte und gestärkte Autonomiebehörde eine Rolle in einem Zukunftsszenario spielen müsse – auch mit dem Kalkül, Partner wie Ägypten, Jordanien, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate oder Saudiarabien nicht zu brüskieren, um sie für eine internationale Schutztruppe und den Wiederaufbau zu gewinnen.
Es hat die USA viel Überredungskunst gekostet, Israel in den Tagen nach dem Hamas-Massaker von einem Präventivschlag gegen die Hisbollah im Libanon abzuhalten. Gadi Eizenkot, israelischer ExArmeechef und Mitglied im Kriegskabinett, sagte, er habe dies persönlich verhindert.
Israel setzt auf Zeit. Gegen geballte Kritik und internationalen Widerstand ist Israel gewillt, den Krieg weiterzuführen – und in der Hoffnung, dass Biden bald vollauf mit dem Wahlkampf ausgelastet ist.