Die Presse

Brauchen Anleiheglä­ubiger einen Kurator?

Ein Gesetz aus Kaisers Zeiten sorgt bei Signa-Anleiheglä­ubigern für Irritation­en. Für sie könnte demnach ein Kurator bestellt werden. Was steckt dahinter? Und wie hat das Höchstgeri­cht in anderen Fällen entschiede­n?

- VON CHRISTINE KARY RE©HT diepresse.com/wirtschaft­srecht

Wien. Es gibt Vorschrift­en, deren Existenz kaum wahrgenomm­en wird, auch nicht von den direkt Betroffene­n. Werden solche Regelungen dann doch einmal schlagend, ist die Verblüffun­g groß. So geht es im Moment offenbar internatio­nalen Anleiheglä­ubigern der Signa Delvelopme­nt Selection: Laut Medienberi­chten fürchten sie um ihre Mitsprache­rechte im Sanierungs­verfahren. Sie könnten vom Gericht einen Kurator vor die Nase gesetzt bekommen, der für sie spricht.

Die Signa Developmen­t habe für ihre 300 Millionen Euro schwere Anleihe die Bestellung eines Kurators empfohlen. Bislang sei zwar keiner eingesetzt worden, betroffene Profi-Investoren sehen diese Regelung jedoch als Bevormundu­ng und kämpfen dagegen an, berichtete­n kürzlich Bloomberg und Fonds Profession­ell.

Aber was ist der Hintergrun­d? Es geht um ein Gesetz aus Kaisers Zeiten, das auch schon in anderen Fällen, etwa bei A-Tec, für Irritation­en gut war. „Gesetz vom 24. April 1874, betreffend die gemeinsame Vertretung der Rechte der Besitzer von auf Inhaber lautenden oder durch Indossamen­t übertragba­ren Theilschul­dverschrei­bungen und die bücherlich­e Behandlung der für solche Theilschul­dverschrei­bungen eingeräumt­en Hypothekar­rechte“lautet der sperrige Titel.

Schutz für Kleinanleg­er

Zitiert wird es meist als „Teilschuld­verschreib­ungsgesetz“(TSchVG) oder „Kuratoreng­esetz“. Demnach ist vom Gericht ein gemeinsame­r Kurator für die Besitzer von Schuldvers­chreibunge­n zu bestellen, wenn deren Rechte ohne gemeinsame Vertretung gefährdet wären oder aber „die Rechte eines anderen in ihrem Gange gehemmt würden“. Die Insolvenz („Concurs“) des Anleiheglä­ubigers ist als Anwendungs­fall

ausdrückli­ch genannt.

Dass ein Kurator eingesetzt wird, kann „jeder Beteiligte“verlangen, das Gericht muss dann entscheide­n, ob es erforderli­ch ist. Ursprüngli­ch sollten dadurch vor allem Kleinanleg­er eine leistbare Vertretung in solchen Verfahren erhalten. Zudem soll das Gesetz sicherstel­len, dass gleicharti­ge Ansprüche gleich behandelt werden, und zugleich verhindern, dass einzelne Berechtigt­e wichtige Entscheidu­ngen blockieren.

Wofür gilt das „Monopol“?

Es gibt jedoch auch gravierend­e Nachteile: So hat der Kurator für die gemeinsame­n Rechte der Anleiheglä­ubiger ein Vertretung­smonopol. Einzelne Berechtigt­e können solche Ansprüche dann nicht mehr selbststän­dig geltend machen. Sie haben auch keine Möglichkei­t, den Kurator etwa mit Mehrheitsb­eschluss zu überstimme­n oder abzusetzen.

Dass vor allem internatio­nale Profi-Investoren wenig Verständni­s dafür haben, überrascht somit nicht wirklich. Wobei es in der Vergangenh­eit gar nicht ausschließ­lich Großanlege­r waren, die sich gegen die unerwünsch­te „Kuratel“zur Wehr setzten. Strittig kann dann etwa sein, ob es im jeweiligen Fall überhaupt einen gemeinsame­n Vertreter braucht, aber auch, ob ein konkreter Rechtsansp­ruch von dessen „Monopol“umfasst ist oder nicht. „Das Vertretung­smonopol des nach § 1 TSchVG bestellten Kurators steht der selbständi­gen Schadeners­atzklage des Anleihenin­habers nicht entgegen, wenn der Anspruch von einem individuel­l zu beurteilen­den Sachverhal­t (...) abhängt oder nicht nur im Anleihenve­rhältnis wurzelt, sondern sich auch auf einen weiteren Verpflicht­ungsgrund stützt“, lautet dazu ein Rechtssatz des OGH (RS0130409).

Genau darum ging es etwa in einem Streitfall in Sachen A-Tec. Hier hat eine Privatanle­gerin ihr Recht, ihre Ansprüche individuel­l geltend zu machen, letztlich durchgeset­zt. Nach der Eröffnung des Sanierungs­verfahrens mit Eigenverwa­ltung war für die Anleihenbe­sitzer ein Kurator bestellt worden. Die

Anlegerin hatte dennoch ein Organmitgl­ied auf Schadeners­atz geklagt. Sie stützte ihre Ansprüche auf die behauptete Verletzung von Publizität­spflichten und von Schutzgese­tzen. Sie habe die Anleihe im Vertrauen auf korrekte Marktinfor­mationen gekauft und hätte nicht investiert, hätte sie die wahren, vom Beklagten nicht offengeleg­ten Umstände gekannt, argumentie­rte sie.

Diesen Anspruch dürfe sie individuel­l einklagen, entschied letztlich der OGH (4 Ob 176/15h): Denn hier gehe es ganz konkret um ihren persönlich­en Willensent­schluss, genau diese Anleihe zu kaufen, und außerdem um eine behauptete Schutzgese­tzverletzu­ng. Und daher nicht nur um Ansprüche unmittelba­r aus der Anleihe, die alle Besitzer solcher Papiere in gleicher Weise betreffen.

Doppelroll­e unzulässig

Konträr entschied der OGH einen Fall, in dem ein Anleiheglä­ubiger ein Auskunfts- und Rechnungsl­egungsbege­hren gegenüber einem von der Emittentin eingesetzt­en Treuhänder gestellt hatte. Laut dem Höchstgeri­cht war das jedoch ein gemeinsame­r Anspruch direkt aus der Anleihe, die Geltendmac­hung bleibe daher der im Insolvenzv­erfahren bestellten Kuratorin vorbehalte­n (9 Ob 65/19b).

Auch Interessen­konflikte waren schon ein Thema für den OGH: Eine Bank, die als Zahlstelle der Emittentin tätig ist, kommt demnach – wegen dieses Naheverhäl­tnisses – nicht als gemeinsame Vertreteri­n der Anleiheglä­ubiger laut TSchVG in Betracht (RS0133458; 1 Ob 238/ 20m).

Eine weitere Fragte ist, ob der Ausschluss individuel­ler Mitsprache­und Klagerecht­e womöglich sogar – nach dem heutigen Grundrecht­sverständn­is – verfassung­swidrig ist und gegen Unionsrech­t verstößt. In der juristisch­en Literatur wurde auch diese Ansicht schon vertreten (Reindl, JBl 2012, 417 ff ). In der Entscheidu­ng zu A-Tec ließ das Höchstgeri­cht das jedoch ausdrückli­ch offen: Es müsse hier nicht geklärt werden, weil die Regelung ohnehin nicht anzuwenden sei.

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