Brauchen Anleihegläubiger einen Kurator?
Ein Gesetz aus Kaisers Zeiten sorgt bei Signa-Anleihegläubigern für Irritationen. Für sie könnte demnach ein Kurator bestellt werden. Was steckt dahinter? Und wie hat das Höchstgericht in anderen Fällen entschieden?
Wien. Es gibt Vorschriften, deren Existenz kaum wahrgenommen wird, auch nicht von den direkt Betroffenen. Werden solche Regelungen dann doch einmal schlagend, ist die Verblüffung groß. So geht es im Moment offenbar internationalen Anleihegläubigern der Signa Delvelopment Selection: Laut Medienberichten fürchten sie um ihre Mitspracherechte im Sanierungsverfahren. Sie könnten vom Gericht einen Kurator vor die Nase gesetzt bekommen, der für sie spricht.
Die Signa Development habe für ihre 300 Millionen Euro schwere Anleihe die Bestellung eines Kurators empfohlen. Bislang sei zwar keiner eingesetzt worden, betroffene Profi-Investoren sehen diese Regelung jedoch als Bevormundung und kämpfen dagegen an, berichteten kürzlich Bloomberg und Fonds Professionell.
Aber was ist der Hintergrund? Es geht um ein Gesetz aus Kaisers Zeiten, das auch schon in anderen Fällen, etwa bei A-Tec, für Irritationen gut war. „Gesetz vom 24. April 1874, betreffend die gemeinsame Vertretung der Rechte der Besitzer von auf Inhaber lautenden oder durch Indossament übertragbaren Theilschuldverschreibungen und die bücherliche Behandlung der für solche Theilschuldverschreibungen eingeräumten Hypothekarrechte“lautet der sperrige Titel.
Schutz für Kleinanleger
Zitiert wird es meist als „Teilschuldverschreibungsgesetz“(TSchVG) oder „Kuratorengesetz“. Demnach ist vom Gericht ein gemeinsamer Kurator für die Besitzer von Schuldverschreibungen zu bestellen, wenn deren Rechte ohne gemeinsame Vertretung gefährdet wären oder aber „die Rechte eines anderen in ihrem Gange gehemmt würden“. Die Insolvenz („Concurs“) des Anleihegläubigers ist als Anwendungsfall
ausdrücklich genannt.
Dass ein Kurator eingesetzt wird, kann „jeder Beteiligte“verlangen, das Gericht muss dann entscheiden, ob es erforderlich ist. Ursprünglich sollten dadurch vor allem Kleinanleger eine leistbare Vertretung in solchen Verfahren erhalten. Zudem soll das Gesetz sicherstellen, dass gleichartige Ansprüche gleich behandelt werden, und zugleich verhindern, dass einzelne Berechtigte wichtige Entscheidungen blockieren.
Wofür gilt das „Monopol“?
Es gibt jedoch auch gravierende Nachteile: So hat der Kurator für die gemeinsamen Rechte der Anleihegläubiger ein Vertretungsmonopol. Einzelne Berechtigte können solche Ansprüche dann nicht mehr selbstständig geltend machen. Sie haben auch keine Möglichkeit, den Kurator etwa mit Mehrheitsbeschluss zu überstimmen oder abzusetzen.
Dass vor allem internationale Profi-Investoren wenig Verständnis dafür haben, überrascht somit nicht wirklich. Wobei es in der Vergangenheit gar nicht ausschließlich Großanleger waren, die sich gegen die unerwünschte „Kuratel“zur Wehr setzten. Strittig kann dann etwa sein, ob es im jeweiligen Fall überhaupt einen gemeinsamen Vertreter braucht, aber auch, ob ein konkreter Rechtsanspruch von dessen „Monopol“umfasst ist oder nicht. „Das Vertretungsmonopol des nach § 1 TSchVG bestellten Kurators steht der selbständigen Schadenersatzklage des Anleiheninhabers nicht entgegen, wenn der Anspruch von einem individuell zu beurteilenden Sachverhalt (...) abhängt oder nicht nur im Anleihenverhältnis wurzelt, sondern sich auch auf einen weiteren Verpflichtungsgrund stützt“, lautet dazu ein Rechtssatz des OGH (RS0130409).
Genau darum ging es etwa in einem Streitfall in Sachen A-Tec. Hier hat eine Privatanlegerin ihr Recht, ihre Ansprüche individuell geltend zu machen, letztlich durchgesetzt. Nach der Eröffnung des Sanierungsverfahrens mit Eigenverwaltung war für die Anleihenbesitzer ein Kurator bestellt worden. Die
Anlegerin hatte dennoch ein Organmitglied auf Schadenersatz geklagt. Sie stützte ihre Ansprüche auf die behauptete Verletzung von Publizitätspflichten und von Schutzgesetzen. Sie habe die Anleihe im Vertrauen auf korrekte Marktinformationen gekauft und hätte nicht investiert, hätte sie die wahren, vom Beklagten nicht offengelegten Umstände gekannt, argumentierte sie.
Diesen Anspruch dürfe sie individuell einklagen, entschied letztlich der OGH (4 Ob 176/15h): Denn hier gehe es ganz konkret um ihren persönlichen Willensentschluss, genau diese Anleihe zu kaufen, und außerdem um eine behauptete Schutzgesetzverletzung. Und daher nicht nur um Ansprüche unmittelbar aus der Anleihe, die alle Besitzer solcher Papiere in gleicher Weise betreffen.
Doppelrolle unzulässig
Konträr entschied der OGH einen Fall, in dem ein Anleihegläubiger ein Auskunfts- und Rechnungslegungsbegehren gegenüber einem von der Emittentin eingesetzten Treuhänder gestellt hatte. Laut dem Höchstgericht war das jedoch ein gemeinsamer Anspruch direkt aus der Anleihe, die Geltendmachung bleibe daher der im Insolvenzverfahren bestellten Kuratorin vorbehalten (9 Ob 65/19b).
Auch Interessenkonflikte waren schon ein Thema für den OGH: Eine Bank, die als Zahlstelle der Emittentin tätig ist, kommt demnach – wegen dieses Naheverhältnisses – nicht als gemeinsame Vertreterin der Anleihegläubiger laut TSchVG in Betracht (RS0133458; 1 Ob 238/ 20m).
Eine weitere Fragte ist, ob der Ausschluss individueller Mitspracheund Klagerechte womöglich sogar – nach dem heutigen Grundrechtsverständnis – verfassungswidrig ist und gegen Unionsrecht verstößt. In der juristischen Literatur wurde auch diese Ansicht schon vertreten (Reindl, JBl 2012, 417 ff ). In der Entscheidung zu A-Tec ließ das Höchstgericht das jedoch ausdrücklich offen: Es müsse hier nicht geklärt werden, weil die Regelung ohnehin nicht anzuwenden sei.