Lohnstreit im Geschäft der Zukunft In der IT-Branche ist die Auftragslage gut, Umsatz und Personalstände wachsen, die Investitionen ebenso. Trotzdem stocken die Lohnverhandlungen für die 90.000 Beschäftigten.
Nach den Metallern und den Händlern gibt es nun auch in der IT-Branche Probleme in den Lohnverhandlungen. Am Montag ging die sechste Verhandlungsrunde ohne Ergebnis zu Ende, die Gewerkschaft beruft für den 24. Jänner eine Demonstration ein. Dabei, so könnte man meinen, sollte es doch gerade in der IT glattlaufen – schließlich ist Digitalisierung das Geschäft der Zukunft, in dem Spitzenköpfe arbeiten, denen man gern etwas mehr bezahlt. Zusätzlich hat die Branche mit der Pandemie – Stichwort: Homeoffice – noch einmal Rückenwind bekommen.
Aber es knirscht. Die Gewerkschaft fordert eine Lohnerhöhung um 9,75 Prozent, die Arbeitgeber bieten 7,25 Prozent für die Mindestgehälter und 6,25 Prozent auf die Ist-Gehaltssumme. Anders als in anderen Branchen wird nicht über die Erhöhung der einzelnen, sondern über die Summe der Ist-Gehälter je Betrieb verhandelt. Die Arbeitgeber können in der Folge entscheiden, wie sie die Lohnerhöhung
unter ihren Mitarbeitern aufteilen.
90.000 Menschen arbeiten in Österreichs IT-Branche. Das sind nicht nur hochqualifizierte Programmierer. 15 bis 20 Prozent arbeiten im kaufmännischen Bereich – Marketing, Accounting, Sekretariat zum Beispiel. Techniker verdienten „sowieso weit überdurchschnittlich im Vergleich zu anderen Branchen“, sagt Martin Zandonella aus der Branchenvertretung in der Wirtschaftskammer. „Wir zahlen in allen Bereichen sehr gut, sonst hätten wir nicht so viele Mitarbeiter.“
Viele IT-Firmen sind eigentümergeführte Klein- und Mittelbetriebe. Die meisten sind Einzelunternehmer: Die Berufsgruppe zählt laut einer Erhebung der KMU-Forschung 32.209 Mitglieder, aber nur 5940 Arbeitgeberbetriebe. 2022 kam die Branche auf einen Umsatz von 34,65 Mrd. Euro. 65 Prozent der Betriebe bezeichneten die Auftragslage zuletzt als gut, für 2023 wurde ein Anstieg der Beschäftigung
um 14 Prozent und der Investitionen um 15 Prozent erwartet.
Flaggschiffe wie IBM und HP, die einem bei IT als Erstes einfallen, unterliegen dem Handelskollektivvertrag, sagt Sandra Steiner, die für die Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) die IT-Kollektivverträge verhandelt. In den 50 größten IT-Firmen arbeiten zwei Drittel der Beschäftigten der Branche, sagt Steiner. Die Konkurrenz ist groß: Industrie, Handel und Banken bieten immer mehr IT-Jobs an. Viele Beschäftigte hätten zwar eine Überzahlung, „aber auch sie haben ihre Mieterhöhungen und ihren Lebensstandard“und seien daher auf angemessene Lohnerhöhungen angewiesen. „Wir haben unsere Forderungen mit Augenmaß erstellt“, sagt die Gewerkschafterin.
Branchenvertreter Zandonella verweist darauf, dass die Branche sehr heterogen ist und es zum Beispiel viele Start-ups gibt, die permanent in den Unternehmensaufbau investieren. Für die seien die saftigen Lohnerhöhungen natürlich ein Problem, sagt er. Überhaupt seien die IT-Firmen in Österreich nicht die, die große Dividenden ausschütten, sie investieren lieber ins Wachstum. Auch die großen Managergehälter wie in anderen Branchen gebe es in der IT nicht. Oft sei der Stundenlohn der Geschäftsführer – die oft auch die Eigentümer sind – nicht höher als der ihrer besten Techniker.
Während in der Gastronomie ein Kellner oder Abwäscher bald gefunden ist, ist die IT-Branche auf Menschen mit einer spezialisierten Ausbildung angewiesen. Laut der Branchenvertretung Ubit fehlen in Österreich bis zu 28.000 IT-Fachkräfte, davon 12.000 in Betrieben, die direkt der IT-Branche zuzurechnen sind. Das führe zu einem Wertschöpfungsverlust von bis zu 4,9 Milliarden Euro pro Jahr oder 175.000 Euro je unbesetzter Stelle.
In zehn Jahren habe sich die Zahl der Mitarbeiter fast verdoppelt, sagt Zandonella. „Offensichtlich sind wir sehr attraktiv.“Für die Gewerkschaft hingegen ist der Fachkräftemangel ein Grund für starke Lohnerhöhungen, so Steiner.