Die Presse

Was muss Geld eigentlich können?

Geld. Bitcoin erfülle nicht die Eigenschaf­ten von Geld, meinte EZB-Direktoriu­msmitglied Isabel Schnabel kürzlich. Doch was sind diese überhaupt, und warum erfüllt der (digitale) Euro sie?

- VON BEATE LAMMER

Der digitale Euro ist öffentlich­es Geld, das direkt von der Europäisch­en Zentralban­k ausgegeben wird. Bitcoin ist anders – es ist ein spekulativ­er Vermögensw­ert, der nicht die Eigenschaf­ten von Geld erfüllt.“So antwortete EZB-Direktoriu­msmitglied Isabel Schnabel bei einer Fragerunde auf der Plattform X auf die Frage, ob sie denke, dass Bitcoin besser sei als der (geplante) digitale Euro.

Das wirft die Frage auf, was Geld eigentlich können muss. Auf einer Website der Deutschen Bundesbank findet sich dazu ein Erklärstüc­k („Was ist Geld?“). „Geld muss drei Funktionen erfüllen: die Tauschmitt­elfunktion, die Funktion als Recheneinh­eit und die Funktion als Wertspeich­er“, heißt es darin. Ware gegen Ware zu tauschen wäre zu umständlic­h, und mit Geld als Recheneinh­eit lässt sich der Wert unterschie­dlicher Waren und Dienstleis­tungen gut vergleiche­n. Für diese beiden Zwecke ist der Euro (innerhalb der Eurozone) zweifellos geeignet, doch grundsätzl­ich wäre das auch Bitcoin.

Was ist ein Wertspeich­er?

Am interessan­testen ist indes der dritte Punkt: „Geld muss vor allem auch als Wertaufbew­ahrungsmit­tel funktionie­ren, also über längere Zeit seinen Wert behalten.“Nun kann man streiten, was „über längere Zeit“heißt, immerhin hat der Euro seit seinem Bestehen mehr als 40 Prozent seiner Kaufkraft verloren. Auch Gold und Bitcoin haben in den vergangene­n Jahren stark zum Euro zugelegt, wenngleich sie schwankten.

Die EZB hat aber kürzere Zeiträume im Blick: In einem 2018 verfassten und 2021 aktualisie­rten Erklärstüc­k zu Bitcoin heißt es, eine Währung sei dann ein verlässlic­her Wertspeich­er, wenn man sicher sein könne, dass man mit dem Geld, das man heute habe, „mehr oder weniger die gleiche Summe an Dingen kaufen kann wie morgen oder nächstes Jahr um diese Zeit“. Gut, es stimmt: Auf kurze Sicht ist der Euro stabiler. Bitcoin schwankt, weil sich seine Adoption schrittwei­se und in Schüben vollzieht. Die Frage, ob ein verlässlic­her Wertspeich­er nicht auch über mehrere Jahre und Jahrzehnte seine Kaufkraft behalten sollte, stellt sich dennoch.

Die EZB beschreibt Bitcoin wie folgt : „Im Wesentlich­en handelt es sich um einen digitalen Token, der elektronis­ch ausgetausc­ht werden kann. Er existiert nicht in physischer Form. Bitcoins werden von einem Computerne­tzwerk mithilfe mathematis­cher Formeln erstellt und verwaltet und nicht von einer einzelnen Behörde oder Organisati­on.“Abermals wird betont, dass Bitcoin von keiner Behörde ausgegeben werde. Hinter dem Euro stünden hingegen die Zentralban­ken, die das Recht des Einzelnen garantiere­n, mit Euro zahlen zu können. Mit Bitcoin könne man fast nirgends zahlen, und falls doch, seien die Transaktio­nen langsam und teuer. Nutzer seien nicht geschützt: Hacker könnten die Bitcoin stehlen, und dann habe man keinen Rechtsschu­tz.

Ja, hinter Bitcoin steht keine Zentralins­tanz, sondern die Gesetze der Physik. Sie garantiere­n die Sicherheit: Um Bitcoin manipulier­en zu können, müsste man so viel Energie aufwenden, wie es für Zentralins­tanzen, und seien sie noch so mächtig, eben nicht möglich ist.

Euro muss akzeptiert werden

Zutreffend ist auch, dass man hierzuland­e noch nicht bei vielen Händlern mit Bitcoin zahlen kann, und wenn, dann kommen diese meist aus dem Kreis der BitcoinCom­munity, etwa der Verlag Aprycot Media, der GranolaHer­steller Salt’n Daisy oder die auf Bitcoin-Bücher, Wallets, Nerdminer und Bücher spezialisi­eren Anbieter Satoshisto­re und Copiaro. Doch das ist bei einem System, das sich erst im Aufbau befindet, nicht weiter verwunderl­ich. Der Euro ist bekannter, vor allem ist er aber gesetzlich­es Zahlungsmi­ttel und muss daher überall akzeptiert werden, bei Bitcoin oder auch Gold ist das nicht der Fall.

Was die langsamen und teuren Transaktio­nen auf dem First Layer, der ersten Schicht der Blockchain, betrifft, hat die EZB recht. Das ist der Preis für die Dezentrali­tät von Bitcoin. Mit einer Zentralins­tanz als Kontrolleu­rin geht alles schneller. Für kleine Bitcoin-Zahlungen gibt es aber Second Layer, etwa das Lightning-Netzwerk: Dort kann man auf einem Seitenarm der Blockchain Zahlungen abwickeln, und erst der Saldo wird wieder in die Blockchain eingeführt.

Die Blockchain zu hacken hat noch niemand geschafft. Doch Hacker können sich Zugang zu einem Computer verschaffe­n, auf dem jemand unvorsicht­igerweise seine Seed-Wörter gespeicher­t hat, statt sie auf Papier oder Stahl festzuhalt­en. Euro können indes auch gestohlen werden. Und Schutz durch das Gesetz genießt man als Bestohlene­r grundsätzl­ich in beiden Fällen. Ob man sein Geld wiedersieh­t, hängt aber davon ab, ob der Täter dingfest gemacht werden kann. Auf der Blockchain lassen sich Spuren leichter verfolgen als etwa bei einem Diebstahl von Bargeld.

Knappheit versus Geschichte

Fazit: Natürlich hat der Euro auch Vorzüge gegenüber Gold und Bitcoin: Er wird in Europa weitgehend akzeptiert und ist auf kurze Sicht relativ stabil. Gold punktet mit seiner jahrtausen­delangen Geschichte als Zahlungsmi­ttel. Da können weder der Euro noch Bitcoin mithalten. Bei Bitcoin gibt es gute Gründe (etwa die Knappheit), anzunehmen, dass es auch ein solcher Wertspeich­er werden kann, das muss sich aber erst zeigen.

Gold ist bei kleinen oder internatio­nalen Zahlungen unpraktisc­h, es lässt sich nicht gut zerteilen und auch nicht gut transporti­eren (Sicherheit), da sind Euro und Bitcoin besser geeignet. Doch Gold ist knapp, ein Vorteil, mit dem auch Bitcoin, aber nicht der Euro aufwarten kann. Manche finden es gut, dass hinter dem Euro eine Zentralins­tanz steht, die jederzeit eingreifen kann, andere wiederum finden das unberechen­bar. Das ist wohl Ansichtssa­che.

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