„Da hilft auch ein reicher Papa nichts“
Zeit habe ich eigentlich keine. Aber einmal in der Woche Tennis schaffe ich zumindest“, sagt Gerlinde Wernig. Die Medizinerin arbeitet Vollzeit in Forschung und Klinik und hat Familie mit zwei Kindern. „Doch wir leben ein bisschen abseits, in einem Haus am Wald. Wenn ich eine Runde joggen gehe, ist der Blick auf den Pazifik wie ein kleiner Urlaub.“Die Wienerin zog vor 20 Jahren in die USA. Zuerst nach Massachusetts an die Harvard University, seit 2008 ist sie in Stanford, Kalifornien. „Mir haben alle meine Stationen Spaß gemacht, und ich hatte überall ein tolles Team“, sagt Wernig.
angerechnet wurde. Aber das Umfeld war wirklich bereichernd, schwärmt Wernig. „Wir haben an den ersten Studien zu neuen Medikamenten gearbeitet und auf der Intensivstation direkt StammzellTransplantationen durchgeführt.“Solche „autologen“KnochenmarkTransplantationen funktionieren ähnlich wie Eigenblut-Konserven: Bei der Krebserkrankung „multiples Myelom“kann die Behandlung mit Eigen-Stammzellen die Chemotherapie verträglicher machen. So stieg die Überlebenszeit seit damals von zwei auf heute fast 15 Jahre.
Später beim Umzug in die USA gab es wieder große bürokratische Hürden: Die Facharztdiplome aus Europa wurden nicht anerkannt, und Wernig musste die gesamte medizinische Ausbildung nachmachen (Pathologie und Hämatopathologie). „Aber es lohnt sich. Wir merken hier in den USA, wie motiviert alle Studierenden sind, schon in der Schule. Das ist anders als in Deutschland und Österreich, wo es manchmal als cool gilt, nichts zu leisten. Das gibt es hier nicht: Wer nicht performt, kommt nicht aufs College. Da kann auch der reiche Papa nicht helfen“, erzählt Wernig.
Stammzellen-Programm hat einen tollen Outreach. Wir profitieren alle von den motivierten Leuten.“Über die Ascina (Austrian Scientists & Scholars in North America) knüpft Wernig auch Kontakte zu österreichischen Forschenden in Amerika.
Kurz vor dem Online-Gespräch mit der „Presse“im Dezember kam Wernig gerade von der größten Hämatologie-Konferenz mit 25.000 Leuten aus San Diego zurück: „Da finde ich immer neue Ansätze aus der Immunologie und Entzündungsforschung,
– vieles von dem geht verloren, wenn man isolierte Zellen betrachtet. „Wir bekommen direkt aus der OP das Material von Lungentransplantationen, im Einverständnis mit den Patienten“, sagt Wernig. Lungenfibrose im Endstadium, systemische Sklerose und andere Autoimmunerkrankungen zeigen in den herausoperierten Lungen ihr wahres Gesicht.
„Ich glaube, künstliche Intelligenz wird die Medizin und Forschung revolutionieren: Es gibt so viele interessante Beobachtungen, die man erst verstehen kann, wenn mehr Strukturen durchforscht werden, als das menschliche Gehirn verarbeiten kann.“Wernigs Team nutzt z. B. Computeralgorithmen für Analysen bei Spatial Transcriptomics oder Multiomics.
Anders als an vorigen Stationen kann sich Wernig hier stärker auf die Forschung konzentrieren. Durch Drittmittel finanzierte Projekte ermöglichen 70 Prozent Forschung mit 30 Prozent Dienst in der Klinik. „Wenn nicht ständig der Pager piept, dass man zu Patienten muss, kommt man schneller weiter in der Forschung.“