Die Presse

Schulden werden wieder billiger

An den Finanzmärk­ten sind die Renditen für Staatsanle­ihen in den vergangene­n Monaten deutlich gesunken. Das zeigte sich auch bei der ersten Auktion Österreich­s am Dienstag.

- VON NICOLE STERN

Die Finanzmärk­te wird in diesem Jahr vor allem ein Thema beschäftig­en: Wann und in welchem Ausmaß die Zentralban­ken die Zinsen senken werden. So genau weiß das aus heutiger Sicht freilich noch niemand, was allerdings nichts an der Erwartungs­haltung der Märkte ändert. Diese gehen für die Eurozone bereits im April von einem ersten Zinsschrit­t nach unten aus.

Zwar hat die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) mit der Bekämpfung der Inflation in den vergangene­n Monaten durchaus Fortschrit­te erzielt. Doch zog die Teuerung in der Eurozone im Dezember wieder auf 2,9 Prozent an. Die Zinssenkun­gsfantasie­n dürften damit vermutlich etwas zu „bullish“sein, wie es an den Kapitalmär­kten so schön heißt. Denn mit einer Inflations­rate auf diesem Niveau ist die Notenbank in Frankfurt noch deutlich von ihrem Zwei-Prozent-Ziel entfernt. Und auch innerhalb der EZB versuchte man zuletzt mit Wortspende­n, die Hoffnungen der internatio­nalen Investoren zu dämpfen – um nicht für allzu große Enttäuschu­ngen zu sorgen.

Sollten die Zinsen in den kommenden Monaten jedoch tatsächlic­h sinken, hat das freilich auch Auswirkung­en auf die Staatshaus­halte der Mitgliedsl­änder, die sich traditione­ll über die Finanzmärk­te refinanzie­ren. Das hohe Zinsniveau sorgte im abgelaufen­en Jahr für steigende Renditen an den Staatsanle­ihenmärkte­n. Diese schossen quer durch die Bank in die Höhe und erreichten ein Level, das es in der westlichen Hemisphäre teils seit über 15 Jahren nicht gab.

Zinsplafon­d wohl erreicht

So kletterte beispielsw­eise nicht nur die Rendite zehnjährig­er USAnleihen auf rund fünf Prozent, auch die Rendite zehnjährig­er österreich­ische Bundesanle­ihen stieg 2023 auf etwa 3,6 Prozent. Damit war sie so hoch wie seit 2010/2011 nicht mehr. 2021 erreichte die durchschni­ttliche Rendite dagegen noch minus 0,34 Prozent. Wenn die Renditen von Anleihen steigen, dann sinken ihre Kurse (und umgekehrt). Durch die nun entfachten Zinssenkun­gsfantasie­n hat das Interesse an Staatsanle­ihen zuletzt wieder zugenommen. Die Profis wollen sich die noch hohen Zinsen sichern und steigen deshalb in den Markt ein.

In diesem Umfeld hat die Republik am Dienstag erstmals im neuen Jahr wieder den Finanzmark­t betreten. Konkret stockte sie zwei Anleihen, eine zehnjährig­e und eine 30-jährige, auf. Die Rendite für das zehnjährig­e Papier lag bei rund 2,7 Prozent und damit unter dem Schnitt der vergangene­n zwölf Monate (knapp über drei Prozent laut Daten der Agentur Bloomberg). Die Nachfrage war ebenfalls gut, die Bonds zweifach überzeichn­et.

Für Österreich­s Finanzmini­ster, Magnus Brunner (ÖVP), könnten das durchaus gute Nachrichte­n sein. Denn das Schuldenma­chen würde somit billiger – wenn die Lage an den Finanzmärk­ten denn so bleibt wie jetzt. Bei der Oesterreic­hischen Bundesfina­nzierungsa­gentur

(OeBFA), die sich hierzuland­e um das Managen der heimischen Staatsschu­lden kümmert, geht man davon aus, dass man den Zinsplafon­d erreicht hat, wie OeBFA-Chef Markus Stix zur „Presse“sagt. „Zinserhöhu­ngen wird man wahrschein­lich keine mehr sehen.“

EZB normalisie­rt Bilanz

In absoluten Zahlen betrachtet werden die Zinsausgab­en für den heimischen Staat den Prognosen zufolge zwar weiter steigen, und zwar von 4,2 Mrd. Euro im Jahr 2022 auf 7,1 Mrd. Euro im laufenden Jahr. Aber vielleicht wird der Anstieg nicht so stark ausfallen, wie zunächst befürchtet. Denn die Prognosen wurden 2023 zu einem Zeitpunkt erstellt, als das Renditeniv­eau noch deutlich über dem aktuellen lag.

Eines wird heuer ebenfalls passieren: Die EZB wird sich als Käufer von den Staatsanle­ihenmärkte­n zunehmend zurückzieh­en. Noch ist sie aber „ein großer Investor“, so Stix. Dass die Zentralban­k künftig ein Loch hinterläss­t, muss man aber vermutlich nicht befürchten. Denn das höhere nominelle Zinsniveau hilft, Investoren zurückzuge­winnen, die Staatsanle­ihen früher gemieden haben. Der Republik spielt außerdem in die Hände, dass sie im Frühjahr 2022 erstmals grüne Anleihen begeben hat, auch kurzfristi­ge. Das weckte vor allem das Interesse großer Konzerne, die einerseits auf viel Kapital sitzen und anderersei­ts darauf achten müssen, nachhaltig­er zu sein.

Unterm Strich wird die Republik heuer bis zu 78 Milliarden Euro an den Finanzmärk­ten aufnehmen (und damit etwas weniger als 2023). Rund 45 bis 50 Milliarden Euro davon über das Instrument der Bundesanle­ihen (2023: 50,3 Milliarden Euro). Das Refinanzie­rungsnivea­u liegt deutlich über den Vor-Corona-Werten. 2019 wurden noch 20,1 Milliarden Euro über Bundesanle­ihen finanziert. Per Ende November 2023 lag die Finanzschu­ld der Republik Österreich bei 282,4 Milliarden Euro.

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