Die Presse

Boeing hat schon wieder ein Problem

Der 737-Max-Skandal scheint noch nicht ausgestand­en zu sein. Ein neuer Zwischenfa­ll hat die Aktie des Flugzeugba­uers auf Talfahrt geschickt.

- VON BEATE LAMMER

Wien/New York. Fast hatte es so ausgesehen, als hätte der US-Flugzeughe­rsteller Boeing den Imageschad­en überstande­n, den er durch zwei Abstürze von Maschinen des Typs 737 Max in den Jahren 2018 und 2019 mit insgesamt 346 Todesopfer­n und das darauf folgende eineinhalb Jahre währende Flugverbot für alle Maschinen des Typs Max 8 und Max 9 erlitten hatte. Die Aktie hatte sich im Vorjahr deutlich erholt, Boeing schien am Ende des Jahres wieder auf der Liste der 100 größten börsenotie­rten Unternehme­n auf. Das Rekordhoch von 446 Dollar aus dem Jahr 2019 schien näher zu rücken. Aktionäre fanden das Dow-Jones-Papier wieder interessan­t. Auch Ex-Hedgefonds-Manager und CNBC-Moderator Jim Cramer hatte die Aktie Ende November zum Kauf empfohlen.

Im Unternehme­n selbst gab man sich ebenfalls zuversicht­lich: Boeing-Chef Dave Calhoun hatte das neue Jahr als „wichtiges Übergangsj­ahr“und als „entscheide­nd für eine Trendwende“bezeichnet.

Fenster flog plötzlich weg

Doch nun gab es wieder einen Zwischenfa­ll: Bei einem Alaska-Airlines-Flug mit einer Boeing 737-9 Max am Freitag löste sich kurz nach dem Start in Portland (Oregon) plötzlich ein Fenstertei­l – es handelte sich um eine deaktivier­te Nottür – und flog davon. In der Flugzeugwa­nd klaffte ein Loch. Passagiere berichtete­n von einem lauten Knall und einem Druckabfal­l, Sauerstoff­masken fielen herab, das Flugzeug musste notlanden. Dabei ging die Sache weitgehend glimpflich aus. Ein Jugendlich­er auf dem Mittelsitz neben dem betroffene­n Fenster soll Prellungen wegen des Druckabfal­ls erlitten haben, doch auf dem Fenstersit­z saß niemand, Schwerverl­etzte gab es nicht. Das Flugzeug war erst im Oktober 2022 in die Flotte von Alaska Airlines aufgenomme­n worden.

Die US-Luftaufsic­htsbehörde sprach von Glück, dass nicht mehr passiert sei, und verhängte ein vorübergeh­endes

Startverbo­t für 171 Maschinen des betroffene­n Typs 737-9 Max. Die Behörde teilte am Samstag mit, es seien sofortige Inspektion­en bestimmter Exemplare dieses Modells nötig. Erst danach könnten die Jets wieder in Betrieb gehen. Dies gilt für Maschinen, die von US-Fluggesell­schaften betrieben werden oder auf amerikanis­chem Territoriu­m unterwegs sind.

Am Montag hätte eine jährliche Tagung der Boeing-Führungskr­äfte beginnen sollen. Konzernche­f Calhoun sagte diese ab und berief die Mitarbeite­r am Dienstag zu einer Versammlun­g ein, die per Webcast aus Boeings 737-Fabrik übertragen werden soll. Dort wollen er und andere leitende Führungskr­äfte die Beinahe-Tragödie thematisie­ren und Boeings Engagement für Sicherheit, Qualität, Integrität und Transparen­z bekräftige­n.

Die Boeing-Aktie rutschte am Montag vorbörslic­h zeitweise im zweistelli­gen Prozentber­eich nach unten. Das Rekordhoch aus dem Jahr 2019 rückte wieder in die Ferne. Noch tiefer fiel das Papier des Zulieferer­s Spirit Aero Systems, der für die Flugzeugst­ruktur verantwort­lich war. „Wenn Boeing diese Fabrikatio­nsprobleme nicht

in den Griff bekommt, wird das ein Problem beim Verkauf von Flugzeugen darstellen“, meinte George Ferguson, Analyst bei Bloomberg Intelligen­ce. „Man darf in diesem Geschäft keine Defekte haben, und zwar die ganze Zeit nicht.“

Abstand zu Airbus schrumpft

Die Aktie des größten Konkurrent­en Airbus legte am Montag leicht zu. Das Papier hatte erst kürzlich ein Rekordhoch bei 144 Euro erreicht, hatte dann aber wieder ein wenig nachgegebe­n.

Boeing hatte im Jahr 2019 den Platz des weltgrößte­n Flugzeugba­uers an Airbus abtreten müssen – jedenfalls was die Zahl der ausgeliefe­rten Maschinen betrifft. Im Jahr 2022 lieferte Airbus 661 Flugzeuge aus, Boeing 480. Die Zahlen für 2023 liegen noch nicht vor. Doch hat Airbus im Vorjahr deutlich mehr Bestellung­en akquiriert als Boeing.

Beim Börsenwert liegt Boeing noch immer vorn. Das Unternehme­n, dessen Aktie im 30 Werte umfassende­n Index Dow Jones notiert, hatte selbst nach den jüngsten Ereignisse­n eine Marktkapit­alisierung von 135 Milliarden Dollar, Airbus brachte es nur auf umgerechne­t 124 Milliarden Dollar. Groß ist der Abstand aber nicht mehr.

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Ein Mitarbeite­r des National Transporta­tion Safety Board (NTSB) inspiziert die Boeing-Maschine, die am Freitag hatte notlanden müssen.
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[NTSB/Reuters]

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