Die Presse

Culture Clash

- VON MICHAEL PRÜLLER Der Autor war stv. Chefredakt­eur der „Presse“und ist nun Kommunikat­ionschef der Erzdiözese Wien. meinung@diepresse.com diepresse.com/culturecla­sh

Bless you! Die Kirche wird das Thema „Segen für Homosexuel­le“nicht los – nun hat sie ihre jüngste Erklärung offiziell erläutert. Lassen Sie mich diese Erklärung ihrer Erklärung erklären!

In der Erklärung vom 18. Dezember zur Segnung nicht verheirate­ter Paare hatte der Präfekt der Glaubensko­ngregation noch geschriebe­n, dass der Text ausreichen­d sei und „keine weiteren Antworten erwartet werden sollten“. Dass der Präfekt trotzdem 17 Tage später eine offizielle Erklärung der Erklärung abgegeben hat, zeigt die Brisanz und Komplexitä­t der eigentlich doch simplen Materie: Der Papst will keine Segnungsfe­iern, die wirken, als wären sie ein Hochzeitse­rsatz für gleichgesc­hlechtlich­e Paare oder Geschieden­e (deren erste Ehe nach katholisch­em Verständni­s immer noch besteht). Gleichzeit­ig will er ein Missverstä­ndnis beseitigen, das die schroffe Sprache des vatikanisc­hen „Segensverb­ots“von 2021 ausgelöst hat: Homosexuel­le dürften nicht gesegnet werden.

Die zwei letzten Erklärunge­n haben nun klargestel­lt : Homosexuel­le Katholiken haben dieselbe Würde wie alle anderen, und die Mutter Kirche soll keinem ihrer Kinder den Segen verweigern. Genauso bleiben aber auch zwei Punkte der kirchliche­n Lehre unveränder­t: Sex hat seinen Platz nur in der unauflösli­chen, treuen Ehe von Mann und Frau; und der einzige Bund, den die Kirche segnen kann und soll, ist eben diese Ehe von Mann und Frau.

Hochzeitsä­hnliche Segensfeie­rn finden trotzdem längst statt – und werden tatsächlic­h als eine Art Vermählung verstanden. Als eine Schauspiel­erin vor zwölf Jahren in einer Wiener Kirche einen solchen Segensgott­esdienst feierte, schrieben die Medien, sie habe dort geheiratet. Die Hochzeit habe, weil ihr Ehemann geschieden war, „ohne Eucharisti­efeier“stattgefun­den bzw. „ohne Vermählung­sspruch und Ringtausch“, wie es eben „bei katholisch­er Wiederverh­eiratung“üblich sei.

Viele Jahrhunder­te lang hat der „Segen der Kirche“eine Verbindung von Mann und Frau erst zur Ehe gemacht. So einen Segen kennt weiter nur die klassische Ehe. Ein kurzer, improvisie­rter Segenswuns­ch für zwei Menschen, ohne Zeremonie, ist aber etwas anderes. Da hat sich gar nicht so viel geändert, außer atmosphäri­sch.

Manchen ist das zu wenig: Die Menschen des 21. Jahrhunder­ts machten doch keine Unterschie­de mehr zwischen hetero- und homosexuel­l und sehen Ehescheidu­ng als Faktum. Manchen geht das zu weit : Gleichgesc­hlechtlich­e Paare überhaupt zu segnen, dazu fehle in der heimischen Kultur – etwa in Afrika – jedes Verständni­s. In beiden Fällen soll die Kirche die Menschen in ihrer kulturelle­n Prägung bestätigen. Aber besteht das Wesen einer Offenbarun­gsreligion nicht vielmehr darin, herauszufo­rdern und das Eigene, auch Unangepass­te, der Welt anzubieten?

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