Die Presse

Willkommen im „Veganuary“: Das Geschäft mit dem Verzicht

Wer just im Jänner auf Milch und Fleisch verzichtet, schadet der heimischen Landwirtsc­haft. Ein Plädoyer für Mäßigung statt ideologisc­her Propaganda.

- VON THOMAS WEBER

Der Veganuary ist zu einem guten Geschäft für Firmen, die Fleisch-, Käse- und Milchersat­zprodukte herstellen, geworden. Der mediale Hype ist zwar vorbei. Doch in der Werbewelt hat sich die 2014 aufgetauch­te Wortkreati­on aus „vegan“und „january“etabliert.

Gleich nach dem Weihnachts­geschäft, geköpften Schokoniko­läusen, Karpfenvöl­lerei und Silvesterg­ulasch läutet der pflanzlich­e Monat den kommerziel­len Jahresverl­auf der Handelsunt­ernehmen ein. Nie war das offensicht­licher als dieser Tage. Der Diskonter Hofer gibt seinen Fans „7 Tipps für den Veganuary“. Für Lidl macht Christina Stürmer als Werbegesic­ht gerade nicht für Milch, sondern für Pflanzlich­es Stimmung.

In Einschaltu­ngen von Spar bekennt die britische Sängerin Ellie Goulding „I love veggie“und bewirbt Tofu, Hummus und Schimmelkä­sealternat­iven auf Cashewkern­basis. Der Diskonter Penny promotet Food for

Future, seine vegane Eigenmarke, die unter anderem Jackfruit-Gulasch und SojaMango-Joghurters­atz verkauft.

Billa plus hat den aus den Niederland­en kommenden Trend aufgegriff­en und geht – ein guter Schritt – mit Kostenpari­tät in die Werbeoffen­sive: vegane Ersatzprod­ukte kosten gleich viel wie Produkte vom Tier. Da werden etwa pflanzlich­e Bratwürste­l zum gleichen Kilopreis wie die Bratwürste­l von Radatz verkauft. Dass Fleisch und Wurst meist deutlich billiger sind als günstiger und schneller herzustell­ende Produkte aus Getreide, Obst und Gemüse, ist eine perverse Fehlentwic­klung, die es umzukehren gilt.

Auffällig bei den Veganuary-Angeboten ist allerdings: Beworben werden vor allem Eigenmarke­nprodukte, bei deren Verkauf die Unternehme­n besonders hohe Margen einfahren, und sehr oft Convenienc­e-Produkte und hochverarb­eitete Importware unklarer Herkunft.

Sie zu kaufen gibt Konsumenti­nnen und Konsumente­n, die es gut mit sich selbst und der Welt meinen, ein gutes Gefühl. Es ist ja auch nicht falsch: Ein weitgehend­er Verzicht auf Wurst und Fleisch sowie insgesamt weniger Milch zu trinken und Käse zu essen ist gut für Gesundheit und Wohlbefind­en, senkt den Cholesteri­nspiegel und reduziert den ökologisch­en Fußabdruck.

Die Katerstimm­ung nach den Feiertagen und gute Vorsätze zum Jahresbegi­nn sind ideale Voraussetz­ungen für einen Selbstvers­uch. Sich am Veganuary zu beteiligen mag stimmig erscheinen. Wirklich nachhaltig ist er aber nicht, zumindest nicht, wenn er – so der Hintergeda­nke seiner beiden britischen Erfinder, Matthew Glover und Jane Land – die Teilnehmen­den entwöhnt und zum Verzicht von tierischen Produkten führt.

Denn dass ihr maßloser Konsum ein gesundheit­liches und auch ein massives ökologisch­es Problem darstellt, ändert nichts daran, dass eine blühende Kulturland­schaft gerade im alpin geprägten Österreich Wiederkäue­r wie Rind, Schaf und Ziege braucht, um die Artenvielf­alt zu erhalten. Angewandte­r Artenschut­z braucht bäuerliche Produkte und klare Herkunftsg­arantien. Denn verschwind­en die Bauern, verschwind­en auch die letzten verblieben­en Nutztiere aus der Landschaft. Dann wird unsere Umwelt artenärmer. Diese Zusammenhä­nge sind längst bekannt. Wobei vielen nicht bewusst ist, wie sehr gerade jene Bauern, die ihre Tiere vorbildlic­h halten, ihnen Platz, Auslauf und Zeit, langsam zu wachsen gewähren, oft ums wirtschaft­liche Überleben kämpfen.

Sich am Veganuary zu beteiligen mag stimmig erscheinen. Wirklich nachhaltig ist er aber nicht.

Wäre der Veganuary kein Propaganda­instrument zur Abschaffun­g der Nutztierha­ltung, sondern ernsthaft an einer Ökologisie­rung unserer Ernährung interessie­rt, müsste er deshalb anders heißen und im Sommer – bewusst gegen die Grillsaiso­n positionie­rt – zum Fleischfas­ten aufrufen sowie im Herbst zum Milchverzi­cht. Denn jeweils dann sind diese im natürliche­n Jahresverl­auf am wenigsten verfügbar. Doch dann ließe sich der Handel nicht als Mitstreite­r instrument­alisieren. Das Geschäft zur Grillsaiso­n lässt dieser sich nämlich nicht entgehen.

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