Willkommen im „Veganuary“: Das Geschäft mit dem Verzicht
Wer just im Jänner auf Milch und Fleisch verzichtet, schadet der heimischen Landwirtschaft. Ein Plädoyer für Mäßigung statt ideologischer Propaganda.
Der Veganuary ist zu einem guten Geschäft für Firmen, die Fleisch-, Käse- und Milchersatzprodukte herstellen, geworden. Der mediale Hype ist zwar vorbei. Doch in der Werbewelt hat sich die 2014 aufgetauchte Wortkreation aus „vegan“und „january“etabliert.
Gleich nach dem Weihnachtsgeschäft, geköpften Schokonikoläusen, Karpfenvöllerei und Silvestergulasch läutet der pflanzliche Monat den kommerziellen Jahresverlauf der Handelsunternehmen ein. Nie war das offensichtlicher als dieser Tage. Der Diskonter Hofer gibt seinen Fans „7 Tipps für den Veganuary“. Für Lidl macht Christina Stürmer als Werbegesicht gerade nicht für Milch, sondern für Pflanzliches Stimmung.
In Einschaltungen von Spar bekennt die britische Sängerin Ellie Goulding „I love veggie“und bewirbt Tofu, Hummus und Schimmelkäsealternativen auf Cashewkernbasis. Der Diskonter Penny promotet Food for
Future, seine vegane Eigenmarke, die unter anderem Jackfruit-Gulasch und SojaMango-Joghurtersatz verkauft.
Billa plus hat den aus den Niederlanden kommenden Trend aufgegriffen und geht – ein guter Schritt – mit Kostenparität in die Werbeoffensive: vegane Ersatzprodukte kosten gleich viel wie Produkte vom Tier. Da werden etwa pflanzliche Bratwürstel zum gleichen Kilopreis wie die Bratwürstel von Radatz verkauft. Dass Fleisch und Wurst meist deutlich billiger sind als günstiger und schneller herzustellende Produkte aus Getreide, Obst und Gemüse, ist eine perverse Fehlentwicklung, die es umzukehren gilt.
Auffällig bei den Veganuary-Angeboten ist allerdings: Beworben werden vor allem Eigenmarkenprodukte, bei deren Verkauf die Unternehmen besonders hohe Margen einfahren, und sehr oft Convenience-Produkte und hochverarbeitete Importware unklarer Herkunft.
Sie zu kaufen gibt Konsumentinnen und Konsumenten, die es gut mit sich selbst und der Welt meinen, ein gutes Gefühl. Es ist ja auch nicht falsch: Ein weitgehender Verzicht auf Wurst und Fleisch sowie insgesamt weniger Milch zu trinken und Käse zu essen ist gut für Gesundheit und Wohlbefinden, senkt den Cholesterinspiegel und reduziert den ökologischen Fußabdruck.
Die Katerstimmung nach den Feiertagen und gute Vorsätze zum Jahresbeginn sind ideale Voraussetzungen für einen Selbstversuch. Sich am Veganuary zu beteiligen mag stimmig erscheinen. Wirklich nachhaltig ist er aber nicht, zumindest nicht, wenn er – so der Hintergedanke seiner beiden britischen Erfinder, Matthew Glover und Jane Land – die Teilnehmenden entwöhnt und zum Verzicht von tierischen Produkten führt.
Denn dass ihr maßloser Konsum ein gesundheitliches und auch ein massives ökologisches Problem darstellt, ändert nichts daran, dass eine blühende Kulturlandschaft gerade im alpin geprägten Österreich Wiederkäuer wie Rind, Schaf und Ziege braucht, um die Artenvielfalt zu erhalten. Angewandter Artenschutz braucht bäuerliche Produkte und klare Herkunftsgarantien. Denn verschwinden die Bauern, verschwinden auch die letzten verbliebenen Nutztiere aus der Landschaft. Dann wird unsere Umwelt artenärmer. Diese Zusammenhänge sind längst bekannt. Wobei vielen nicht bewusst ist, wie sehr gerade jene Bauern, die ihre Tiere vorbildlich halten, ihnen Platz, Auslauf und Zeit, langsam zu wachsen gewähren, oft ums wirtschaftliche Überleben kämpfen.
Sich am Veganuary zu beteiligen mag stimmig erscheinen. Wirklich nachhaltig ist er aber nicht.
Wäre der Veganuary kein Propagandainstrument zur Abschaffung der Nutztierhaltung, sondern ernsthaft an einer Ökologisierung unserer Ernährung interessiert, müsste er deshalb anders heißen und im Sommer – bewusst gegen die Grillsaison positioniert – zum Fleischfasten aufrufen sowie im Herbst zum Milchverzicht. Denn jeweils dann sind diese im natürlichen Jahresverlauf am wenigsten verfügbar. Doch dann ließe sich der Handel nicht als Mitstreiter instrumentalisieren. Das Geschäft zur Grillsaison lässt dieser sich nämlich nicht entgehen.