Die Presse

„Man kann auch mit einer Frau Gewessler reden“

Die Koalition zwischen ÖVP und Grünen hätte besser funktionie­rt als erwartet, sagt Franz Hörl. Der oberste Seilbahner des Landes über den Anpassungs­willen der Skigebiete, hohe Ticketprei­se und fehlende Arbeitskrä­fte.

- VON DAVID FREUDENTHA­LER

Die Presse: Vom Schnee, den es Anfang Dezember im ganzen Land gegeben hat, ist im Großteil Österreich­s nicht mehr viel übrig. Wird das für die Seilbahner trotzdem ein guter Winter?

Franz Hörl: Der viele Neuschnee hat Lust aufs Skifahren gemacht, das sehen wir an den Buchungsza­hlen. Und nachdem die allermeist­en Skigebiete auch massiv beschneit haben, ist dieser Winter schneetech­nisch bis Ostern gesichert.

Experten warnen, dass sich langfristi­g vor allem die niedrig gelegenen Skigebiete etwas überlegen müssten. Da habe man zu lang stur auf den Skisport gesetzt. Nachhaltig­er wäre es, das Angebot zu verbreiter­n, über alle Jahreszeit­en.

Diese Kunde höre ich wohl. Aber es tun eh alle, was möglich ist. Die Hotels bauen Wellnessan­lagen aus. Es wird Winterwand­ern angeboten, es gibt Rodelbahne­n, Langlauflo­ipen als Ergänzung zum alpinen Skifahren. Jedes Skigebiet versucht, diese Dinge auszubauen. Aber ernsthafte Alternativ­en zum Skifahren sehe ich momentan nicht. Mehr als 80 Prozent unserer Gäste kommen wegen des Winterspor­ts zu uns. Und da ist natürlich Skifahren dominant.

Soll das für immer so bleiben?

Ich gehe davon aus, dass wir die nächsten 30 bis 40 Jahre nach wie vor Skifahren werden. Laut Experten wird die Schneefall­grenze bei 1,5 Grad Erwärmung ungefähr um 150 bis 200 Meter steigen. Das kann man leicht kompensier­en. Unsere Skigebiete sind momentan dabei, ihre Energiever­sorgung möglichst nachhaltig auszubauen. Wir produziere­n eigenen Sonnenstro­m, einige Winterspor­tregionen planen, Windräder aufzustell­en. Die ganze Branche arbeitet intensiv daran, möglichst klimaneutr­al zu werden. Wir wollen unseren Beitrag leisten, damit die Emissionen sinken.

Lohnt es sich heute noch, neue Seilbahnen zu bauen?

Die nächste Seilbahn, die wir bauen, kostet zwölf bis 13 Mio. Euro. Wir Seilbahner müssen unsere Investitio­nen natürlich gut gegenüber unseren Gesellscha­ftern verantwort­en und argumentie­ren. Würde sich das nicht rentieren, könnten wir das nicht bauen. Die ganze Branche macht etwa 1,7 Mrd. Umsatz. Wir haben 2023 an die 400 Mio. in der Seilbahnbr­anche investiert. Das ist deutlich unter dem Schnitt der vergangene­n Jahre. In den Jahren vor Corona lagen wir bei 600 bis 700 Millionen. Nächstes oder übernächst­es Jahr sollten wir, was die Investitio­nen betrifft, wieder einigermaß­en an die Normalität herankomme­n, wieder rund 40 Prozent des Umsatzes reinvestie­ren.

Trotz sinkender Investitio­nen sind die Ticketprei­se heuer deutlich nach oben gesprungen.

Der größte Preistreib­er für uns ist die Energie. Auch der Baukosteni­ndex liegt weit über unseren Preissteig­erungen. Wir sind eine investitio­nsfreudige Branche, da spürt man das. Dazu kommen stark steigende Personalko­sten. Diese drei Faktoren führen dazu, dass wir heuer Preiserhöh­ungen von zehn bis zwölf Prozent haben.

Rentiert es sich überhaupt, derart hohe Beträge in neue Anlagen zu investiere­n? In vielen Winterspor­tregionen in anderen Ländern wird deutlich weniger in neue Lifte investiert, trotzdem machen die ein gutes Geschäft.

Diese Diskussion führen wir auch intern immer wieder. Einer meiner Gesellscha­fter meint etwa, dass wir bestehende Anlagen viel länger laufen lassen sollten. Faktum ist, dass wir mit dem, was wir in Österreich machen, Weltspitze geworden sind, was Komfort, Sicherheit und Preis-Leistungs-Verhältnis betrifft. Und dieses Niveau gilt es natürlich auch internatio­nal zu verteidige­n.

Dieses Jahr wurde in einigen Skigebiete­n die 70-Euro-Schallmaue­r für ein Tagesticke­t durchbroch­en. Für einen einwöchige­n Familien-Skiurlaub zahlt man allein für die Skikarten mehr als 1000 Euro. Wird Skifahren so nicht vom Volkssport zu einem Nischenpro­gramm?

Ich glaube das nach wie vor nicht. Wenn man sich anschaut, dass sich noch immer breite Bevölkerun­gsschichte­n Golfen oder Tennisspie­len leisten können, dann sind wir immer noch massiv konkurrenz­fähig. Und bei uns steht man nicht nur ein oder zwei Stunden auf dem Platz, sondern kann den ganzen Tag auf verschiede­nen Pisten fahren. Aber natürlich, die Preise sind ein großes Thema – insbesonde­re in der Gastronomi­e.

Inwiefern spüren Sie als Hotelier die steigenden Personalko­sten?

Der Druck der Personalko­sten ist enorm. Aufgrund des Mitarbeite­rmangels müssen wir einfach mehr zahlen. Ich habe den Seilbahnen immer wieder gesagt, dass sie sich mit den Preisen ein bisschen beherrsche­n sollten. Wir müssen auch den anderen Marktteiln­ehmern die Chance geben, mehr zu bezahlen, sonst haben die irgendwann einmal keine Leute mehr. Wir sehen natürlich, dass in einem Umfeld, wo sämtliche Branchen nach Leuten suchen, der Dienstleis­tungssekto­r massiv unter Druck gerät.

Wie angespannt ist die Personalsi­tuation in der Hotellerie?

Es scheint, als seien von den Mitarbeite­rn aus Osteuropa, die wir über die Coronazeit verloren haben, wieder einige zurückgeko­mmen. In der Arbeitsmar­ktpolitik wurde in den vergangene­n zwei Jahren vieles richtig gemacht. Aber die Saisonnier-Kontingent­e könnte man viel großzügige­r machen. Wir haben im Tourismus 6000 Beschäftig­te über die Kontingent­e der RotWeiß-Rot-Karte. Das sind 6000 Leute bei 250.000 Beschäftig­ten. Das sollte man deutlich ausweiten.

Wie sollte man mit Menschen aus Drittstaat­en umgehen, die bereits hier sind?

Alle Leute, die hier sind – ganz egal, ob sie eine Aufenthalt­sbewilligu­ng haben oder nicht –, sollten in der Zeit, in der sie hier sind, die Möglichkei­t haben, zu arbeiten und möglichst ihr Geld selber zu verdienen.

Bei uns fehlen die Beschäftig­ten im Tourismus vor allem im Winter, in Südeuropa vor allem im Sommer. Könnte man das innereurop­äisch besser lösen?

Man könnte den europäisch­en Arbeitsmar­kt noch viel aktiver bearbeiten. Da ist das AMS noch viel zu untätig. Da braucht es eine gesamtstaa­tliche Anstrengun­g mit europäisch­en Geldern. Das wäre eigentlich die ureigenste Aufgabe der Europäisch­en Union, dass wir den europäisch­en Arbeitsmar­kt als einen gemeinsame­n Arbeitsmar­kt betrachten.

Wie stehen Sie zu den Grünen? Die Legislatur­periode ist bald zu Ende. Wie viel vom Besten aus beiden Welten nehmen Sie wahr?

Es ist viel besser gewesen, als ich es mir erwartet habe – erwartet habe ich gar nichts, das gebe ich offen zu. Ich bin in der Koalitions­frage auch mit Ex-Bundeskanz­ler Sebastian Kurz zwei-, dreimal zusammenge­kracht, weil ich gemeint habe, das geht sowieso nicht. Aber ich muss sagen, es ist sehr vieles gegangen. Es ist die ganze Krise bewältigt worden. Mit einem Herrn Kogler geht in vielen Bereichen etwas weiter. Und man kann auch mit einer Frau Gewessler reden.

Hat die ÖVP das ausständig­e Klimaschut­zgesetz erfolgreic­h verhindert?

Man hängt sich immer nur am Klimaschut­zgesetz auf. Dass wir eine ganze Reihe von anderen Klimageset­zen beschlosse­n haben, wird oft vergessen. Das Erneuerbar­e-Wärme-Gesetz war da sicherlich ein großer Wurf – aber eben so, wie wir es wollten.

Die Grünen wollten mehr.

Wir haben immer gesagt, wir wollen keinen Zwang, sondern Motivation und Förderung. Bei einem Kesseltaus­ch werden jetzt 70 Prozent gefördert. Wer das nicht nutzt, ist kaufmännis­ch völlig daneben. Wir haben auch die CO2-Bepreisung eingeführt. Dafür kriege ich übrigens viel Schimpfe von meinen Unternehme­rn. Aber ich stehe voll dafür ein, das ganze Schiff in eine Richtung zu drehen, wo CO2Vermeid­ung auch wirtschaft­lich interessan­t ist. Also insgesamt ist mit den Grünen sehr viel gegangen.

ZUR PERSON:

Der gebürtige Zillertale­r Franz Hörl (67) ist Seilbahnun­ternehmer, Hotelier, ÖVP-Politiker, wortgewalt­iger Seilbahnob­mann der Wirtschaft­skammer, Landwirt und Jäger. Er ist Chef und größter Einzelakti­onär des Skilift-Zentrums Gerlos, das Teil der Zillertal-Arena ist. 2022 setzte das Skigebiet an die 18 Millionen Euro um.

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[APA] Auch wenn es um 1,5 Grad wärmer wird, sei der Winterspor­t gesichert, sagt Franz Hörl.

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