„Man kann auch mit einer Frau Gewessler reden“
Die Koalition zwischen ÖVP und Grünen hätte besser funktioniert als erwartet, sagt Franz Hörl. Der oberste Seilbahner des Landes über den Anpassungswillen der Skigebiete, hohe Ticketpreise und fehlende Arbeitskräfte.
Die Presse: Vom Schnee, den es Anfang Dezember im ganzen Land gegeben hat, ist im Großteil Österreichs nicht mehr viel übrig. Wird das für die Seilbahner trotzdem ein guter Winter?
Franz Hörl: Der viele Neuschnee hat Lust aufs Skifahren gemacht, das sehen wir an den Buchungszahlen. Und nachdem die allermeisten Skigebiete auch massiv beschneit haben, ist dieser Winter schneetechnisch bis Ostern gesichert.
Experten warnen, dass sich langfristig vor allem die niedrig gelegenen Skigebiete etwas überlegen müssten. Da habe man zu lang stur auf den Skisport gesetzt. Nachhaltiger wäre es, das Angebot zu verbreitern, über alle Jahreszeiten.
Diese Kunde höre ich wohl. Aber es tun eh alle, was möglich ist. Die Hotels bauen Wellnessanlagen aus. Es wird Winterwandern angeboten, es gibt Rodelbahnen, Langlaufloipen als Ergänzung zum alpinen Skifahren. Jedes Skigebiet versucht, diese Dinge auszubauen. Aber ernsthafte Alternativen zum Skifahren sehe ich momentan nicht. Mehr als 80 Prozent unserer Gäste kommen wegen des Wintersports zu uns. Und da ist natürlich Skifahren dominant.
Soll das für immer so bleiben?
Ich gehe davon aus, dass wir die nächsten 30 bis 40 Jahre nach wie vor Skifahren werden. Laut Experten wird die Schneefallgrenze bei 1,5 Grad Erwärmung ungefähr um 150 bis 200 Meter steigen. Das kann man leicht kompensieren. Unsere Skigebiete sind momentan dabei, ihre Energieversorgung möglichst nachhaltig auszubauen. Wir produzieren eigenen Sonnenstrom, einige Wintersportregionen planen, Windräder aufzustellen. Die ganze Branche arbeitet intensiv daran, möglichst klimaneutral zu werden. Wir wollen unseren Beitrag leisten, damit die Emissionen sinken.
Lohnt es sich heute noch, neue Seilbahnen zu bauen?
Die nächste Seilbahn, die wir bauen, kostet zwölf bis 13 Mio. Euro. Wir Seilbahner müssen unsere Investitionen natürlich gut gegenüber unseren Gesellschaftern verantworten und argumentieren. Würde sich das nicht rentieren, könnten wir das nicht bauen. Die ganze Branche macht etwa 1,7 Mrd. Umsatz. Wir haben 2023 an die 400 Mio. in der Seilbahnbranche investiert. Das ist deutlich unter dem Schnitt der vergangenen Jahre. In den Jahren vor Corona lagen wir bei 600 bis 700 Millionen. Nächstes oder übernächstes Jahr sollten wir, was die Investitionen betrifft, wieder einigermaßen an die Normalität herankommen, wieder rund 40 Prozent des Umsatzes reinvestieren.
Trotz sinkender Investitionen sind die Ticketpreise heuer deutlich nach oben gesprungen.
Der größte Preistreiber für uns ist die Energie. Auch der Baukostenindex liegt weit über unseren Preissteigerungen. Wir sind eine investitionsfreudige Branche, da spürt man das. Dazu kommen stark steigende Personalkosten. Diese drei Faktoren führen dazu, dass wir heuer Preiserhöhungen von zehn bis zwölf Prozent haben.
Rentiert es sich überhaupt, derart hohe Beträge in neue Anlagen zu investieren? In vielen Wintersportregionen in anderen Ländern wird deutlich weniger in neue Lifte investiert, trotzdem machen die ein gutes Geschäft.
Diese Diskussion führen wir auch intern immer wieder. Einer meiner Gesellschafter meint etwa, dass wir bestehende Anlagen viel länger laufen lassen sollten. Faktum ist, dass wir mit dem, was wir in Österreich machen, Weltspitze geworden sind, was Komfort, Sicherheit und Preis-Leistungs-Verhältnis betrifft. Und dieses Niveau gilt es natürlich auch international zu verteidigen.
Dieses Jahr wurde in einigen Skigebieten die 70-Euro-Schallmauer für ein Tagesticket durchbrochen. Für einen einwöchigen Familien-Skiurlaub zahlt man allein für die Skikarten mehr als 1000 Euro. Wird Skifahren so nicht vom Volkssport zu einem Nischenprogramm?
Ich glaube das nach wie vor nicht. Wenn man sich anschaut, dass sich noch immer breite Bevölkerungsschichten Golfen oder Tennisspielen leisten können, dann sind wir immer noch massiv konkurrenzfähig. Und bei uns steht man nicht nur ein oder zwei Stunden auf dem Platz, sondern kann den ganzen Tag auf verschiedenen Pisten fahren. Aber natürlich, die Preise sind ein großes Thema – insbesondere in der Gastronomie.
Inwiefern spüren Sie als Hotelier die steigenden Personalkosten?
Der Druck der Personalkosten ist enorm. Aufgrund des Mitarbeitermangels müssen wir einfach mehr zahlen. Ich habe den Seilbahnen immer wieder gesagt, dass sie sich mit den Preisen ein bisschen beherrschen sollten. Wir müssen auch den anderen Marktteilnehmern die Chance geben, mehr zu bezahlen, sonst haben die irgendwann einmal keine Leute mehr. Wir sehen natürlich, dass in einem Umfeld, wo sämtliche Branchen nach Leuten suchen, der Dienstleistungssektor massiv unter Druck gerät.
Wie angespannt ist die Personalsituation in der Hotellerie?
Es scheint, als seien von den Mitarbeitern aus Osteuropa, die wir über die Coronazeit verloren haben, wieder einige zurückgekommen. In der Arbeitsmarktpolitik wurde in den vergangenen zwei Jahren vieles richtig gemacht. Aber die Saisonnier-Kontingente könnte man viel großzügiger machen. Wir haben im Tourismus 6000 Beschäftigte über die Kontingente der RotWeiß-Rot-Karte. Das sind 6000 Leute bei 250.000 Beschäftigten. Das sollte man deutlich ausweiten.
Wie sollte man mit Menschen aus Drittstaaten umgehen, die bereits hier sind?
Alle Leute, die hier sind – ganz egal, ob sie eine Aufenthaltsbewilligung haben oder nicht –, sollten in der Zeit, in der sie hier sind, die Möglichkeit haben, zu arbeiten und möglichst ihr Geld selber zu verdienen.
Bei uns fehlen die Beschäftigten im Tourismus vor allem im Winter, in Südeuropa vor allem im Sommer. Könnte man das innereuropäisch besser lösen?
Man könnte den europäischen Arbeitsmarkt noch viel aktiver bearbeiten. Da ist das AMS noch viel zu untätig. Da braucht es eine gesamtstaatliche Anstrengung mit europäischen Geldern. Das wäre eigentlich die ureigenste Aufgabe der Europäischen Union, dass wir den europäischen Arbeitsmarkt als einen gemeinsamen Arbeitsmarkt betrachten.
Wie stehen Sie zu den Grünen? Die Legislaturperiode ist bald zu Ende. Wie viel vom Besten aus beiden Welten nehmen Sie wahr?
Es ist viel besser gewesen, als ich es mir erwartet habe – erwartet habe ich gar nichts, das gebe ich offen zu. Ich bin in der Koalitionsfrage auch mit Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz zwei-, dreimal zusammengekracht, weil ich gemeint habe, das geht sowieso nicht. Aber ich muss sagen, es ist sehr vieles gegangen. Es ist die ganze Krise bewältigt worden. Mit einem Herrn Kogler geht in vielen Bereichen etwas weiter. Und man kann auch mit einer Frau Gewessler reden.
Hat die ÖVP das ausständige Klimaschutzgesetz erfolgreich verhindert?
Man hängt sich immer nur am Klimaschutzgesetz auf. Dass wir eine ganze Reihe von anderen Klimagesetzen beschlossen haben, wird oft vergessen. Das Erneuerbare-Wärme-Gesetz war da sicherlich ein großer Wurf – aber eben so, wie wir es wollten.
Die Grünen wollten mehr.
Wir haben immer gesagt, wir wollen keinen Zwang, sondern Motivation und Förderung. Bei einem Kesseltausch werden jetzt 70 Prozent gefördert. Wer das nicht nutzt, ist kaufmännisch völlig daneben. Wir haben auch die CO2-Bepreisung eingeführt. Dafür kriege ich übrigens viel Schimpfe von meinen Unternehmern. Aber ich stehe voll dafür ein, das ganze Schiff in eine Richtung zu drehen, wo CO2Vermeidung auch wirtschaftlich interessant ist. Also insgesamt ist mit den Grünen sehr viel gegangen.
ZUR PERSON:
Der gebürtige Zillertaler Franz Hörl (67) ist Seilbahnunternehmer, Hotelier, ÖVP-Politiker, wortgewaltiger Seilbahnobmann der Wirtschaftskammer, Landwirt und Jäger. Er ist Chef und größter Einzelaktionär des Skilift-Zentrums Gerlos, das Teil der Zillertal-Arena ist. 2022 setzte das Skigebiet an die 18 Millionen Euro um.