Die Eckpunkte der EU-Richtlinie stehen fest. Unternehmen werden künftig mehr Verantwortung für ihre Lieferkette übernehmen müssen.
Rund zwei Jahre wurde verhandelt, jetzt ist es fix: Das EU-Lieferkettengesetz kommt. Europäisches Parlament, Kommission und Rat haben sich am 14. Dezember auf einen gemeinsamen Vorschlag für eine Lieferkettenrichtlinie geeinigt (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD). Unternehmen ab einer bestimmten Größenordnung müssen demnach in Sachen Menschenrechte und Umweltschutz auch für ihre Lieferkette Verantwortung übernehmen.
Zuletzt gab es drei unterschiedliche Entwürfe. Die jetzige Einigung läuft auf einen Kompromiss hinaus, mit ein paar Erleichterungen, aber auch Nachschärfungen im Vergleich zu den ursprünglichen Plänen.
Aber von Anfang an: Um welche Verpflichtungen geht es überhaupt? „Betroffene Unternehmen müssen künftig ihre gesamte Lieferkette auf Verstöße gegen Menschenrechte, Gesundheit und Umweltschutz überprüfen“, sagt Stefan Adametz, Partner bei FWP Rechtsanwälte, zur „Presse“. Tatsächliche oder potenzielle negative Auswirkungen müssen ermittelt und Maßnahmen zur Vermeidung ergriffen werden. Schäden sind zu beheben beziehungsweise auszugleichen.
Unmittelbar gelten soll das künftig für alle europäischen Unternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmern und einem weltweiten Jahresumsatz von mehr als 150 Millionen Euro. In „Risikosektoren“wird die Schwelle bei 250 Mitarbeitern und 40 Millionen Euro Jahresumsatz liegen. Letzteres betrifft etwa die Produktion und den Großhandel mit Textilien, Kleidung und Schuhen sowie die Förderung
beziehungsweise Verarbeitung von Rohstoffen, aber auch Landwirtschaft, Lebensmittelproduktion und Bauwirtschaft. Insofern gehen die europäischen Pläne deutlich weiter als das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, das 1000 Mitarbeiter als Schwelle vorsieht. Durch beide Regularien sind jedoch auch kleinere Unternehmen als Zulieferer indirekt betroffen.
Drei Jahre nach Inkrafttreten sollen zudem Unternehmen ohne Sitz in der EU ebenfalls miterfasst werden, sobald sie hier einen Jahresumsatz von 300 Millionen Euro erzielen. Das soll Standortnachteile im globalen Wettbewerb abfedern. Ob das gelingen wird, bleibt abzuwarten. Und ebenso, wie realistisch es ist, Geschäftspartner in Ländern mit sehr viel niedrigeren Sozial- und Umweltstandards entsprechend wirksam für die EUVorgaben in die Pflicht zu nehmen. Große Sorge herrscht dem Vernehmen nach etwa in der Autoindustrie, die zum Beispiel für die EMobilität
Fix ist indes, dass den Unternehmen bei Verstößen empfindliche Strafen drohen. Die Richtlinie sieht Geldbußen von bis zu fünf Prozent des weltweiten Umsatzes vor. „Die Mitgliedstaaten können aber auch höhere Sanktionen festlegen“, sagt Adametz. „Naming and shaming“kommt dazu – die Namen sorgfaltswidrig handelnder Unternehmen sollen öffentlich bekannt gemacht werden. „Weggefallen ist jedoch die direkte Haftung der Geschäftsleitung“, sagt Eckel.
Vorgesehen ist zudem eine zivilrechtliche Haftung von Unternehmen gegenüber Geschädigten. Damit können etwa schlecht entlohnte Arbeitskräfte eines Sub-Sub-Zulieferers vor einem EU-Gericht Schadenersatz einklagen. Stellvertretend können auch Gewerkschaften und Zivilorganisationen vor Gericht ziehen. Die ursprünglich angedachte Beweislastumkehr dürfte nun allerdings keinen Eingang in die Richtlinie finden.
Für die nötigen Weichenstellungen bleibt den Firmen noch etwas Zeit: Auf die Veröffentlichung der Richtlinie, mit der im ersten Halbjahr 2024 zu rechnen ist, folgt eine zweijährige Umsetzungsfrist. Nach einem weiteren Jahr sollen die Regeln für Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern gelten, noch ein Jahr später für die Nächstkleineren. Für Firmen mit 251 bis 500 Mitarbeitern in Risikosektoren ist es 2029 so weit. Mit der Risikoanalyse und den erforderlichen Anpassungen beginnen sollten Unternehmen dennoch schon jetzt, raten beide Juristen.