Zugriff auf Handys durch Ermittler wird erschwert
Die bisherige Regel verstößt laut dem Verfassungsgerichtshof gegen Grundrechte. Politiker oder andere Prominente in alten Fällen profitieren zwar nicht davon. Doch ab 2025 muss ein neues Gesetz gelten.
Handy-Daten seien sehr sensibel. Daher reiche es nicht aus, wenn die Ermittler eine Abnahme für geboten erachten, sondern ein Richter müsse diese genehmigen. Das erklärte der Verfassungsgerichtshof (VfGH) in einer am Dienstag bekannt gegebenen Entscheidung. Der VfGH gab damit dem Antrag eines Kärntner Unternehmers statt, der sich gegen eine Handy-Abnahme gewehrt hatte. Gegen ihn wurde wegen des Verdachts der Untreue ermittelt. Aber was bedeutet das VfGH-Erkenntnis für bereits erfolgte HandyAbnahmen, insbesondere in prominenten Fällen? Und wie kann eine künftige Regelung für Smartphones aussehen?
1 Was stört den Verfassungsgerichtshof an den bisherigen Regeln?
Der Unternehmer hatte die Verfassungskonformität der Handy-Abnahme in Zweifel gezogen, weil für andere Maßnahmen – etwa die Telefonüberwachung – sehr wohl eine gerichtliche Kontrolle vorgesehen ist, die Auswertung von Handys seiner Ansicht nach aber mindestens ebenso intensiv in die Privatsphäre eingreift.
Solche Grundrechtseingriffe müssten verhältnismäßig sein, betont nun der VfGH. Die Schwere des Eingriffs dürfe nicht größer sein als die Bedeutung des Ziels, das erreicht werden solle. Zwar sei es ein legitimes Ziel, Datenträger sicherzustellen und auszuwerten, um Straftaten zu verfolgen. Doch entsprechen die angefochtenen Bestimmungen der Strafprozessordnung nicht den Anforderungen von § 1 Datenschutzgesetz (Grundrecht auf Datenschutz) und Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (also dem Recht auf Privatleben).
Über das Handy „können umfassende Persönlichkeits- und Bewegungsprofile erstellt werden, die detailreiche Rückschlüsse auf das Verhalten, die Persönlichkeit und die Gesinnung des Betroffenen zulassen“, sagte der VfGH. Der Eingriff in den Datenschutz und das Privatleben ist laut dem VfGH-Erkenntnis (G 352/2021) auch besonders intensiv, weil eine Sicherstellung bereits bei einem Anfangsverdacht auf eine leichte Straftat möglich ist und weil auch sämtliche Personen betroffen sind, deren Daten auf dem sichergestellten Datenträger gespeichert sind. Dazu kommt, dass für Betroffene nicht ersichtlich ist, wie und vor allem welche gespeicherten Daten (etwa auch extern auf einer Cloud) ausgewertet werden.
2 Was schreibt der VfGH dem Gesetzgeber für künftige Handy-Abnahmen vor?
Der VfGH setzte dem Gesetzgeber eine Frist bis Anfang 2025, um neue Regeln für die Abnahme von Handys und anderen Datenträgern zu schaffen. Mit Jahresende 2024 treten die bisherigen Regeln außer Kraft. Der Gerichtshof hat auch Kriterien formuliert, an denen sich der Gesetzgeber bei einer Neuregelung orientieren muss: Eine so weitgehende Maßnahme wie eine Sicherstellung von Datenträgern erfordere, dass ein Richter sie vorab genehmige. Der Richtervorbehalt allein werde aber nicht reichen, ergänzt das Höchstgericht: Der Gesetzgeber muss bei der Neuregelung der Sicherstellung und Auswertung von Datenträgern das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung und die Grundrechte der Betroffenen gegeneinander abwägen und in Ausgleich bringen.
Welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen dieser Ausgleich genügen muss, wird nach Einschätzung des VfGH davon abhängen, wie intensiv der Grundrechtseingriff ist: Es kann einen Unterschied machen, ob eine Sicherstellung von Datenträgern bei allen oder nur bei bestimmten Straftaten vorgesehen wird, beispielsweise nur bei schweren Straftaten oder etwa nur bei Cyberkriminalität.
Der Gesetzgeber muss gewährleisten, dass die von der Sicherstellung und Auswertung eines Datenträgers Betroffenen in geeigneter Weise jene Informationen erhalten, die zur Wahrung ihrer Rechte im gegen sie geführten Strafverfahren notwendig sind. Weiters legt der Gerichtshof eine unabhängige Aufsicht nahe, die überprüft, ob sich die Staatsanwaltschaft und die Kriminalpolizei bei der Datenauswertung im Rahmen der gerichtlichen Bewilligung bewegt haben.
3 Welches Recht gilt bis 2025 und was bedeutet das VfGH-Erkenntnis für bisherige Handy-Abnahmen?
Die jetzige Entscheidung könnte nur auf den beim VfGH erfolgreichen Unternehmer aus Kärnten Wirkung entfalten; doch das Verfahren gegen ihn ist bereits eingestellt. Es hätten auch andere Personen ähnliche Fälle vor den VfGH bringen können, bevor über den Kärntner verhandelt wurde. Das tat aber niemand, weswegen andere nicht von der Entscheidung profitieren würden, wie Verfassungsrechtsprofessor Karl Stöger von der Uni Wien erklärt. Politische Kräfte rund um Ex-Kanzler Sebastian Kurz oder auch die hinter der Mediengruppe „Österreich“stehenden Brüder Wolfgang und Helmuth Fellner können ihre Handy-Abnahmen also nicht mit Verweis auf den VfGH bekämpfen. Auch für jeden anderen, dem vor 2025 das Handy noch abgenommen werden wird, gelten die alten Regeln weiter. Es sei denn, der Gesetzgeber erlässt schon früher neue Regeln.
„Es ist unser gesetzlicher Auftrag, dies umgehend zu korrigieren“, erklärte ÖVP-Verfassungsministerin Karoline Edtstadler. Denn das Erkenntnis bestätige, wofür sie seit Jahren kämpfe. „Wir werden die Entscheidung jetzt im Ministerium genau analysieren und die neue Regelung zeitnah umsetzen“, meinte Justizministerin Alma Zadić (Grüne). Sie habe bereits Gespräche mit den Strafverfolgungsbehörden über das Thema geführt.
Und wie hätte der vor dem VfGH nun erfolgreiche Mann bezüglich der Abnahme seines Handys profitieren können? So einfach sei das gar nicht, sagt Strafrechtsprofessor Alois Birklbauer von der Uni Linz. Denn es gebe in Österreich kein automatisches Beweisverwertungsverbot für Sachen, die rechtswidrig an Ermittler gekommen sind. Das bestätigt Kollege Hubert Hinterhofer von der Uni Salzburg. Aber auf Antrag des Verteidigers müsste das Gericht im Fall des Kärntners von der Verlesung des Handy-Protokolls absehen, sagt Hinterhofer zur „Presse“.
Das bleiben aber eben theoretische Überlegungen. Denn die Ermittlungen gegen den Kärntner sind eingestellt, wie seine Anwälte Richard Soyer und Philip Marsch betonen. Ihrem Mandanten bleibt aber die Genugtuung, die Regeln verändert zu haben. Das VfGH-Erkenntnis sei für den Gesetzgeber „ein sehr deutlicher Weckruf“, sagt Soyer.
Seine Kanzlei vertritt übrigens auch Thomas Schmid, der die türkise Chat-Affäre ausgelöst hat. Dieser wollte die gesetzliche Regeln für die Handy-Beschlagnahme aber offenbar nicht vor dem VfGH bekämpfen.
‘‘ Die Entscheidung des VfGH ist ein sehr deutlicher Weckruf. Anwalt Richard Soyer
AUF EINEN BLICK
Der VfGH setzte dem Gesetzgeber eine Frist bis Anfang 2025, um neue Regeln für Handys und andere Datenträger zu schaffen. Dann dürfen diese nur noch nach richterlicher Prüfung und wenn die Gesamtumstände dafür sprechen, abgenommen werden. Auf prominente Fälle aus der Vergangenheit wirkt sich das VfGH-Erkenntnis aber nicht aus. Auch 2024 gelten noch die alten Regeln weiter.