Leverkusens Weihnachtswunsch Deutschlands fünfmaliger Vizemeister will gegen Bochum makellos in die Winterpause abtreten. Warum Leverkusen auf der Erfolgswelle schwimmt – aber auch gewarnt ist.
Die besinnlichste Zeit des Jahres lädt zum Träumen ein. Und so ist es kaum verwunderlich, dass in Leverkusen, unmittelbar vor Weihnachten, die Ansagen deutlicher werden. „Nur der eine Wunsch. Jahr für Jahr. Eines Tages wird er wahr“, war am Sonntag (3:0Sieg gegen Frankfurt) auf einem Fantransparent zu lesen. Dazu hielt der Grinch eine Meisterschale in den Händen.
Die Hoffnung, dass der insgesamt fünfmalige Vizemeister endlich den ersten Bundesligatitel in Deutschland einfährt, ist groß wie nie. Selbst Trainer Xabi Alonso ließ sich von der aktuellen Euphorie um die Werkself bzw. den Tabellenführer anstecken: „Die Fans können feiern, sie können träumen. Es ist super, dass wir ihnen dieses Gefühl geben können“, sagte er.
Vor dem letzten Spiel des Jahres, heute (20.30 Uhr) gegen Bochum, sprach der Spanier gar davon, dass ihm die Zuneigung der Vereinsanhänger „fast so wichtig“sei wie Punkte. Derer hat Leverkusen aktuell 39 – und damit um vier mehr als Verfolger Bayern München, der ebenfalls heute (20.30 Uhr, jeweils live, Sky) in Wolfsburg das Fußballjahr beendet.
Warum Platz eins für Leverkusen in dieser Saison mehr als eine Momentaufnahme sein könnte, hat vor allem einen Grund: Alonso. Als Fußballprofi spielte er unter Trainergrößen wie etwa Rafael Benítez, José Mourinho, Pep Guardiola oder Carlo Ancelotti, nun gibt er selbst den Takt vor. Und das mit Leidenschaft und einem besonderen Gespür. Alonsos verlängerter Arm auf dem Platz, Granit Xhaka, fasste es einmal so zusammen: „Er ist sicher anders als meine Ex-Trainer. Er achtet nicht nonstop auf die Videoanalyse. Stattdessen macht er auf dem Platz mehr Kilometer als wir Spieler. Er ist ein Trainer, der als Spieler alles gewonnen hat, die Erfahrung mitbringt und er hat das Gefühl, wie er zum Spieler sprechen muss, wann er ihn loben, wann er ihn kritisieren muss.“Es sei „unglaublich bereichernd“mit ihm zu arbeiten.
Die Worte und die Arbeit Alonsos führten Leverkusen bisher zu einer Saison ohne Niederlage – sowohl in der Liga als auch im Cup und international. Nur bei drei der 24 Pflichtspiele (Remis in der Liga gegen München, Dortmund und Stuttgart) gingen die Rheinländer nicht als Sieger vom Platz. „Wir wollen das letzte Spiel in diesem Jahr gewinnen. Ein Sieg bedeutet den Rekord, aber das ist nicht mein Fokus“, erklärte Alonso vor der Partie gegen Darmstadt.
Auch Xhaka mahnt davor, den eigentlichen Fokus, den Titel, aus den Augen zu verlieren. „Im Fußball kann es sich von heute auf morgen ändern“, sagte der 31-jährige Schweizer. Das weiß der Mittelfeldspieler
als gebranntes Kind nur zu gut. In der Vorsaison hatte er mit dem FC Arsenal lange die Premier League souverän angeführt, um dann doch noch von Manchester City abgefangen zu werden. „Wir haben nicht nur die Hin-, sondern auch die Rückrunde stark gespielt – bis auf die letzten acht Spiele, in denen wir den Titel leider auch verloren haben“, sprach er nun deshalb von Trauma und Ansporn zugleich. „Ich weiß, wie es sich anfühlt, da oben zu stehen und am Schluss nicht zu gewinnen. Man braucht am Ende auch ein bisschen Glück.“
Wobei Leverkusens momentaner Erfolgslauf nicht nur auf Glück, Trainerfuchs Alonso und Leitwolf Xhaka zurückzuführen ist. Als Stürmer brilliert Neuzugang Victor Boniface mit bisher 15 Toren in allen Wettbewerben, in der Defensive ist es Alejandro Grimaldo, der ebenfalls als Neuzugang voll eingeschlagen hat. Insgesamt neun Treffer und sechs Vorlagen steuerte der Spanier bisher in allen Pflichtspielen bei – und ist damit Vorreiter in der insgesamt extrem torgefährlichen sowie in der Bundesliga besten Defensive. Insgesamt 24 Mal trafen Grimaldo, Jeremie Frimpong, Jonathan Tah und Co. bewerbsübergreifend ins Schwarze. Der aktuell stark aufspielende Florian Wirtz (dank acht Toren und elf Assists) und seine Kollegen in der Offensive netzten mit 50 Toren „nur“knapp doppelt so oft.