Hype um E-Autos endet im Gefängnis Die Milliardenbewertungen von E-Auto-Firmen haben sich in Luft aufgelöst. Nun muss ein besonders gefeierter Star, Nikola-Gründer Trevor Milton, wegen Betrugs sogar ins Gefängnis.
Trevor Milton war nicht bescheiden: „Nikola“nannte er sein Start-up, das er 2014 in Salt Lake City (Utah) gründete und das Wasserstoff- und ElektroLkw herstellen sollte. Die Namenswahl hat doppelte Bedeutung. Nikola ist der Vorname des legendären Erfinders Nikola Tesla – und es war wohl auch eine bewusste Anspielung auf die Elektroautofirma Tesla von Elon Musk. Jetzt haben Trevor Miltons ehrgeizige Ambitionen in einer vierjährigen Freiheitsstrafe geendet.
Es ist nicht das erste Start-up in der Elektroautoindustrie, das nach einem verheißungsvollen Start abstürzte und dessen Versprechungen sich in Luft aufgelöst haben. Aber es ist der bisher prominenteste Fall, der mit einer Haftstrafe für seinen Gründer geendet hat.
Nach Jahren, in denen fast jedes Unternehmen, das einen elektrischen Antrieb in ein Auto eingebaut hat, sofort mit Milliarden bewertet wurde, ist jetzt Ernüchterung eingekehrt. Investoren hatten stets auf ein zweites Tesla gehofft. Der weltweit führende Elektroautobauer hat seinen Aktienkurs kurzzeitig mehr als verzwanzigfacht.
Entsprechend war der Hype um jede neue E-Auto-Firma groß und in der Folge auch die Entwicklungen an den Börsen: Tesla war beispielsweise für einige Zeit mehr wert als die Autohersteller VW und BMW zusammen, obwohl die USAmerikaner in einem Jahr nicht so viele Fahrzeuge produzierten wie der Volkswagen-Konzern in einem Monat. Das junge Start-up Rivian wiederum übertraf den Börsenwert von General Motors, bevor es noch einen einzigen elektrischen Pickup verkauft hatte.
Die Ernüchterung kann man recht anschaulich an den Börsen verfolgen. Rivian notiert aktuell bei 23 Dollar. In seinen besten Zeiten, gleich nach dem Börsengang im November 2021, zahlte man für eine Aktie des Unternehmens noch knapp 130 Dollar. Die Aktien des kalifornischen E-Auto-Bauers Lucid, eines anderen Hoffnungsträgers
vieler Investoren mit Autos mit verheißungsvoller Reichweite, sind um 93 Prozent gefallen und auch Fisker, das seine E-Fahrzeuge beim steirischen Hersteller Magna produzieren lässt, hat um 94 Prozent an Wert verloren.
Wie dramatisch die Folgen des Abstiegs im Einzelfall sein können, muss derzeit der Lkw-Fertiger Steyr Automotive (vormals MAN) in Oberösterreich erleben. Das junge schwedische Start-up Volta Trucks ließ seine elektrischen Lkw in Steyr fertigen. Schon 2025 wollte man dort jährlich 27.000 E-Lkw herstellen. Doch vor wenigen Wochen, im Oktober, musste Volta Insolvenz anmelden. Wie es weitergeht, wird sich weisen, wenn die Übernahme von Volta durch den Hedgefonds Luxor Capital abgeschlossen ist.
Über einen besonders krassen Fall berichtete Mitte 2020 Hindenburg Research, ein Unternehmen, das sich auf das Aufdecken von unternehmerischem Betrug und kriminellen Praktiken spezialisiert hat. In dem Bericht wurde dem Autobauer Mullen Automotive vorgeworfen, in China eingekaufte Fahrzeuge als eigene Produkte darzustellen und über den Stand der Entwicklung von Feststoffbatterien gelogen zu haben. Mullen wies die Vorwürfe zurück, die Aktie stürzte jedoch von einst 3600 Dollar auf aktuell elf Cent ab – ein Wertverlust von mehr als 99 Prozent in den vergangenen fünf Jahren.
Diese E-Auto-Hersteller profitierten auch von der Begeisterung, die es um Nikola gab. Trevor Milton machte sich weltweit einen Namen und schürte Hoffnungen, dass es bald abgasfreie Lkw gibt, die von Wasserstoff oder Strom angetrieben werden.
Milton erzählte von Prototypen, die auf den Straßen unterwegs seien, und lockte Investoren mit der Aussage, dass man Vorbestellungen in der Höhe von mehreren Milliarden Dollar habe. Tatsächlich fanden sich viele Geldgeber und Kooperationspartner, darunter beispielsweise Bosch und der LkwHersteller Iveco.
Doch die Behauptungen von Trevor Milton seien allesamt falsch gewesen, erklärte die US-amerikanische Staatsanwaltschaft, die den heute 41-Jährigen wegen Betrugs anklagte. In der Nacht auf Dienstag verurteilte ihn ein Richter zu vier Jahren Haft und einer Geldstrafe von einer Million Dollar. Zudem soll Milton Schadenersatz zahlen – in welcher Höhe, wird später festgelegt. Die Verteidiger des früheren Firmenchefs weisen alle Vorwürfe zurück und haben gegen das Urteil berufen.
Die Firma Nikola, die sich von Milton getrennt hat, ist weiterhin aktiv und arbeitet an abgasfreien Lkw. Im November aber warnte das Unternehmen, dass das Geld in den kommenden zwölf Monaten ausgehen könnte.
Für Trevor Milton hat sich der finanzielle Höhenflug seines Unternehmens jedenfalls ausgezahlt. Er hielt in den besten Zeiten 40 Prozent an Nikola. Mitte 2020 verkaufte er Aktien im Wert von 100 Millionen Dollar, um sich dafür unter anderem ein Flugzeug und Immobilien auf Karibikinseln zu kaufen. Investoren haben laut der Anklageschrift mehr als 660 Millionen Dollar verloren.