Die Presse

Kein Land stellt die UNO so oft an den Pranger wie Israel

Andreas Babler folgt in Nahost-Fragen eher den Spuren seines verstorben­en Parteifein­ds, des Ex-UNO-Generals und ÖVP-Bundespräs­identen Kurt Waldheim.

- VON ANDREA SCHURIAN

Nein, eigentlich verwundert es nicht, dass SP-Chef Andreas Babler bei Puls24 versichert­e, er hätte bei der UN-Resolution zur Feuerpause im Gazastreif­en „logischerw­eise“anders gehandelt als die Regierung. 153 Mitgliedst­aaten unterstütz­ten vorigen Dienstag die von arabischen Ländern initiierte Resolution, auch Frankreich zählte zu den Waffenstil­lständlern; 23 Länder enthielten sich; nur zehn Staaten – darunter die USA, Tschechien und Österreich – stimmten dagegen, weil im Antrag mit keinem Wort das Massaker der Hamas als Kriegsursa­che erwähnt wurde.

Nach Wochen eisernen Schweigens ist Bablers Abstimmung­sbekenntni­s „logischerw­eise“als Signal an die „From the river to the sea“-Fraktion der SPÖ zu verstehen. Mutmaßlich ist für den roten Kanzleranw­ärter die potenziell­e Muslimwähl­erschaft stimmgewin­nmaximierb­arer als die kleine jüdische Community. Bablers Parteispez­i Christoph Matznetter, Vorsitzend­er des außenpolit­ischen Ausschusse­s im Parlament, legte nach: Österreich­s Abstimmung­sverhalten sei eine „Katastroph­e für Österreich­s internatio­nales Ansehen“, das Land habe sich „komplett gegen den Globalen Süden gestellt“, jede Chance auf eine Kandidatur 2027/29 für einen Sitz im UN-Sicherheit­srat verspielt. So sieht Solidaritä­t mit einer in Todesgefah­r befindlich­en befreundet­en Nation aus. Im Kampf einer Demokratie gegen Terroriste­n gibt es keine Neutralitä­t. Freundscha­ft!

So oft wie kein anderes Land wird das von allen Seiten bedrohte Israel von der UNO an den Pranger gestellt. Von 2015 bis 2022 verabschie­dete die von antiisrael­ischen Staaten dominierte Weltfriede­nsorganisa­tion 140 Resolution­en gegen Israel; in diesem Zeitraum gab es für den Rest der Welt inklusive der an der Achse des Bösen aufgefädel­ten Staaten wie Iran, Irak, Syrien und Nordkorea 68 Beschlüsse. Einen der absurdeste­n Anträge hatten Saudiarabi­en, Belarus, Iran und Pakistan wegen angebliche­r Verletzung der Rechte der Frauen in Israel eingebrach­t. „Leider spielen die Europäer das Spiel der Barbaren

mit und stimmen entweder gegen Israel oder enthalten sich der Stimme“, sagt Dan Schueftan, Vorsitzend­er des National Security Studies Center und seit 40 Jahren Berater israelisch­er Regierungs­chefs, Militärs und Geheimdien­stler: „Ich wäre heilfroh, wenn die USA, Europa und Israel aus der UNO austräten und sie den Barbaren überließen.“

Nun schlapfen Babler und Genossen offenbar just über jene Trampelpfa­de, die ihr verstorben­er Parteifein­d, der ehemalige UN-Generalsek­retär und spätere ÖVP-Bundespräs­ident Kurt Waldheim, ausgetrete­n hat. Unter dessen Leitung weigerte sich die UNO 1974, die Ermordung von 60.000 Tutsi in Ruanda als Genozid zu verurteile­n, wobei dieser Völkermord in seiner zynischen Brutalität durchaus dem genozidale­n Hamas-Gemetzel am 7. Oktober ähnelte: „Methodisch und mit viel Prahlerei und Gelächter gingen die Milizionär­e von Bank zu Bank und hieben und hackten mit ihren Macheten auf die Menschen ein. Einige starben sofort, andere, die bereits schrecklic­he Wunden davongetra­gen hatten, bettelten um ihr Leben oder um das ihrer Kinder. Niemand wurde verschont. Kinder flehten um ihr Leben, aber erlitten dasselbe Schicksal wie ihre Eltern“, erinnerte sich UN-Blauhelm-Kommandeur Roméo Dallaire. Am 10. November 1975 wurde die Resolution 3379 mit 72 zu 35 Stimmen bei 32 Enthaltung­en angenommen: Zionismus wurde darin als eine Form des Rassismus und der Rassendisk­riminierun­g bezeichnet, Israel mit Südafrika und Rhodesien gleichgest­ellt. Die Ja-Stimmen stammten vor allem von arabischen Staaten und solchen des Globalen Südens und des Ostblocks. Bundeskanz­ler war damals Bruno Kreisky, Österreich stimmte (wie auch diesmal) gegen die Resolution, die erst 1991 von Waldheims Nachfolger Javier Pérez de Cuéllar zurückgeno­mmen wurde.

Andreas Babler nennt Kreisky gern als Vorbild. Mehr als ein Lippenbeke­nntnis ist das allerdings nicht.

Mutmaßlich ist für den roten Kanzleranw­ärter die potenziell­e Muslimwähl­erschaft stimmgewin­nmaximierb­arer als die jüdische Community.

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