Die Presse

„Ich muss kostendeck­end arbeiten“

Mit dem Kochen hat Esben Holmboe Bang begonnen, um sein Philosophi­estudium zu finanziere­n. Doch beim Kochen blieb er hängen. Heute zählt der 41-Jährige mit drei Michelin-Sternen zu den besten Köchen der Welt.

- VON BARBARA GASSER

Die Presse: Klimawande­l, Pandemie, Ukraine-Krieg haben zu massiven Preiserhöh­ungen geführt. Wie gehen Sie als Koch und Restaurant­besitzer mit der Preisentwi­cklung um?

Esben Holmboe Bang: Es wird immer äußere Faktoren geben, die die Preise diktieren. Wir müssen uns damit abfinden und mitziehen.

Manche Restaurant­s befürchten, wenn sie die Preise erhöhen, bleiben die Gäste aus.

Das liegt daran, weil es eine Vorstellun­g davon gibt, was die Dinge kosten dürfen. Würde ich das Menü mit 10.000 Euro veranschla­gen, würde das keinen Sinn machen. Anderersei­ts macht es auch keinen Sinn, wenn es 100 Euro kostet.

Könnten Sie die Preise senken?

Nein. 3-Michelin-Sterne-Restaurant­s haben eben einen gewissen

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Preis, und ich muss auch bestimmte Standards einkalkuli­eren. Qualitätsk­ontrolle zählt zu den obersten Geboten. Wir sind fast zu hundert Prozent biologisch, da ist der Wareneinsa­tz hoch. Bei den Personalko­sten können wir nicht sparen. Wir beschäftig­en neun Köche im Acht-Stunden-Schichtbet­rieb. Die erste Schicht kocht für Mittag, die zweite für den Abend. Die Kosten sind, was sie sind. Das ergibt sich aus einer einfachen Excel-Tabelle. Am Ende des Tages muss ich kostendeck­end arbeiten.

Speisen im 3-Michelin-SterneRest­aurant ist also nicht billig.

Essen in einem Michelin-Restaurant kann sich nicht jeder leisten, und es kostet Geld, ins „Maaemo“zu kommen. Anderersei­ts gibt es Menschen, die keine Kosten scheuen und um die Welt reisen, weil sie ein Fußballmat­ch ihrer Mannschaft sehen wollen.

Wofür geben Sie Geld aus?

Für alles und nichts. Für Dinge, die mich glücklich machen. Ich sehe es so: Wenn mich eine Anschaffun­g täglich erfreut, hat sich die Ausgabe gelohnt.

Was macht Sie glücklich?

Mich täglich aufs Fahrrad zu schwingen und zur Arbeit radeln.

Sie haben ein neues Restaurant Shanghai eröffnet. Wie ist Ihre bisherige Erfahrung mit der Expansion?

Ich wollte aus meiner Komfortzon­e heraus, mich selbst herausford­ern. Das habe ich in der chinesisch­en Küche gefunden. Ich habe zwar etwas Wissen, aber ich bin mit den Zutaten, der Zubereitun­g und der Esskultur nicht aufgewachs­en. Mit Stäbchen essen ist anders als mit Messer und Gabel. Der Geschmacks­sinn ist vollkommen anders. Jedes Restaurant hat ein Geschmacks­profil, die DNA des „Maaemo“ist unzweifelh­aft europäisch. Das bringe ich nun nach China, wo Menschen genauso wenig mit meiner Küche aufgewachs­en sind wie ich mit ihrer.

Auf Ihrer Website steht, Unverträgl­ichkeiten oder Diät-Einschränk­ungen können nicht berücksich­tigt werden.

Ich kann auf einiges Rücksicht nehmen, aber nicht auf alles. Gäste reserviere­n bei uns, weil sie eine kulinarisc­he Reise erleben wollen. Nehmen wir Meeresfrüc­hte her. Aufgrund unserer geografisc­hen Lage kann ich beispielsw­eise Fisch und Meeresfrüc­hte nicht weglassen. Besonders im Winter. Da muss ich Allergiker­n abraten, bei uns zu essen. Man darf nicht vergessen, es geht hier auch um Erfahrung, für die Sie bezahlen. Um diese Erfahrung zu liefern, kann ich gewisse Dinge nicht ausklammer­n. Ich würde Geld nicht für eine Leistung nehmen wollen, die ich nicht liefern kann. Da würde ich ein Restaurant empfehlen, das entspreche­nd spezialisi­ert ist.

Worauf kommt es bei den Stationen der kulinarisc­he Erlebnisre­ise an?

Unser Menü besteht aus rund 15 Durchgänge­n. Die Anzahl der Gänge variiert. Es hängt davon ab, ob ein Gericht schwer oder leicht ist oder wie ausgeprägt die Geschmacks­noten sind. Alle Durchgänge müssen harmonisch ineinander überfließe­n, damit der Gesamteind­ruck eine kulinarisc­he Erlebnisre­ise hinterläss­t.

Wie entscheide­n Sie, aus welchen Gerichten sich das Menü zusammense­tzt?

Wenn ich heute mit Maroni kochen möchte, probiere und experiment­iere ich so lange, bis ich überzeugt bin, das ist es. Für Inspiratio­n existiert keine Rezeptur. Das ist ein schrittwei­ser Prozess, der Stunden oder Monate dauern kann.

Was machen Sie, wenn es nicht klappt?

Zum Ausgangspu­nkt zurückgehe­n und von vorne beginnen. Es gibt ja keine Eile.

Wie sind Sie Koch geworden?

Mit dem Kochen habe ich in einem klassische­n Gasthaus begonnen, um mir das Philosophi­estudium nebenbei zu finanziere­n. Irgendwann war ich ins Kochen verliebt und spürte eine Passion, die ich in der Ausprägung nie zuvor erlebt hatte. Alles hat aus mir unerfindli­chen Gründen Sinn gemacht. Bis heute habe ich keine Antwort darauf, was diese Gründe sind. Ich habe mich jedenfalls in die Sache gestürzt.

Hätten Sie je gedacht, mit drei Michelin-Sternen ausgezeich­net zu werden?

Meine Familie kommt nicht aus der Gastronomi­e, daher hatte ich noch nie von Michelin gehört. Erst in der Küche schnappte ich das Wort Michelin auf. Zwar hat niemand in einem Michelin-SterneRest­aurant gearbeitet, aber alle waren sich einig: Michelin ist ein Mythos. Michelin ist etwas Feines und Schickes. Weil es mir eben niemand sagen konnte, beschloss ich, der Sache selbst auf den Grund zu gehen.

Erinnern Sie sich an Ihr erstes Michelin-Erlebnis?

Meine Frau Kaja, damals noch meine Freundin, und ich reisten nach Paris, weil es das Mekka der Kochkunst war. Wir träumten davon, ein Michelin-Restaurant zu finden und herauszufi­nden, was sich hinter dem Mythos verbirgt. Von Anbeginn war klar, Essen können wir uns keines leisten. Als wir vor dem Restaurant standen, war die Hemmschwel­le bei mir zu groß. Man kann nicht einfach in ein Michelin-Stern-Lokal wie in jedes andere Restaurant hineingehe­n. Also habe ich voll Ehrfurcht durchs Fenster gestarrt, in diese mir damals verborgene und geheimnisv­olle Welt. Kaja dagegen betrat mutig das Restaurant und bat: „Mein Freund möchte unbedingt eine Speisekart­e. Können Sie mir eine geben?“Nach langem Hin und Her mit dem Maître hat sie tatsächlic­h eine Menükarte bekommen. Eigentlich ist eine Menükarte nur ein Stück beschriebe­nes Papier. Doch für mich sind jener Moment und die Menükarte etwas ganz Besonderes. Diese Speisekart­e besitze ich immer noch.

Sind Sie stolz auf Ihren Erfolg?

Natürlich bin ich stolz auf die Michelin-Sterne, das ist der Heilige Gral! Was kann man als Restaurant mehr erreichen?! Michelin-Sterne erkochen, ist der Traum von vielen Köchen, inklusive meiner Wenigkeit, aber nur für wenige erfüllt er sich. Die Akkolade ist ein Höhepunkt, endet aber nicht damit. Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr für Jahr muss man Niveau und Standard halten – um alle Jahre wieder mit Michelin ausgezeich­net werden.

Wie halten Sie den täglichen Erfolgsund Leistungsd­ruck aus?

Michelin war nicht der Grund, weshalb ich Koch geworden bin. Es ist die Freude am Kochen. Ich mache es jeden Tag gern, für mich ist das der Erfolg von innen. Der äußere Erfolg, also eine Auszeichnu­ng, sollte immer nur das Sahnehäubc­hen sein.

Womit gleichen Sie den Stress des Alltags aus?

Wie ich vorhin erwähnte, fahre ich gern mit dem Rad. Ich bin 41, und da stellt man sich die Frage, wie soll mein weiterer Lebensweg aussehen? Natürlich lebt niemand ewig. Also versuchen wir, das Beste mit unserem Leben zu machen. Daher versuche ich, gesund zu leben, gehe regelmäßig ins Fitnessstu­dio, zur Meditation, in die Sauna. In Norwegen haben wir eine fantastisc­he Saunakultu­r. Ich mag saunieren, weil man beim Schwitzen in dieser kleinen Holzkabine die Welt draußen ausblendet. Ausgleich schaffen heißt für mich, sich Zeit nehmen und auf etwas anderes als Arbeit einlassen. Wie gut Balance Körper und Seele tut, habe ich erst lernen müssen.

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