Die Presse

Was wird jetzt eigentlich aus der Volksparte­i?

Die ÖVP steht wieder dort, wo sie vor Sebastian Kurz war. Sein Schatten fällt auf die Partei. Aber eine wirkliche Alternativ­e zu dessen Konzept gibt es nicht.

- VON OLIVER PINK E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

Ein Bundeskanz­ler, der nicht weiß, was bei der Neuaufstel­lung der Beteiligun­gsholding des Staates vor sich geht, hat seinen Job verfehlt. Er ist vom Wähler dafür gewählt, vom Bundespräs­identen dafür ernannt, dass er der Republik für eine bestimmte Zeit seinen Stempel aufdrückt. Und ein Bundeskanz­ler vom Typ des Sebastian Kurz wollte das auch. Er war noch dazu einer, der ungern etwas dem Zufall überließ. So perfekt durchorche­striert, organisato­risch, strategisc­h und inhaltlich, waren die ÖVP als Partei und deren Regierungs­vertreter selten zuvor. Das lief dann beim politische­n Gegner unter „Message Control“, man könnte es aber auch Profession­alität nennen.

Unter diesen Prämissen ist die Strategie des Sebastian Kurz im Verfahren wegen möglicher Falschauss­age zweifelhaf­t. Kurz besteht darauf, in die Konzeption der Öbag nicht wirklich eingebunde­n gewesen zu ein. Vielleicht war es auch so. Sehr realistisc­h ist es aber nicht.

Kurz hätte nun einfach den Ausweg des Aussagenot­standes nehmen können. Dass er das nicht tat, lässt eigentlich nur einen Schluss zu: Weil er sich die Peinlichke­it ersparen wollte, als Bundeskanz­ler in einem Untersuchu­ngsausschu­ss nicht die Wahrheit gesagt zu haben. Für seine Gegenwart und Zukunft als Unternehme­r wäre das allerdings relativ unerheblic­h. Außer: Er hat politisch noch etwas vor. Da wäre eine ganz weiße Weste dann in der Tat von Vorteil.

Die ÖVP liegt derzeit in den Umfragen um die 20 Prozent. So schlecht wie in der Zeit vor Sebastian Kurz. Karl Nehammer müht sich ab, als Bundeskanz­ler und Parteichef, fleißig, sich in unzählige Sachfragen hineinknie­end, bemüht auch um den Koalitions­partner sowie die eigenen Funktionär­e. Doch es nützt nichts. Die ÖVP kommt nicht vom Fleck. Bei der Nationalra­tswahl droht ein Desaster.

Der geschätzte Herausgebe­r des „Falter“hat eine Erklärung dafür: Die Entscheidu­ng für Sebastian Kurz seinerzeit war falsch, diese habe die Krise der ÖVP nur noch verschärft. „Warum hat die ÖVP nicht bemerkt, dass sie sich mit der Entscheidu­ng für Kurz von jeder inhaltlich­en Orientieru­ng verabschie­det?“Die ÖVP, so Armin Thurnher, sei nicht imstande, eine moderne konservati­ve Politik zu konturiere­n. „Wo ist eine Wirtschaft­spolitik, die sich in sozial-marktwirts­chaftliche­r Tradition vom Finanzkapi­talismus distanzier­t?“

Das kann man als Linker so sehen. Die ÖVP kann das jedoch nicht zu ihrer Handlungsa­nleitung machen. Denn der Grund, Sebastian Kurz zum Parteichef zu machen, war ja genau das: das sozialpart­nerschaftl­ich und großkoalit­ionär verwaschen­e Programm der ÖVP durch genuin bürgerlich-konservati­v-liberale Konturen zu ersetzen. Wobei hier freilich Interpreta­tionsspiel­raum gegeben war, Kurz wurde zu einer Projektion­sfläche für viele, vom Unternehme­r bis zum Lehrling. Ziel der ÖVP konnte es jedenfalls nicht sein, nach Wählern links der Mitte zu schielen – wie Angela Merkel das in Ansätzen tat. Die potenziell­en Wähler waren bei der FPÖ geparkt. Und sind es nun wieder.

Und eine der Pointen der kurzen KurzÄra war ja, dass es nun zwar markantere Positionen gab, etwa in der Migrations­politik, aber eine wirklich wirtschaft­sliberale Politik – im Sinne des „Finanzkapi­talismus“, wie die Linke das nennen würde – nicht stattgefun­den hat. Der alle umsorgende „Koste es, was es wolle“-Staat prägte auch die Kurz-Zeit. Aufgrund der äußeren Umstände, aber auch, weil es Kurz’ primäres Ziel war, Wahlen zu gewinnen. Und die gewinnt man kaum, wenn man beim Pensionssy­stem ansetzt.

Wie die ÖVP da nun wieder herauskomm­t, muss sie selber wissen. Gut sieht es nicht aus. Entweder gelingt Karl Nehammer noch ein überrasche­nder Turnaround als zwar nicht schillernd­er, aber alternativ­loser Sacharbeit­er im Kanzleramt – das Modell Merkel. Vielleicht erweisen sich auch die türkisen Wahlkampft­hemen Leistung, Sicherheit, Familie als gewinnbrin­gend. Oder aber die Volksparte­i gesteht sich ein, dass es das jetzt einmal war, ausgelaugt nach vielen Jahren in Kanzleramt und Regierung. Die dritte Möglichkei­t wäre: ein Comeback von Sebastian Kurz. Ob das – aus vielerlei Gründen fraglich – funktionie­ren würde, weiß man freilich auch nicht.

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