Der Meister der Gewürze
Wenn Brahim Antri sein Ras elHanout herstellt, wird er regelmäßig von den Nachbarn auf den betörenden Duft angesprochen. Fast vier Stunden dauert es, bis die Gewürzmischung perfekt ist: Würzig, süßlich, leicht scharf zieht es da durch die Gänge rund um die kleine Gewürzmanufaktur Nessfino, die Antri im Herbst in Meidling eingerichtet hat.
Das Ras el-Hanout – frei übersetzt bedeutet das auf Arabisch: Chef des Ladens – ist sozusagen Antris SignatureGewürz: Seine Mischung hat 40 verschiedene Komponenten, darunter Koriander und Kardamom, Zimt und Piment, Rosmarin und Thymian, Chili und Ingwer, Rose und Orangenschale. Manche davon werden ein- oder zweimal geröstet, ehe sie Antri vermörsert oder mahlt – und schließlich zu einem harmonischen Ganzen mischt.
Der Mann weiß, was er tut: Das perfekte Ras-el-Hanout-Rezept ist quasi ein Erbstück. Antri ist die vierte Generation einer tunesischen Gewürzhändlerfamilie. Als kleiner Bub half er mit, als seine Großmutter und Mutter frische Paprikaschoten schnitten und trockneten, brachte die Gewürze in die Mühle. Während das Geschäft im Zentrum von Tunis inzwischen leer steht, führt er die Tradition nun in Wien weiter, wo er seit fast 35 Jahren lebt.
Ganz vergessen hatte er sein Erbe sowieso nicht: In all den Restaurants, in denen er nach seiner Ausbildung in Paris
als Koch arbeitete, mischte er stets seine eigenen Gewürzmischungen, bei internationalen Engagements und Reisen zwischen Südamerika und Indonesien vertiefte er seine Kenntnisse über die Aromen der Welt außerhalb Nordafrikas. Nun hat er seine Leidenschaft endlich zum Hauptberuf gemacht.
Fast 150 verschiedene Gewürzmischungen bietet er mittlerweile an, ganz vorn natürlich die orientalischen: neben dem Ras el-Hanout etwa tunesische Harissa – die in seiner Heimat einen derart hohen Stellenwert hat, dass sie zum immateriellen Unesco-Kulturerbe ernannt wurde –, er hat ein Gewürz für Shakshouka, eines für Couscous, eines für die Auberginencreme Baba Ganoush. Genauso gibt es aber Mischungen für Beef Tatar, Paella oder Coq au Vin – und für Paprikahendl, Kalbsgulasch und Liptauer.
Rund 250 einzelne Gewürze braucht er dafür: Boxen mit Paprika, Koriander und Kreuzkümmel, mit Rosenknospen, Safran oder Zitronengras stehen fein säuberlich aufgereiht in seinem Regal. Auf der anderen Seite stehen Metalldosen mit den beliebtesten Mischungen: Antri produziert sie in kleinen Mengen, teilweise erst nach der Bestellung, damit die Aromen nicht verloren gehen.
Qualität ist für ihn das Um und Auf: Er will für seine Mischungen nur die allerbesten Gewürze verwenden, alles kommt aus biologischer Landwirtschaft, teilweise kennt er die Produzenten vor Ort: in Tunesien natürlich, auch in Österreich, aber zum Beispiel auch die nepalesische Familie, von der er seinen lila Kardamom bezieht. Ein seltenes Gewürz, das die Aromen von Zimt, Vanille und Sternanis vereint.
Letzteres ist eines seiner persönlichen Lieblingsgewürze. „Sternanis liebe ich sehr“, sagt er. „Man kann es überall einsetzen – aber nicht zu viel.“Kardamom, frisch gerösteter Koriander und guter Pfeffer gehören ebenso zu seinen Favoriten. Und Loomi, sogenannte schwarze Zitronen – eigentlich sind es durch Salz und Trocknung konservierte Limetten –, die er in bio aber erst wieder auftreiben muss: vielleicht über Weihnachten in Tunesien.
Apropos Weihnachten: Zimt und Co. werden bei ihm derzeit naturgemäß viel bestellt („Ich habe einen ausgezeichneten Ceylon-Zimt“), sehr weihnachtstauglich sind auch sein Ganslgewürz und sein persisches Rosengewürz. Lebkuchenmix hat er keinen. Aus pragmatischen Gründen: „Den Lebkuchenteig kaufen die meisten heute sowieso im Supermarkt.“