Wäschekaiser in Erklärungsnot Gegen den Chef des Unterwäscheproduzenten Huber liegen in Thailand zwei rechtskräftige Urteile vor. Er schuldet Arbeiterinnen in einer Textilfabrik 5,5 Mio. Euro.
Es ist ein Paukenschlag, mit dem nicht unbedingt zu rechnen war: In der Nacht auf Donnerstag haben sich Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten auf ein neues Lieferkettengesetz geeinigt, das Unternehmen zu mehr Verantwortung in ihrer Lieferkette verpflichtet. NGOs sprechen von einem Meilenstein, andere Fachleute fürchten eher ein zahnloses Bürokratiemonster.
Dass ein europäisches Lieferkettengesetz aber durchaus seinen Sinn hätte, zeigen aktuelle Recherchen internationaler Arbeitsrechtsorganisationen, die der „Presse“exklusiv vorliegen. Dabei geht es um schwere arbeitsrechtliche Vorwürfe rund um den Vorstand des Vorarlberger Wäschekonzerns Huber Holding.
Die Vorgeschichte: Das Traditionsunternehmen mit Sitz in Götzis war eines der ersten großen betrieblichen Opfer der Coronakrise. Finanzielle Turbulenzen gab es schon seit einigen Jahren, im Mai 2020 eröffnete die Huber Gruppe, die als Dachgesellschaft von acht Unternehmen fungiert, für vier ihrer Gesellschaften Insolvenzverfahren. Bei den betroffenen Gesellschaften handelte es sich um die Huber Holding AG, die Arula GmbH, die Huber Shop GmbH sowie die Huber Tricot GmbH. Alle vier Verfahren wurden mittlerweile ordnungsgemäß abgeschlossen.
Die Sanierung der betroffenen Gesellschaften war erfolgreich – im abgelaufenen Geschäftsjahr erwirtschaftete die für ihre qualitativ hochwertige Wäsche bekannte Gruppe einen Umsatz von 144 Millionen Euro. Dabei stammten rund 2,5 Mio. Euro aus der Tasche der Bundesregierung, das nahmen die Unternehmen der Huber Gruppe von 2020 bis 2022 an Covidhilfen ein.
Nun droht neues Ungemach im Hause Huber. Wie das Worker Rights Consortium (WRC), eine internationale Arbeitsrechtsorganisation mit Sitz in Washington D. C., herausgefunden hat, liegen gegen den CEO und Vorstandsvorsitzenden der Huber Holding, Robert Ng, in Thailand zwei rechtskräftige Urteile vor. Der malaysische Geschäftsmann ist seit 2010 alleiniger Eigentümer des Vorarlberger Unternehmens, seit 2017 auch Vorstandsvorsitzender.
Zum Textilimperium von Ng zählt auch die thailändische Firma Body Fashion, die er 2016 von der Schweizer Firma Triumph übernommen hat. Body Fashion betrieb in Thailand mehrere Textilfabriken, von denen die Huber-Gruppe bis 2020 Ware in größerem Ausmaß bezogen haben soll.
So weit, so unproblematisch: Ein Geschäftsmann lässt in seinen eigenen Werken in Asien günstig für seine Unternehmen in Europa produzieren – das ist nichts Ungewöhnliches. Auch internationale Marken wie Victoria’s Secret, Lane Bryant und Triumph ließen in den vergangenen Jahren in Ngs Werken produzieren. Als im Frühjahr 2020 aber die Coronapandemie die globale Nachfrage mit einem Schlag einbrechen ließ, legte Body Fashion seine Textilfabriken still. Die Arbeiterinnen an mehreren Standorten wurden vorübergehend suspendiert, Löhne und gesetzliche Abfindungen nicht mehr ausbezahlt. Nach thailändischem Arbeitsrecht ein eindeutiger Gesetzesverstoß, heißt es in dem WRC-Report.
Die Zahlungsaufforderungen wurden dennoch nicht beachtet, weshalb sich rasch auch die thailändische Justiz mit dem Fall befasste: Im Herbst 2020 erließ das Arbeitsschutzministerium eine Anordnung, wonach Body Fashion den gekündigten Arbeiterinnen Abfindungs- und Entschädigungsbeträge leisten muss. Mittlerweile liegen mehrere rechtskräftige Urteile zugunsten der rund 900 betroffenen Arbeiter vor, datiert mit Frühjahr 2022: Body Fashion und insbesondere der Eigentümer Ng schulden den ehemaligen Arbeiterinnen
rund 5,5 Millionen Euro (inklusive Verzugszinsen).
„Bei dieser Sachlage sprechen wir ganz klar von Lohndiebstahl“, sagt Gertrude Klaffenböck von der NGO Südwind, die in dem Fall mit WRC zusammenarbeitet „Wir fordern Herrn Ng auf, sich an die Gesetze zu halten und den Arbeiterinnen umgehend zu bezahlen, was ihnen zusteht“, so Klaffenböck. Sie appelliert auch an die heimische Politik: Die österreichische Regierung sei als Vertragsstaat des internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte in der Pflicht, diese auch im internationalen Zusammenhang zu schützen.
Ganz so einfach ist die Rechtslage aber nicht. Ob das Urteil in Österreich gültig ist, richtet sich nach österreichischem Recht, das allenfalls von Staatsverträgen überlagert wird. Wenn es keinen solchen gibt, verlangt die Exekutionsordnung nach einer Verordnung aus dem Justizministerium. Diese würde vorschreiben, dass Titel aus Thailand in Österreich vollstreckbar sind und vice versa. Das Justizministerium teilte auf Nachfrage mit, dass es keinen bilateralen Staatsvertrag zwischen Österreich und Thailand zur Vollstreckung von zivilgerichtlichen Urteilen gibt. Solange sich Ng in Österreich aufhält, ist es den Arbeiterinnen und Arbeitern also nicht möglich, ihr Recht geltend zu machen.
Nach Aussagen der Werksarbeiter gegenüber der NGO Solidarity Center wurden Etiketten von HOM und anderen zu Huber gehörenden Marken auf die Wäsche genäht. Es bestand also offensichtlich eine Geschäftsbeziehung zwischen den thailändischen Produzenten und der österreichischen Huber-Gruppe. Nach derzeitiger Gesetzeslage sind die wirtschaftlichen Aktivitäten von Ng in Thailand und in Österreich dennoch juristisch strikt voneinander zu trennen. Das Vorarlberger Unternehmen kann nicht für Lohnverbindlichkeiten der Firma Body Fashion haften, auch wenn sie denselben Vorsitzenden teilen.
„Die Presse“hat die Huber-Gruppe mit den Vorwürfen konfrontiert. In seiner Stellungnahme bezog sich der Konzern jedoch nur auf ein einzelnes Unternehmen, die Huber Holding AG, und stritt sämtliche Geschäftsbeziehungen zur thailändischen Firma Body Fashion ab. Fragen bezüglich der anderen sieben Gesellschaften der HuberGruppe blieben unbeantwortet.
Dass diese nicht über die Machenschaften des eigenen Produzenten Kenntnis hatten, muss aber infrage gestellt werden. Auf der Website des Textilkonzerns lässt sich ein strenger, selbst auferlegter Verhaltenskodex finden – auch im Umgang mit Geschäftspartnern.
Der Fall Robert Ng und Huber-Gruppe zeigt, dass es in der derzeitigen gesetzlichen Ausgestaltung bei der länderübergreifenden Verfolgung juristischer Tatbestände innerhalb der Lieferkette noch große Lücken gibt.
Laut dem geplanten EU-Lieferkettengesetz sollen künftig nationale Behörden für die Überwachung und etwaige Ermittlungen zuständig sein. Vorgesehen ist auch, dass Unternehmen vor europäischen Gerichten zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn es in ihren Lieferketten zu Verstößen gegen Arbeits- und Menschenrechte kommt. Die vorläufige Einigung muss noch vom Parlament und den EU-Staaten bestätigt werden, das ist normalerweise aber Formsache.