Arbeitstier? So möchte man Urlaub machen! In neuer Generation führt der VW Amarok ein Doppelleben als Ford Ranger (oder umgekehrt). Eignet sich der vierschrötige Pick-up als Alternative zum Luxus-SUV?
Auch ein großes Auto fängt klein an: Den neuen VW Amarok gibt’s in Arbeitskleidung, das heißt mit 170-PS-Vierzylinderdiesel, Handschaltung und schlichter Ausstattung, ab 48.100 Euro. Das ist insofern erwähnenswert, als der finale Amarok der ersten Generation (2010–2020) nur mit Sechszylinder zu haben war, also recht feudal. So wie der neue Amarok in Panamericana-Version, den auch wieder ein V6 antreibt. Nur dass diesmal alles anders ist.
Der Amarok II, um damit zu beginnen, wird nicht mehr bei VW in Hannover produziert, sondern in einem Ford-Werk in Südafrika (bei VW in Südamerika wiederum wird der Ur-Amarok übrigens weitergebaut). Dies als Teil einer Kooperation der Hersteller, die VWs mit FordLogo (Kastenwagen und bald E-Autos) und umgekehrt, wie in diesem Fall einen Ford Ranger als VW Amarok, hervorbringt.
Das erinnert uns an den allerdings glücklosen Versuch von Mercedes auf dem Terrain: Der von Renault/Nissan entlehnte Pick-up namens X-Klasse hielt keine drei Jahre auf dem Markt durch.
Demgegenüber scheint das Gefälle zwischen Ford und VW beidseitig vernachlässigbar. Auf die Ford-Herkunft weisen nur Details hin, der Gesamteindruck eines soliden und für seine Größe sehr umgänglichen Vertreters seines Fachs bleibt bestehen. Dabei hat der Amarok verglichen mit dem Vorgänger um zehn Zentimeter in der Länge (auf 5,35 Meter) zugelegt; letzte Chancen auf einen Parkplatz in der Stadt schwinden mit montierter Anhängekupplung, die auch noch ein paar Zentimeter hinzufügt.
Aber für urbane Gefilde ist das Auto kaum vorgesehen, wiewohl es den Trend zum Lifestyle-Pick-up (versus Arbeitstier) gibt (oder gab, bevor in diesem Jahr die NoVAPflicht in der Nutzfahrzeugklasse eingeführt wurde, beim V6-Amarok 22 Prozent). Speziell in Panamericana-Version
ist der Amarok ein vierschrötiger Geländewagen mit den obligaten Konstruktionsmerkmalen Leiterrahmen und blattgefederter Starrachse hinten, erweitert um den Nutzwert einer Ladefläche.
Das Zehnganggetriebe (wie der V6 von Ford stammend) hat eine Geländereduktion, die sich über einen Rundschalter aktivieren lässt, ebenso wie der Allradantrieb. Bei guten Traktionsverhältnissen fährt man mit Heckantrieb. Droht man offroad in die Bredouille zu kommen, aktiviert man mit einem Knopfdruck die hintere Differenzialsperre. Schließlich helfen noch imposante 20-Zoll-Räder mit Geländebereifung, reichlich Bodenfreiheit und verbesserte Rampenwinkel, um aus dem Gröbsten herauszufinden.
An Antriebskraft mangelt es nicht. Stattliche 600 Newtonmeter drückt der Dreilitermotor schon bei erhöhter Leerlaufdrehzahl ins Getriebe, so geht es stets druckvoll, gleichwohl unaufgeregt und dank der vielen Fahrstufen immer richtig übersetzt voran. Der V6 macht dabei Geräusche zwischen Arbeitstier und Mehrzylinder-Noblesse, seine Schwingungen übertragen ein grundsätzliches Wohlgefühl in den Innenraum (manche Motoren können das einfach). Seiner Qualität spricht auch der erzielte Schnittverbrauch das Wort: Mit um die zehn Liter bei winterlichen Bedingungen und eher flottem Autobahngebrauch blieben wir sogar unterhalb der Werksangabe. Eine beruhigende Reichweite stellt der 80-Liter-Tank sicher (man denke an den Outback, immerhin wurde der Ranger/Amarok von Ford Australien entwickelt).
Hohe Reisequalität lässt sich auch wegen der hervorragenden Fahreigenschaften attestieren. Fast so, als hätten sich beide Hersteller zusammen mehr bemüht als einer allein. Selbst unbeladen kommt es zu keinem Hoppeln, auf kurviger Landstraße stellt sich richtig Fahrspaß ein. Für Gepäck brauchte man in jedem Fall die (nicht inkludierte) Laderaumabdeckung, denn im Double Cab ist trotz 3,3 Metern Radstand nicht mehr Platz als in einem Mittelklasseauto, wegen des Mitteltunnels darauf auch eher nur für vier statt fünf Personen.
Es ist zwar nicht ganz klar, wer sich einen Pick-up zu dem Zweck anschaffen wollte, aber Langstrecken kann man durchaus mit Freude entgegensehen. Es wird nicht laut im Innenraum, Gestühl und Ergonomie sind tadellos, Abstandsund Spurhalter tragen zur Entlastung bei. Die Harman-Kardon-Anlage erzeugt passablen Klang, und weil es ein VW ist, weisen wir auf den patenten, auch mit Handschuh regulierbaren Drehregler für die Lautstärke hin (vs. „Slider“-Unwesen). Dass man das große Display sehr akkurat betatschen muss, um seine Eingabe zu machen, was unweigerlich den Blick von der Straße abzieht: sicherheitstechnisch bedenklich, aber leider längst üblich geworden.