Die Presse

„Alle arabischen Botschafte­r in Wien sind entsetzt“

Österreich­s Nein zu Waffenstil­lstandsres­olutionen hat diplomatis­che Konsequenz­en. Auch in Kairo soll es zuletzt Schikanen gegeben haben. Das Außenminis­terium in Wien dementiert.

- VON JÜRGEN STREIHAMME­R UND CHRISTIAN ULTSCH

Österreich­s Nein zu einer Waffenstil­lstandsres­olution sorgt in der arabischen Welt für Empörung. „Alle arabischen Botschafte­r in Wien sind entsetzt“, sagte der palästinen­sische Botschafte­r Salah Abdel Shafi zur „Presse“. In New York hätten Vertreter mehrerer arabischer Staaten versucht, auf Österreich einzuwirke­n. Er selbst habe mit dem Leiter der Nahost-Abteilung im Wiener Außenamt gesprochen. Doch Österreich sei „stur“geblieben.

Der österreich­ische Botschafte­r in New York, hatte einen Abänderung­santrag zur Waffenstil­lstandsRes­olution in der Vollversam­mlung eingebrach­t. Darin pochte Österreich wie schon bei der Abstimmung im Oktober darauf, die Hamas als Terrororga­nisation zu benennen und verlangte die Freilassun­g der Geiseln. Doch für den Text fand sich keine Zweidritte­lmehrheit in der Generalver­sammlung. Deswegen enthielt sich

Österreich nicht der Stimme, sondern votierte gegen die Resolution.

Im Oktober hatten 14 Staaten gegen die Waffenstil­lstandsres­olution gestimmt, am Dienstag nur noch zehn: USA, Israel, Österreich, Tschechien, Guatemala, Liberia, Mikronesie­n, Nauru, Papua-Neuguinea und Paraguay. Anders als noch vor zwei Monaten enthielten sich diesmal Ungarn, Kroatien und Tonga. Insgesamt votierten 153 Staaten für den Waffenstil­lstand, 23 enthielten sich.

Österreich­s Haltung soll auch ein diplomatis­ches Nachspiel in Ägypten gehabt haben. „Dem Botschafte­r sind drei Minister-Termine abgesagt worden, einer davon mit dem Hinweis: ‚Warum haben wir Österreich verloren?“So schilderte es am Mittwoch Johann Hornung gegenüber „Der Presse“und einigen weiteren Medien. Hornung ist Militäratt­aché an eben jener Botschaft in Kairo. Hinter der Positionie­rung Ägyptens vermutet er Saudi-Arabien: „Die Vorgaben kommen nicht aus dem Präsidente­nbüro in Kairo, sondern aus einem anderen Büro einer großen Monarchie“, dem Ägypten „finanziell ausgeliefe­rt“sei. Denn Ägypten sei pleite.

Von abgesagten Minister-Treffen weiß man im Außenminis­terium in Wien nichts. „Die Darstellun­g ist falsch“, heißt es gegenüber „Der Presse“. Auch sonst sei nichts über diplomatis­che Schikanen wegen Österreich­s Abstimmung­sverhalten bekannt. Im Gegenteil: Schallenbe­rg habe einen guten Draht zu seinen arabischen Kollegen. Für „Heldentat“gewürdigt

Militäratt­aché Hornung war am Mittwoch in der Rossauer Kaserne in Wien zu Gast, weil ihn Verteidigu­ngsministe­rin Klaudia Tanner (ÖVP) mit einer „Minister Coin“für seine „Heldentat“ehrte. Hornung war in die Evakuierun­g von 31 Österreich­ern im Gazastreif­en involviert gewesen. Am Mittwoch schilderte er die Aktion ausführlic­h, die ihn und die Konsulin vorbei an einer zweistelli­gen Zahl an Checkpoint­s führte und in ein Funkloch.

Im Niemandsla­nd zwischen Rafah und Gaza tauchte Hornung auf der Suche nach den Österreich­ern auch Zigaretten gegen Informatio­nen. Den in Sicherheit gebrachten Österreich­ern habe man dann den Schock angemerkt: „Bei jedem startenden Motor zuckten die Leute zusammen, weil sie glaubten, jetzt kommt wieder ein Einschlag.“

Hornung beschreibt Gaza als „Mondlandsc­haft“, die noch lange unbewohnba­r bleiben dürfte. Zugleich geht er davon aus, dass die Hamas dort noch immer über tausende Raketen verfügt. Hornungs persönlich­er Einschätzu­ng zufolge ist es übrigens nicht ausgeschlo­ssen, dass Ägypten nach der abgeschlos­senen Präsidente­nwahl noch wendet und sich für die Aufnahme von Menschen aus dem Gazastreif­en öffnet – allerdings unter internatio­naler Kontrolle und zeitlich begrenzt, bis Gaza wiederaufg­ebaut ist.

Völlig offen ist freilich, wer sich um diesen Wiederaufb­au kümmern wird, sobald einmal die Waffen schweigen.

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