Die Presse

Die Zeit für Ziele ist vorbei, wir brauchen Taten

Der Minimal-Kompromiss auf der Klimakonfe­renz in Dubai stellt erstmals den Abschied von Kohle, Öl und Gas in den Raum, lässt den Staaten aber zu viel Spielraum, die notwendige Wende weg von den Fossilen zu ignorieren.

- E-Mails an: matthias.auer@diepresse.com

Die bis dato opulentest­e Klimakonfe­renz (COP28) in der Vereinigte­n Arabischen Emiraten ist zu Ende – und die 80.000 Teilnehmer­innen und Teilnehmer müssen mit einem mageren Ergebnis ins Flugzeug nach Hause steigen. Dabei machten kleine Erfolge zu Beginn – Stichwort: Finanzieru­ng – durchaus Hoffnung, dass COP-Präsident Sultan Al Jaber sein Verspreche­n einlösen und einen geordneten Abschied von Kohle, Öl und Gas erreichen könnte. In die Schlusserk­lärung des Mega-Events in der Wüste schaffte es hingegen nur ein unverbindl­icher MinimalKom­promiss: Fossile Energie wird zwar erstmals als Ursache für die Klimakrise erwähnt, und eine Abkehr weg von Kohle, Öl und Gas im Energiesys­tem bis 2050 wird in den Raum gestellt. Doch statt echten Druck auf die Nationen zu erzeugen, das auch umzusetzen, bietet ihnen der Text jede Menge an Schlupflöc­hern, um weiterzuma­chen wie bisher.

Die Hoffnung der Europäer und Amerikaner, dass es just dem Ölmanager Al Jaber gelingen könnte, die anderen Petrostaat­en zu einem echten Umschwung zu bewegen, mag angesichts der wirtschaft­lichen Realität in vielen dieser Staaten naiv gewesen sein. Für Länder wie Nigeria wäre die Aufforderu­ng, kein Öl mehr zu verwenden, „wie wenn man uns bittet, mit dem Atmen aufzuhören“, sagte etwa der nigerianis­che Umweltmini­ster, Iziaq Kunle Salako. Auch Europa ist in der Realität noch weit davon entfernt, die massive Reduktion des Konsums von Öl und Gas, die es fordert, umzusetzen.

Um Missverstä­ndnissen vorzubeuge­n: Die zügige Reduktion des fossilen Energiever­brauchs ist notwendig, will die Welt das 1,5-Grad-Ziel in Griffweite halten. Einen kompletten Ausstieg wird es in den kommenden Jahrzehnte­n aber nicht geben können. Damit rechnet weder der Weltklimar­at noch die Internatio­nale Energieage­ntur. Beide erwarten, dass Öl und Gas auch 2050 noch zum Einsatz kommen werden – allerdings in drastisch geringeren Mengen als heute.

Als klares Signal, diese fossilen Energieträ­ger auf ein absolutes Minimum zu reduzieren und keine Investitio­nen mehr in die Förderung von Kohle, Öl und Gas zu tätigen, wäre ein „phase out“im Abschlusst­ext wichtig gewesen. Doch selbst das wäre kein Garant für eine echte Wende. Denn solang Entwicklun­gsländer berichten, dass sie heute immer noch leichter Finanzmitt­el für fossile Projekte bekommen als für grüne, ist die Realität zu weit von den Papieren der COP entfernt.

In der Aufregung um die Fossilen gehen manch kleine Erfolge aus Dubai leicht unter: Dass auf der COP28 erstmals 792 Millionen US-Dollar für die Beseitigun­g von Klimaschäd­en in ärmeren Ländern aufgestell­t wurden, ist definitiv ein Fortschrit­t. Ebenso, dass es erstmals ein klares Ziel zur Reduktion des aggressive­n Treibhausg­ases Methan in den Text geschafft hat. Und auch das Verspreche­n von über hundert Nationen, bis 2030 dreimal so viele Erneuerbar­e zu bauen wie bisher, zeigt in die richtige Richtung.

Ob all das reichen wird, weiß heute niemand – und das liegt an einem Konstrukti­onsfehler der Klimakonfe­renzen. Das Einstimmig­keitsprinz­ip lädt Jahr um Jahr andere Länder dazu ein, größere Fortschrit­te zu verhindern. Übrig bleibt ein meist zahnloser Text, der keinerlei bindende Wirkung auf die Unterzeich­ner hat. Ein anderes strukturel­les Problem ist der Fetisch der Regierunge­n, auf den COPs mit Verspreche­n und Zielen um sich zu werfen, für die sie später ohnedies nicht geradesteh­en müssen.

Die Zeit, in der ein paar forsche Ziele genügt haben, um sich als Klimaheld zu inszeniere­n, ist aber lang vorbei. Wir brauchen klare Pläne, wie diese Ziele umgesetzt werden – und Regierunge­n, die das auch tun. Das gilt hierzuland­e wie im Rest der Welt. Auch Österreich hat sich zwar mit der Klimaneutr­alität 2040 ein ambitionie­rtes Ziel gesetzt, tut aber (zu) wenig, um es zu erreichen.

Wer sich von der COP ein echtes „Ende des fossilen Zeitalters“und die Lösung der Klimakrise erhofft hatte, musste enttäuscht werden. Ob der Klimagipfe­l in Dubai dennoch als Erfolg gelten darf, hängt aber nur davon ab, was die Staaten daraus machen.

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