Die Zeit für Ziele ist vorbei, wir brauchen Taten
Der Minimal-Kompromiss auf der Klimakonferenz in Dubai stellt erstmals den Abschied von Kohle, Öl und Gas in den Raum, lässt den Staaten aber zu viel Spielraum, die notwendige Wende weg von den Fossilen zu ignorieren.
Die bis dato opulenteste Klimakonferenz (COP28) in der Vereinigten Arabischen Emiraten ist zu Ende – und die 80.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer müssen mit einem mageren Ergebnis ins Flugzeug nach Hause steigen. Dabei machten kleine Erfolge zu Beginn – Stichwort: Finanzierung – durchaus Hoffnung, dass COP-Präsident Sultan Al Jaber sein Versprechen einlösen und einen geordneten Abschied von Kohle, Öl und Gas erreichen könnte. In die Schlusserklärung des Mega-Events in der Wüste schaffte es hingegen nur ein unverbindlicher MinimalKompromiss: Fossile Energie wird zwar erstmals als Ursache für die Klimakrise erwähnt, und eine Abkehr weg von Kohle, Öl und Gas im Energiesystem bis 2050 wird in den Raum gestellt. Doch statt echten Druck auf die Nationen zu erzeugen, das auch umzusetzen, bietet ihnen der Text jede Menge an Schlupflöchern, um weiterzumachen wie bisher.
Die Hoffnung der Europäer und Amerikaner, dass es just dem Ölmanager Al Jaber gelingen könnte, die anderen Petrostaaten zu einem echten Umschwung zu bewegen, mag angesichts der wirtschaftlichen Realität in vielen dieser Staaten naiv gewesen sein. Für Länder wie Nigeria wäre die Aufforderung, kein Öl mehr zu verwenden, „wie wenn man uns bittet, mit dem Atmen aufzuhören“, sagte etwa der nigerianische Umweltminister, Iziaq Kunle Salako. Auch Europa ist in der Realität noch weit davon entfernt, die massive Reduktion des Konsums von Öl und Gas, die es fordert, umzusetzen.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Die zügige Reduktion des fossilen Energieverbrauchs ist notwendig, will die Welt das 1,5-Grad-Ziel in Griffweite halten. Einen kompletten Ausstieg wird es in den kommenden Jahrzehnten aber nicht geben können. Damit rechnet weder der Weltklimarat noch die Internationale Energieagentur. Beide erwarten, dass Öl und Gas auch 2050 noch zum Einsatz kommen werden – allerdings in drastisch geringeren Mengen als heute.
Als klares Signal, diese fossilen Energieträger auf ein absolutes Minimum zu reduzieren und keine Investitionen mehr in die Förderung von Kohle, Öl und Gas zu tätigen, wäre ein „phase out“im Abschlusstext wichtig gewesen. Doch selbst das wäre kein Garant für eine echte Wende. Denn solang Entwicklungsländer berichten, dass sie heute immer noch leichter Finanzmittel für fossile Projekte bekommen als für grüne, ist die Realität zu weit von den Papieren der COP entfernt.
In der Aufregung um die Fossilen gehen manch kleine Erfolge aus Dubai leicht unter: Dass auf der COP28 erstmals 792 Millionen US-Dollar für die Beseitigung von Klimaschäden in ärmeren Ländern aufgestellt wurden, ist definitiv ein Fortschritt. Ebenso, dass es erstmals ein klares Ziel zur Reduktion des aggressiven Treibhausgases Methan in den Text geschafft hat. Und auch das Versprechen von über hundert Nationen, bis 2030 dreimal so viele Erneuerbare zu bauen wie bisher, zeigt in die richtige Richtung.
Ob all das reichen wird, weiß heute niemand – und das liegt an einem Konstruktionsfehler der Klimakonferenzen. Das Einstimmigkeitsprinzip lädt Jahr um Jahr andere Länder dazu ein, größere Fortschritte zu verhindern. Übrig bleibt ein meist zahnloser Text, der keinerlei bindende Wirkung auf die Unterzeichner hat. Ein anderes strukturelles Problem ist der Fetisch der Regierungen, auf den COPs mit Versprechen und Zielen um sich zu werfen, für die sie später ohnedies nicht geradestehen müssen.
Die Zeit, in der ein paar forsche Ziele genügt haben, um sich als Klimaheld zu inszenieren, ist aber lang vorbei. Wir brauchen klare Pläne, wie diese Ziele umgesetzt werden – und Regierungen, die das auch tun. Das gilt hierzulande wie im Rest der Welt. Auch Österreich hat sich zwar mit der Klimaneutralität 2040 ein ambitioniertes Ziel gesetzt, tut aber (zu) wenig, um es zu erreichen.
Wer sich von der COP ein echtes „Ende des fossilen Zeitalters“und die Lösung der Klimakrise erhofft hatte, musste enttäuscht werden. Ob der Klimagipfel in Dubai dennoch als Erfolg gelten darf, hängt aber nur davon ab, was die Staaten daraus machen.