Wie die erste republikanische Debatte ausging
USA. Der Abend zeigte, was die Partei außer Trump noch so zu bieten hätte. Kann es jemand mit ihm aufnehmen?
New York/Atlanta/Milwaukee. Für Donald Trump ist es mittlerweile ein Routineakt. Am späten Donnerstag sollte er in einem Gefängnis in Georgia vorstellig werden: als Angeklagter, 200.000 US-Dollar Kaution im Gepäck. Geplant war auch ein mugshot, ein Foto des Angeklagten für die Justiz. Zumindest das: ein Novum für den mittlerweile vierfach angeklagten Ex-US-Präsidenten, der sich in Georgia in einem Prozess rund um mutmaßliche Wahlbeeinflussung verantworten muss.
Noch tags zuvor hatte sich Trump einer anderen großen Bühne entzogen. In Milwaukee fand die erste TV-Debatte der republikanischen Präsidentschaftskandidaten statt. Sie gilt als offizieller Auftakt zum Wahlkampf. Während WählerFavorit Trump fehlte – und stattdessen auf Twitter bei Rechts-außen-Moderator Tucker Carlson erschien –, traten acht seiner parteiinternen Rivalen auf. Zwei Journalisten von Fox News stellten ihnen dort unter anderem die Frage, wie sie mit einem verurteilten Trump umgehen würden. Wer sind die anderen Gesichter der Partei?
Wer konnte sich bei der Diskussion hervortun?
Auf den Gouverneur Floridas, Ron DeSantis, waren am Mittwoch die meisten gespannt. Er liegt – wenn auch weit abgeschlagen hinter Trump – auf Platz zwei in den Umfragen. DeSantis kämpfte zuletzt mit Negativschlagzeilen, und schaffte es auch bei der Debatte nicht so richtig zu glänzen. Stattdessen verbreitete sich auf Twitter ein Clip, der ihn mit einem gezwungenen Lächeln zeigt – ein bekanntes Problem für den 44-Jährigen, der als nicht besonders telegen gilt.
Es war Vivek Ramaswamy, 38, Unternehmer und Multimillionär, der den Saal rhetorisch und mit viel Energie mitreißen konnte – und sich als Art Trump-Ersatz gab. Ein Außenseiter, der sich nicht um Regeln schert, sondern Washington aufmischen will. Auch die Debatte brachte Ramaswamy regelmäßig durcheinander: mit Zwischenrufen, provokanten Aussagen, persönlichen Untergriffigkeiten. Sein Auftritt dürfte ihm in den kommenden Tagen wohl einiges an Spendengeldern einbringen. (Bislang hat er seinen Wahlkampf großteils aus eigener Tasche finanziert.)
Was war die größte Überraschung?
Die Republikaner scheinen sich beim Thema Abtreibung neu aufzustellen. Die Entscheidung des mehrheitlich konservativ besetzten Höchstgerichts, das Recht auf Abtreibung aus dem Verfassungsrang zu nehmen, kostete die Partei bei den Zwischenwahlen 2022 viele Stimmen. Dass sie nun einen anderen Umgang mit dem einst für sie so wichtigen Thema sucht, war am Mittwochabend offensichtlich.
Strategen rieten den Kandidaten zuletzt, harte Anti-Abtreibungspositionen sein zu lassen: Sie würden sonst moderate Wähler verschrecken. South Carolinas ExGouverneurin Nikki Haley erhielt vom Publikum großen Zuspruch, als sie forderte, Abtreibung zu „entdämonisieren“.
Sie kritisierte implizit den Supreme Court und forderte einen „erwachsenen“Umgang mit dem Thema – und Konsens in der Partei dazu, möglicherweise über Parteigrenzen hinaus. Damit setzte sie den Ton für ihre Nachredner.
North Dakotas Gouverneur, Doug Burgum, und Arkansas’ ExGouverneur Asa Hutchinson, beide Anti-Abtreibungs-Hardliner, wählten unterschiedliche Routen. Burgum beharrte darauf, Abtreibung als Bundesstaaten-Sache zu sehen: „Was in New York funktioniert, wird niemals in North Dakota funktionieren und umgekehrt.“Hutchinson hingegen stimmte in den Kanon ein, Abtreibungsgesetze künftig auf der Bundesebene zu gestalten.
Wie gingen die Kandidaten mit Trump um?
Trump-Gegner Hutchinson eröffnete die Debatte über den vierfach angeklagten Ex-Präsidenten mit einem Seitenhieb: Man könne nicht über Maßnahmen gegen Kriminalität in den USA diskutieren, während an der Spitze des Staates künftig jemand mit eigenen strafrechtlichen Probleme sitze. „Wir reden jetzt über den Elefanten, der nicht im Raum ist“, sagte Moderator Bret Baier, während im Saal gebuht wurde. Die Buhrufe bei Anti-TrumpStatements waren an einer Stelle so laut, dass Baier das Publikum zurechtwies.
„Jemand muss damit aufhören, dieses Verhalten zu normalisieren“, sagte der Ex-Gouverneur von New Jersey, Chris Christie. „Dieses Verhalten ist dem Amt des Präsidenten nicht würdig“, fügte er an, während wieder laute Buhrufe ertönten: „Buhen ist erlaubt, aber das ändert nichts an der Wahrheit.“Der dauergrinsende Ramaswamy hingegen stellte Trump als „den besten Präsidenten des 21. Jahrhunderts“dar. Er gerierte sich offen als Verteidiger Trumps. Das brachte ihm Christies Groll ein. Schon nach einer halben Stunde – die Debatte war für zwei Stunden angesetzt – meinte der: „Ich habe schon jetzt genug von einem Typen, der wie ChatGPT klingt.“Sein Nachsatz, dass „der letzte dünne Typ, der auf so einer Bühne mit einem seltsam klingenden Nachnamen stand, Barack Obama hieß und genauso ein Amateur war“, ging in Buhrufen unter.
Senator Tim Scott, der zwar hohe Popularitätswerte aufweist, den Abend über aber nicht besonders auffiel, erklärte danach, dass Trumps Vizepräsident, Mike Pence, alles richtig gemacht habe, als er den Wahlsieg Joe Bidens offiziell bestätigte. Das Problem sei vielmehr eine Strafverfolgung, die parteipolitisch agiere. Dafür gab es viel Applaus – und einen Zwischenruf von Ramaswamy, der erklärte, er würde die Bundesermittlungsbehörde FBI schlicht abschaffen. Ramaswamy sagte auch, er würde Trump begnadigen, sollte er gewählt werden; Pence meinte, er würde es sich überlegen. Der frühere Vizepräsident erklärte zudem, dass Trump ihn damals ersucht habe, sich über die Verfassung zu stellen. Das habe er nicht tun können. Es war Pences wohl stärkster Moment an diesem Abend.
Alle Augen waren bei der Frage freilich auf DeSantis gerichtet, der peinlich genau darauf achtet, keine Trump-Wähler zu verschrecken. Er wich aus: Es gehe nicht um 2020, sondern um die kommende Wahl.
Wer hat eine Vision für die Republikanische Partei?
Die Themen, die wiederholt vorgebracht wurden: eine „Rückkehr“zu fossiler Energie, weniger staatliche Einrichtungen, mehr Geld für Familien. Insgesamt scheint die Partei Trumps Populismus übernommen zu haben. Attacken auf China und Mexiko waren angesagt.
Haley – sie war Trumps UN-Botschafterin – versuchte unterdessen, ihre Expertise als Außenpolitikerin hervorzukehren. Es war sie, die in der Runde als Konsenskandidatin wirkte. Bei der Frage nach der USUnterstützung für die Ukraine gegen Russland zeigte sich Haley entnervt über die ausweichenden Antworten ihrer Kollegen. Besonders über DeSantis’ und Ramaswamys, den sie für sein Verständnis von Putin schalt: „Sie haben keine außenpolitische Erfahrung, und man kann es sehen.“
Haley ist es auch, die Demokraten am meisten Bauchschmerzen bereitet. Ihr Auftritt am Mittwoch dürfte das verstärken: „Ich werde Joe Biden schlagen, und er weiß das“, sagte Haley in ihrem Abschlussstatement. Sie liegt allerdings weit hinter Trump in den innerparteilichen Umfragen zurück.
...und macht all das einen Unterschied?
Die republikanischen Kandidaten leiden in den Umfragen nach wie vor unter Trump. Der genießt extrem hohen Zuspruch bei republikanischen Wählern; seine Anklagen scheinen das nicht zu verändern. Tatsächlich stimmte das Publikum vor Ort in Milwaukee laute Buhrufe an, als etwa die dezidierten Anti-Trump-Kandidaten Christie und Hutchinson vorgestellt wurden. Ein unangenehmer Moment – aber auch ein Zeichen dafür, dass der abwesende Kandidat hier alles beeinflusst.