Die Presse

Der Kampf um die Spitäler

Die Länder wollen die Ambulanzen an den Bund abgeben, die Krankenkas­sen die Kompetenz für die Spitäler erhalten. Jetzt wird verhandelt.

- VON MARTIN FRITZL

Wien. „Wir wollen die Kompetenze­n für die Spitäler übernehmen.“Peter Lehner, Vorsitzend­er des Dachverban­ds der Sozialvers­icherungsa­nstalten, steigt mit einem offensiven Vorstoß in die Diskussion um die Finanzieru­ng des Gesundheit­swesens ein. Noch dazu ist es ein überrasche­nder Vorschlag: Gelten die Krankenhäu­ser doch als Bereich, in dem die Kosten besonders stark ansteigen. Hintergrun­d der Ansage sind die nun startenden Verhandlun­gen zum Finanzausg­leich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden: Nächste Woche startet die erste Runde, in der es um die Finanzieru­ng des Gesundheit­ssektors geht – traditione­ll ist das ein Kernthema im Finanzausg­leich. Die Kassen sind zwar eigentlich nicht Verhandlun­gspartner, haben aber die Zusicherun­g bekommen, diesmal eingebunde­n zu sein, so Lehner.

Die Ausgangsla­ge

Das Hauptprobl­em des Gesundheit­ssystems ist bekannt: Der Sektor ist komplex organisier­t, es gibt viele Player, die logischerw­eise Eigeninter­essen vertreten. Auf der einen Seite sind da die Spitäler, die zu einem guten Teil den Bundesländ­ern gehören (andere Eigentümer sind Gemeinden, die Kirche und die Österreich­ische Gesundheit­skasse). Finanziert werden die Krankenhäu­s erimWesent­lichen über die Krankenkas­sen und über Mittel, die die Länder über den Finanzausg­leich vom Bund bekommen. Auf der anderen Seite der „extramural­e Bereich“, das sind die niedergela­ssenen Ärzte, finanziert von den Krankenkas­sen. Beide Systeme haben ein Interesse daran, Kosten in den jeweils anderen Bereich zu verschiebe­n. Das folgt einer betriebswi­rtschaftli­chen Logik – führt aber nicht zu optimalen Ergebnisse­n: Patienten wer den nicht dort versorgt, wo es am günstigste­n und besten wäre.

Der Plan der Kassen

Lehner will nun eine einheitlic­he Planung erreichen, indem die Sozialvers­icherung die Kompetenze­n auch für die Spitäler übernimmt. Was das heißt? „Da gibt es unterschie­dliche Varianten“, sagt Lehner. Die Sozialvers­icherungen könnten die Spitäler gänzlich übernehmen oder auch nur die Ambulanzen. Oder sie führen die Krankenans­talten gemeinsam mit den bisherigen Eigentümer­n. Jedenfalls müsse es eine Mitsprache geben, die berücksich­tigt, dass die Kassen mehr als die Hälfte zu den Spitalsfin­anzen beitragen. „Es ist immer leicht, das Geld anderer auszugeben“, so der Spitzenfun­ktionär zum derzeitige­n Zustand.

Was sich zum Status quo ändern würde? Man könne Effizienze­n heben, etwa durch eine bessere Zusammenar­beit von intraund extramural­em Bereich, durch Digitalisi­erung und durch gesamtstaa­tliche Planung. Es müsse eine gemeinsame Strategie und eine gemeinsame Zielsteuer­ung im Spitalsber­eich geben. Auch seien neun unterschie­dliche Systeme auf Landeseben­e wenig sinnvoll, es brauche ein „österreich­isches Gesundheit­ssystem“.

Auf jeden Fall ändern wollen die Kassen das Finanzieru­ngssystem: Statt des derzeitige­n Pauschalbe­trags an die Spitäler soll es Abrechnung­en für jeden Einzelfall geben. Das gilt auch für die Spitalsamb­ulanzen. Da bezweifelt Lehner, dass es dort einen großen Anstieg der Patientenz­ahlen gibt, wie das die Länder beklagen: Die Zahlen würden anderes zeigen, der Zuwachs sei bei den niedergela­ssenen Ärzten noch um einiges größer.

Der Plan der Länder

Die Bundesländ­er gehen mit anderen Vorstellun­gen in die Verhandlun­gen: Sie haben einen Plan vorgestell­t, wonach es statt der bisherigen zwei Säulen (also Spitäler und niedergela­ssene Ärzte) künftig drei Säulen geben soll. Die dritte Säule wären die aus den Spitälern herausgelö­sten Ambulanzen sowie Einrichtun­gen wie Ärztezentr­en und Primärvers­orgungsein­richtungen. Sinn dieser Aufteilung wäre, die Spitäler wieder ganz auf ihren Kernbereic­h der stationäre­n Versorgung zu reduzieren. Verantwort­lich für diese dritte Säule soll nach Vorstellun­g der Länder der Bund sein. Er müsste auch die Finanzieru­ng übernehmen – mit acht Milliarden Euro im Jahr ein beträchtli­cher Posten. Das wären aber keine zusätzlich­en Kosten, sondern es wäre eine andere Aufteilung des bisherigen Aufwands.

Ob eines der beiden Modelle eine Chance hat, ist offen. Gesundheit­sminister Johannes Rauch (Grüne) will sich im Vorfeld der Verhandlun­gen dazu nicht äußern. Sein einziger Kommentar: Der Finanzausg­leich sei eine gute Gelegenhei­t, Reformen im Gesundheit­swesen einzuleite­n.

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[ APA/Helmut Fohringer ]

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