„Musik muss die Verbindung zu den Vorfahren herstellen“
Makaya McCraven überrascht auf seinem vierten Studioalbum, „In these Times“, mit progressiver, orchestraler Musik abseits aller Genres. Mit der „Presse“sprach er über die Magie von Hip-Hop, seinen Remix eines Albums von Gil Scott-Heron und Musik als „Gebe
„Wo ich aufwachs, war Jazz ein schmutziges Wort“, erinnert sich der 39-jährige Makaya McCraven im Gespräch mit der „Presse“: „In meinem Freundeskreis galt er nicht als jene progressive Musik, die ich später bewundern lernte.“Als Sohn des Jazzmusikers Stephen McCraven und der ungarischen Folksängerin A˚ gnes Zsigmondi wuchs er im ländlichen Massachusetts auf, in seinem Elternhaus gingen Granden wie die Saxofonisten Archie Shepp und Marion Brown ein und aus.
Neben Jazz hörte McCraven als Kind viel Folkmusik. Als Teenager erfasste ihn, den angehenden Schlagzeuger, das Hip-Hop-Virus. „Das war die erste Musik, auf die ich voll abfuhr. Ich begann, in lokalen Bars als LiveSchlagzeuger, der Hip-Hop spielt, aufzutreten. Questlove von den Roots war damals noch kein Star. Und ich war eine kleine Sensation in meiner Gegend damals“, erinnert er sich mit versonnenem Lächeln. Dass daraus mehr wurde, verdankt er seiner Frau, Nitasha Sharma, die eine Professur in Chicago angeboten bekam. Sie begleitend, kam McCraven in den anregenden Brainpool einer Großstadt: „Ich traf Musiker meines Alters, die ähnliche Ideen wie ich hatten.“Dazu kam, dass zwei Veteranen des DIYPunk (von „Do it yourself“), Scottie McNiece und David Allen, gerade International Anthem gründeten, ein Label, das lokale Musik förderte. „In the Moment“, McCravens Debüt auf diesem Label, erschien 2015. Es enthielt 19 elektroakustische Miniaturen, die stark an Hip-Hop-Künstler wie J. Dilla und Madlib erinnerten. „Zuerst entstanden die Rhythmen, die Melodien komponierte ich mit dem Klavier und verfremdete das Ergebnis mit Hip-Hop-Technologie in mehreren Durchgängen“, erklärt McCraven seine Methode. Sie brachte ihm einen Auftrag des britischen Produzenten Richard Russell ein. „Er regte an, dass ich Gil-Scott-Herons letztes Album, das von Jamie XX schon remixed worden war, auf meine eigene Art überarbeitete. Eine große Herausforderung.“
Die Stimme von Harry Belafonte
„We’re New Again – A Re-Imagining“lautete der Titel. Das Album wurde weltweit ein Erfolg. Für sein nächstes Opus, „Deciphering The Message“, bearbeitete McCraven den Sechzigerjahre-Katalog des Blue-Note-Labels. Auch das schnalzte in die Hitparaden. Bei all diesen Erfolgen blieb das konventionelle Komponieren auf der Strecke. Bis jetzt. So manche Idee zu „In these Times“(benannt nach einem progressiven politischen
Monatsmagazin) reicht sieben Jahre zurück. Der künstlerische Aufbruch vom „improvisierten Sampling“hin zu orchestraler Opulenz glückte. Die Texturen sind vielschichtig, die Klangfarben spektakulär, die Rhythmen vertrackt, die Soli eingängig. Im Titelstück hört man die Stimme von Harry Belafonte, ein Sample aus einer Radioshow: „I never wanted to be known as anybody opposed to progress. It just kinda seems to me that nobody has the right to take away our responsibility to finish what these people have died for.“Musik als Kraft der sozialen Veränderung? „Ja, und mehr. Musik muss Gebet und Protest sein, aber auch die Verbindung zu unseren Vorfahren herstellen. Zudem muss sie eine Stimme für die Zukunft sein.“
Daran arbeitet Makaya McCraven sehr skrupulös. Wann weiß er eigentlich, wann ein Stück fertig ist? „Das ist das Schwierigste für mich. Es gibt ja immer etwas zu überarbeiten. Das Ende kommt für mich immer so plötzlich wie in diesen Kochshows, wo die Stoppuhr mitläuft und die Leute mitten in einer Tätigkeit aufhören müssen. Zum Glück gibt es Deadlines, sonst würde ich nie ein Album fertigstellen.“