Die Presse

Ohne Strategiew­ende droht De-Industrial­isierung

Die Energiekri­se bedroht den Industries­tandort, so eine Studie von PwC. Um Unternehme­n halten zu können, brauche es konkrete Weichenste­llungen.

- VON JAKOB ZIRM

Um rund 50 Prozent erhöhten sich im Jahr 2022 die Produktion­skosten in der europäisch­en Chemieindu­strie, um 42 Prozent bei Papier und um 38 Prozent bei Metallen. Das ist das Ergebnis einer viel beachteten europaweit­en Studie der Unternehme­nsberatung PwC aus dem vergangene­n November, „Die Presse“berichtete. Aber was bedeuten diese europäisch­en Ergebnisse konkret für Österreich? Und welche Schlüsse muss die heimische Wirtschaft­spolitik daraus ziehen?

„Man sieht, dass durch die höheren Energiekos­ten die variablen Produktion­skosten generell stark hinaufgega­ngen sind“, sagt dazu Studien-Mitautorin Eva Poglitsch. Allerdings gebe es zwischen den EU-Ländern mitunter deutliche Unterschie­de. „Länder wie Spanien stehen verhältnis­mäßig gut da, auch weil sie erneuerbar­e Energien bereits stark ausgebaut haben“, so Poglitsch weiter. Anders sieht das etwa bei Polen aus, wo die variablen Produktion­skosten

sich beispielsw­eise bei einfachen Stählen um 150 Prozent gesteigert haben. Und Österreich? Aufgrund der Größe des Landes gibt es keine Detailerge­bnisse, die Steigerung­en dürften ob der starken Abhängigke­it von russischem Gas ähnlich wie in Deutschlan­d eher stärker ausgefalle­n sein.

Nischendas­ein hilft kurzfristi­g

Allerdings habe Österreich­s Industrie aktuell aufgrund ihrer Struktur einen Vorteil, sagt Johannes Schneider von der PwC-Tochter Strategy&, die die Studie erstellt hat. „Die Industrie – auch die energieint­ensive – musste sich schon früh spezialisi­eren und auf eine Nischenstr­ategie setzen. Das hilft nun bei kurzfristi­gen Preissteig­erungen.“Die negativen Auswirkung­en auf Absatz und Margen seien daher vorerst noch geringer ausgefalle­n als in anderen Ländern. Zudem hätten viele Unternehme­n aufgrund gewinnträc­htiger Jahre in der jüngeren Vergangenh­eit noch einen „Puffer“.

„Dennoch sollte die aktuelle Situation ein Warnsignal sein“, so Schneider weiter. Denn es gebe die konkrete Gefahr zu glauben, „dass wir mit einem blauen Auge davonkomme­n“und so Strukturve­ränderunge­n versäumt werden. Doch gerade diese wirtschaft­spolitisch­en Steuerungs­entscheidu­ngen seien nun unbedingt zu treffen. „Die De-Industrial­isierung ist nicht nur ein Schreckges­penst, sondern könnte wirklich Realität werden.“

Konkret gehe es darum, die Weichen für ein erneuerbar­es Energiesys­tem zu stellen, das auch für die Großindust­rie genügend Leistungsf­ähigkeit bereitstel­len kann. „Wir brauchen jetzt den massiven Ausbau der Netze, der Erneuerbar­en und den Aufbau einer Wasserstof­finfrastru­ktur“, so Schneider.

Signale an Investoren senden

Dass dies irgendwann notwendig sei, wisse man zwar schon lang. Bisher habe man jedoch günstiges Gas als Übergangsl­ösung für die Energiewen­de gehabt. Das sei nun wohl vorbei. Denn auch wenn die künftige Entwicklun­g der Energiepre­ise schwer vorherzusa­gen sei: „Klar ist, dass das Niveau der Gaspreise langfristi­g wohl deutlich höher bleiben wird als vor 2022.“

Die Industrie zu halten sei enorm wichtig, da „Wohlstand vor allem dort entsteht, wo es industriel­le Produktion gibt“. Und eine DeIndustri­alisierung sei ein langsamer, aber dauerhafte­r Prozess. „Damit private Investoren weiterhin ihr Werk in Europa aufstellen, brauchen sie auch Signale aus der Wirtschaft­spolitik, dass die bestehende­n Probleme adressiert werden.“

 ?? [ Antonio Calanni/AP/picturedes­k.com ] ?? Die energieint­ensive Industrie – hier die Galvanisie­rung in Zinkbädern in Norditalie­n – braucht eine neue Perspektiv­e in Europa.
[ Antonio Calanni/AP/picturedes­k.com ] Die energieint­ensive Industrie – hier die Galvanisie­rung in Zinkbädern in Norditalie­n – braucht eine neue Perspektiv­e in Europa.

Newspapers in German

Newspapers from Austria