Die Rendi-Wagner-SPÖ auf den Spuren der Kurz-ÖVP
Taktische Politik kann man machen. Man muss sie allerdings auch beherrschen. Und langfristig geht es sich oft dennoch nicht aus.
Es war letztlich auch das Problem der Sebastian-Kurz-ÖVP: dass vieles – nicht alles – zu sehr taktisch motiviert zu sein schien, nicht aus einem echten inneren Bedürfnis kommend, mit einer Politik der Notwendigkeiten dem Land eine eigene Richtung zu geben – wie das noch bei Wolfgang Schüssel der Fall war. Im Fokus standen kurzfristig die nächsten Umfragen, längerfristig die nächsten Wahlen.
So ähnlich, wenn nicht sogar noch ausgeprägter, ist das bei der Pamela-Rendi-Wagner-SPÖ. Man weiß zwar nicht, wer sie jetzt genau berät – selbst in der SPÖ wissen das viele nicht so genau –, aber man hat oft den Eindruck, da würde im kleinen Kreis aus taktischen Gründen irgendetwas ausgeheckt, mit dem die Parteichefin dann an die Öffentlichkeit geht.
Am Beispiel Migration lässt sich das ganz gut festmachen. Ende August, im ORF-„Sommergespräch“, tat Pamela Rendi-Wagner so, als existiere das Problem der zunehmenden illegalen Migration gar nicht. So, als hätte man ihr einen Zettel mitgegeben: Das Thema bitte weitgehend wegdrücken, es bringt uns nichts, es nützt nur den anderen.
Das Thema war allerdings schon da. Der Innenminister hatte seit Wochen, wenn nicht Monaten, darauf aufmerksam gemacht, allerdings konnte man diesen noch dahingehend diskreditieren, dass er das Thema ja nur hochziehe, um die ÖVP aus den Korruptionsschlagzeilen zu bekommen. Auch der burgenländische SPÖLandeshauptmann, Hans Peter Doskozil, der in seinem Bundesland bereits Asylantragszahlen wie 2015 hatte, hatte Alarm geschlagen. Aber das war dann halt der eigensinnige Querulant aus den eigenen Reihen.
Doch als die Sache nicht mehr aufzuhalten war, verfiel die Rendi-Wagner-SPÖ wieder einmal in Aktionismus: Der Innenminister wurde zum Handeln aufgefordert, in einem Doppelinterview von Pamela Rendi-Wagner und Georg Dornauer die Asylmisere beklagt. Das ging so weit, dass die SPÖ-Parteichefin dann sogar die Schengen-Veto-Position der ÖVP zu Bulgarien und Rumänien übernahm, „weil Österreich derzeit in Europa die Hauptlast der irregulären Migration
zu tragen hat“und der EU-Grenzschutz so gar nicht funktioniere.
Auch bei der Neujahrskonferenz des SPÖ-Bundesparteipräsidiums an diesem Mittwoch und Donnerstag in Klagenfurt hätte Migration das bestimmende Thema sein sollen und der Migrationsforscher Gerald Knaus ursprünglich der einzige (Grundsatz-)Redner. Was intern schon vorab für Unmut sorgte. Gastgeber Peter Kaiser reklamierte sich dann selbst noch schnell als Redner zum Thema Bildung ins Programm. Immerhin hat er bald Landtagswahl.
Glaubwürdigkeitspreis in Sachen Migration gewinnt die SPÖ jedenfalls keinen mehr. Flip-Flopper nannte man Politiker dieser Art früher im US-Politiksprech. Und auch sonst weiß man nicht so recht, wofür die SPÖ steht. Von allem ein bisschen was sozusagen: Klimaschutz für die bundespolitische Bühne, eine Stadtstraße für die landespolitische. Dazu das übliche Programm: mehr Bildung, bessere Gesundheitsversorgung, weniger Inflation – und das alles um mehr Geld. Man muss andererseits aber schon froh sein, dass die Bundes-SPÖ ideologisch so ausgedünnt ist, dass sie auf die aktuelle Karl-Marx-Debatte gar nicht erst einsteigt.
Aber, werden die Genossen aus dem Burgenland und befreundeten Bundesländern nun einwenden: Es gäbe doch eine Alternative! Klare Kante aus dem Schilfgürtel. Ein akzentuiertes Programm, sozialpolitisch links, sicherheitsund migrationspolitisch gefühlt rechts. Mit einem starken Mann an der Spitze, der nicht bei jeder Gelegenheit umfällt und unbeirrt seinen Weg geht. Und die Wähler von der FPÖ zurückholt.
Das allerdings ist auch vielen Genossen nicht ganz geheuer. Dann doch lieber weiter mit Pamela Rendi-Wagner, der dem Zeitgeist entsprechenden Vertreterin eines sozialdemokratischen Mainstreams. Kurzfristig, für die Umfragen, reicht das offenbar eh auch. Ob auch langfristig, bei Wahlen, hängt dann vom politischen Gegner ab.