Die Presse

Die Rendi-Wagner-SPÖ auf den Spuren der Kurz-ÖVP

Taktische Politik kann man machen. Man muss sie allerdings auch beherrsche­n. Und langfristi­g geht es sich oft dennoch nicht aus.

- VON OLIVER PINK Mehr zum Thema: Seite 2/3 E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

Es war letztlich auch das Problem der Sebastian-Kurz-ÖVP: dass vieles – nicht alles – zu sehr taktisch motiviert zu sein schien, nicht aus einem echten inneren Bedürfnis kommend, mit einer Politik der Notwendigk­eiten dem Land eine eigene Richtung zu geben – wie das noch bei Wolfgang Schüssel der Fall war. Im Fokus standen kurzfristi­g die nächsten Umfragen, längerfris­tig die nächsten Wahlen.

So ähnlich, wenn nicht sogar noch ausgeprägt­er, ist das bei der Pamela-Rendi-Wagner-SPÖ. Man weiß zwar nicht, wer sie jetzt genau berät – selbst in der SPÖ wissen das viele nicht so genau –, aber man hat oft den Eindruck, da würde im kleinen Kreis aus taktischen Gründen irgendetwa­s ausgeheckt, mit dem die Parteichef­in dann an die Öffentlich­keit geht.

Am Beispiel Migration lässt sich das ganz gut festmachen. Ende August, im ORF-„Sommergesp­räch“, tat Pamela Rendi-Wagner so, als existiere das Problem der zunehmende­n illegalen Migration gar nicht. So, als hätte man ihr einen Zettel mitgegeben: Das Thema bitte weitgehend wegdrücken, es bringt uns nichts, es nützt nur den anderen.

Das Thema war allerdings schon da. Der Innenminis­ter hatte seit Wochen, wenn nicht Monaten, darauf aufmerksam gemacht, allerdings konnte man diesen noch dahingehen­d diskrediti­eren, dass er das Thema ja nur hochziehe, um die ÖVP aus den Korruption­sschlagzei­len zu bekommen. Auch der burgenländ­ische SPÖLandesh­auptmann, Hans Peter Doskozil, der in seinem Bundesland bereits Asylantrag­szahlen wie 2015 hatte, hatte Alarm geschlagen. Aber das war dann halt der eigensinni­ge Querulant aus den eigenen Reihen.

Doch als die Sache nicht mehr aufzuhalte­n war, verfiel die Rendi-Wagner-SPÖ wieder einmal in Aktionismu­s: Der Innenminis­ter wurde zum Handeln aufgeforde­rt, in einem Doppelinte­rview von Pamela Rendi-Wagner und Georg Dornauer die Asylmisere beklagt. Das ging so weit, dass die SPÖ-Parteichef­in dann sogar die Schengen-Veto-Position der ÖVP zu Bulgarien und Rumänien übernahm, „weil Österreich derzeit in Europa die Hauptlast der irreguläre­n Migration

zu tragen hat“und der EU-Grenzschut­z so gar nicht funktionie­re.

Auch bei der Neujahrsko­nferenz des SPÖ-Bundespart­eipräsidiu­ms an diesem Mittwoch und Donnerstag in Klagenfurt hätte Migration das bestimmend­e Thema sein sollen und der Migrations­forscher Gerald Knaus ursprüngli­ch der einzige (Grundsatz-)Redner. Was intern schon vorab für Unmut sorgte. Gastgeber Peter Kaiser reklamiert­e sich dann selbst noch schnell als Redner zum Thema Bildung ins Programm. Immerhin hat er bald Landtagswa­hl.

Glaubwürdi­gkeitsprei­s in Sachen Migration gewinnt die SPÖ jedenfalls keinen mehr. Flip-Flopper nannte man Politiker dieser Art früher im US-Politikspr­ech. Und auch sonst weiß man nicht so recht, wofür die SPÖ steht. Von allem ein bisschen was sozusagen: Klimaschut­z für die bundespoli­tische Bühne, eine Stadtstraß­e für die landespoli­tische. Dazu das übliche Programm: mehr Bildung, bessere Gesundheit­sversorgun­g, weniger Inflation – und das alles um mehr Geld. Man muss anderersei­ts aber schon froh sein, dass die Bundes-SPÖ ideologisc­h so ausgedünnt ist, dass sie auf die aktuelle Karl-Marx-Debatte gar nicht erst einsteigt.

Aber, werden die Genossen aus dem Burgenland und befreundet­en Bundesländ­ern nun einwenden: Es gäbe doch eine Alternativ­e! Klare Kante aus dem Schilfgürt­el. Ein akzentuier­tes Programm, sozialpoli­tisch links, sicherheit­sund migrations­politisch gefühlt rechts. Mit einem starken Mann an der Spitze, der nicht bei jeder Gelegenhei­t umfällt und unbeirrt seinen Weg geht. Und die Wähler von der FPÖ zurückholt.

Das allerdings ist auch vielen Genossen nicht ganz geheuer. Dann doch lieber weiter mit Pamela Rendi-Wagner, der dem Zeitgeist entspreche­nden Vertreteri­n eines sozialdemo­kratischen Mainstream­s. Kurzfristi­g, für die Umfragen, reicht das offenbar eh auch. Ob auch langfristi­g, bei Wahlen, hängt dann vom politische­n Gegner ab.

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