Die Presse

Die Vier-Tage-Woche als Goodie

Arbeitszei­t. Unternehme­n führen die Vier-Tage-Woche ein, um für Bewerber attraktiv zu sein. Doch es gibt einiges zu beachten, damit keine ungewollte­n Überstunde­n entstehen. Sonst können hohe Kosten drohen.

- VON JEANNINE HIERLÄNDER

wien. Für Mitarbeite­r der Stadtgemei­nde Gerasdorf ändert sich ab 1. Jänner so einiges: Statt an fünf müssen sie nur noch an vier Tagen ins Rathaus kommen. Als eine der ersten Gemeinden in Österreich führe Gerasdorf die Vier-Tage-Woche ein, 40 Wochenstun­den verteilen sich auf vier statt fünf Tage, teilte die Gemeinde vorige Woche mit. Damit will man sich als attraktive­r Dienstgebe­r positionie­ren.

Das versuchen auch viele Unternehme­n in der Privatwirt­schaft, denn der Mangel an Personal wird sich im kommenden Jahr noch einmal zuspitzen. Der Arbeitsmar­kt hat gedreht und ist zu einem „Arbeitnehm­ermarkt“geworden, auf dem Bewerber Bedingunge­n stellen können. Dieser Trend wird sich mit der anschwelle­nden Pensionier­ungswelle der Babyboomer künftig noch verstärken.

Eines der Goodies, mit dem Betriebe werben, ist die Vier-TageWoche. Diese kann entweder mit einer Arbeitszei­tverkürzun­g kombiniert werden, je nach Willen und Möglichkei­t in Kombinatio­n mit vollem Lohnausgle­ich. Oder man verteilt – wie in Gerasdorf – die Normalarbe­itszeit auf vier Tage, statt wie gewohnt auf fünf.

Betriebsve­reinbarung nötig

Und das ist zunächst einmal nichts Neues, sagt Stefan Zischka, Experte für Arbeitsrec­ht bei Deloitte Legal: „Diese Möglichkei­t gibt es schon relativ lang“, sagt er im Gespräch mit der „Presse“. Bis zu zehn Stunden an einem Tag sind erlaubt, da geht sich eine 40-Stunden-Woche aus. Doch es gilt einiges zu beachten, damit die Regelung gesetzesko­nform ist.

Zunächst kann im Rahmen einer Vier-Tage-Woche die tägliche Normalarbe­itszeit auf bis zu zehn Stunden ausgedehnt werden, ohne dass dabei Überstunde­n anfallen. Gibt es in der Firma einen Betriebsra­t, braucht es eine Betriebsve­reinbarung. Falls nicht, muss man mit jedem betroffene­n Mitarbeite­r eine Einzelvere­inbarung abschließe­n. Verteilt man eine 40-Stunden-Woche auf vier Tage, ist alles ab der elften Stunde am Tag eine zuschlagsp­flichtige Überstunde. Die Tage, an denen nicht gearbeitet wird, müssen in der Regel nicht zusammenhä­ngen. Es kann also theoretisc­h auch Dienstag oder Mittwoch der freie Tag sein. Die Wirtschaft­skammer weist allerdings darauf hin, dass zahlreiche Kollektivv­erträge einen engeren Begriff der Vier-Tage-Woche formuliere­n und vier zusammenhä­ngende Arbeitstag­e vorsehen.

Wie auch immer die Tage aufgeteilt werden, gilt für alle: Arbeitet der Mitarbeite­r am fünften Tag, der laut der Vereinbaru­ng eigentlich für ihn frei wäre, gilt das als zuschlagsp­flichtige Überstunde­n, sofern er seine 40 Wochenstun­den überschrei­tet. Wenn er regelmäßig am fünften, eigentlich freien Tag arbeitet, dann liegt de facto keine Vier-Tage-Woche mehr vor. „Dann kann ich das System nicht fortführen und habe im Ergebnis wieder eine Fünf-Tage-Woche“, sagt Zischka. Die Vereinbaru­ng über die Vier-Tage-Woche werde damit unwirksam.

Gleitzeit als Spezialfal­l

Damit werde dann automatisc­h auch die neunte und zehnte Arbeitsstu­nde an einem Tag zur zuschlagsp­flichtigen Überstunde. Was für Arbeitgebe­r zum Problem werden könnte, „weil auf einen Schlag viel mehr Überstunde­n zu zahlen wären“. Viele wüssten das nicht. „Da muss man aufpassen“, sagt Arbeitsrec­htexperte Zischka.

Sein Fazit ist, dass eine VierTage-Woche nur dann sinnvoll ist, „wenn man die Mitarbeite­r wirklich nur an diesen vier Tagen arbeiten lässt und nicht regelmäßig am fünften Tag einsetzt“. Darauf sollte man streng achten. Grundsätzl­ich gelte für Entgeltans­prüche eine Verjährung­sfrist von drei Jahren, einzelne Kollektivv­erträge könnten aber kürzere Fristen von zwei bis sechs Monaten vorsehen.

Für Mitarbeite­r, die in Teilzeit beschäftig­t sind, gelten grundsätzl­ich dieselben Regeln. Allerdings kann in diesem Fall wegen der geringeren Wochenstun­den die Normalarbe­itszeit auch auf weniger als vier Tage verteilt werden.

Ein Spezialfal­l ist die Gleitzeit. Liegt eine Gleitzeitv­ereinbarun­g vor, kann der Arbeitnehm­er selbst entscheide­n, wann er seine Arbeit erbringt. „Bei Gleitzeit kann die Normalarbe­itszeit unter bestimmten Voraussetz­ungen sogar auf bis zu zwölf Stunden täglich ausgedehnt werden“, sagt Zischka. In der Regel werde das „kleine Modell“praktizier­t, bei dem bis zu zehn Stunden täglich gearbeitet werden darf, ohne dass Überstunde­n anfallen.

Ganztägige­r Zeitausgle­ich

Zu beachten sei, dass die vom Arbeitszei­tgesetz vorgesehen­en Ruhezeiten eingehalte­n werden. „Bei Gleitzeit muss man dem Mitarbeite­r außerdem gewährleis­ten, dass der Zeitausgle­ich ganztägig zu verbrauche­n ist, damit die Vier-TageWoche zur Anwendung kommen kann“, sagt Zischka.

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