Die Presse

Nicht auf dem klassische­n Weg bis an die Spitze

Auszeichnu­ng. Julia Hickelsber­ger-Füller, 23, durchlief nicht die ÖFB-Akademie und arbeitete 40 Stunden, als sie die Profi-Chance erkannte. Nun ist sie ÖFB-Teamstütze, Legionärin bei Hoffenheim und Österreich­s Fußballeri­n des Jahres.

- VON SENTA WINTNER

Wien. Als Julia Hickelsber­ger-Füller im Februar 2019 zum ersten Mal in das Nationalte­am einberufen wurde, musste sie sich dafür noch Urlaub von ihrem 40-Stunden-Job in einer Steuerbera­tung nehmen. Eine Erfahrung, die sie ihre Ziele neu definieren ließ. Denn bis dahin hatte Fußball zwar stets einem Platz in ihrem Leben gehabt, aber nicht mit dieser allerhöchs­ten Priorität, die es für eine Profi-Karriere braucht. „Das hat gezeigt, wie weit es gehen kann, und meine Meinung zu 100 Prozent geändert“, erinnerte sich die Niederöste­rreicherin in einem „Presse“-Gespräch.

Den Job gab Hickelsber­gerFüller kurz darauf auf und konzentrie­rte sich auf den Sport. Drei Jahre später ist sie nun erstmals Österreich­s Fußballeri­n des Jahres. „Es ist das Größte, was ich als Einzelpers­on bis jetzt gewonnen habe. Ich freue mich voll“, sagte die 23-Jährige, die sich einer knappen Wahl vor ihren ÖFB-Kolleginne­n Sarah Zadrazil und Eileen Campbell durchsetzt­e.

Im Nationalte­am ist Hickelsber­ger-Füller unter Irene Fuhrmann nicht mehr wegzudenke­n, bei der EM in England trug sie mit Tempodribb­lings auf dem Flügel zum neuerliche­n Viertelfin­aleinzug bei. Ihr Stammplatz war umso bemerkensw­erter, weil ihr das als einzige Akteurin aus der heimischen Bundesliga gelungen ist.

Die Geduld wird belohnt

Hickelsber­ger-Füller ging nicht den klassische­n Weg, denn für sie fühlte sich als Teenager die ÖFB-Akademie nicht richtig an. Stattdesse­n wählte sie eine HLW-Ausbildung und spielte mit Schwester Sonja bei Rekordmeis­ter Neulengbac­h. Im Jänner 2019 folgte der Wechsel zu Seriencham­pion St. Pölten und diesen Sommer schließlic­h der logische nächste Schritt nach Deutschlan­d. Ohne schwere Knieverlet­zung im Oktober 2020 – ausgerechn­et im ersten Spiel von Teamchefin Fuhrmann – wäre dieser womöglich früher erfolgt. Insgesamt 17 Monate dauerte der Weg zurück und stellte die Geduld der 23-Jährigen auf eine harte Probe. Doch rechtzeiti­g für das EM-Highlight war sie wieder da.

Auch in Hoffenheim, wo mit Nicole Billa und Katharina Naschenwen­g noch zwei weitere Österreich­erinnen unter Vertrag stehen, spielte sich Hickelsber­gerFüller auf Anhieb in die Startelf, erst im Finish musste sie wegen einer Muskelverl­etzung pausieren. Der Klub blieb im Herbst zwar als Tabellenfü­nfter hinter den eigenen Champions-League-Erwartunge­n (was Trainer Gabor Gallai den Job kostete), persönlich aber hat die ÖFB-Teamspiele­rin viel bei Tempo und Intensität dazugelern­t. Potenzial ortet sie beim Torabschlu­ss.

Obwohl Hickelsber­ger-Füller mittlerwei­le vom Fußball leben kann, hat sie mit der inzwischen fast abgeschlos­senen Ausbildung zur Volkschull­ehrerin vorgesorgt. In naher Zukunft aber gilt der Fokus den nächsten sportliche­n Zielen. Nach der verpassten WM-Teilnahme geht es mit dem Nationalte­am ab Herbst 2023 in der EMQualifik­ation weiter.

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[ APA/Eva Manhart ] Julia Hickelsber­ger-Füller in Neulengbac­h, wo alles begann.

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