Der tiefe Fall des Krypto-Robin-Hood
Crash. An einem Tag verlor der FTXGründer sein Milliardenvermögen. Dabei wollte er doch nur die Welt retten.
Wien. Sam Bankman-Fried – in der Krypto-Szene besser bekannt als SBF– verstand sich als Weltverbesserer. Mit seiner Kryptobörse FTX wollte er die Finanzwelt demokratisieren, betonte er immer wieder. Irgendwie kaufte man ihm seine Geschichte ab. Auch Investoren. „FTX soll ein Ort sein, an dem man mit seinen Dollar alles machen kann, was man will. Man kann Bitcoins kaufen. Man kann Geld in allen möglichen Währungen an seine Freunde schicken. Man kann eine Banane kaufen“, sagte SBF im Juli des Vorjahrs vor Investoren. Sie waren begeistert. Die Finanzierungsrunde brachte der Kryptobörse eine Milliarde Dollar ein. Heute, gut ein Jahr später, steht das Unternehmen am Abgrund. Und mit ihm sein Gründer.
In der Nacht auf Mittwoch wurde der ohnehin taumelnde Kryptomarkt durch ein Kurs-Erdbeben erschüttert. Bitcoin rasselte auf ein Jahrestief, andere Kryptowährungen rutschten noch tiefer nach unten. Der Crash hat ein Gesicht – eines, das dieser Tage einem unterlegenen Boxer gleichschaut, der auf seine Verteidigung vergessen hat: Sam Bankman-Fried. Bei seiner Kryptobörse klaffte ein acht Milliarden großes Finanzierungsloch auf. Am Freitag reichte FTX Konkurs ein, was nun eine weitere Kettenreaktion auf dem Kryptomarkt auslösen könnte, befürchten Analysten.
Bis vor wenigen Tagen war die Welt des 30-Jährigen noch in Ordnung. Von internationalen Finanzmagazinen wurde er als nächster Warren Buffett gefeiert. SBF galt als Kryptoguru, als „Messias“der Branche. Nun dürfte er in die Geschichte eingehen als derjenige Milliardär, der den bisher größten
AUF EINEN BLICK
Die Kryptobörse FTX sucht händeringend nach frischem Geld. Gleichzeitig froren mehrere Staaten Aktiva des Unternehmens ein, um die Folgen eines Kollapses für die Branche zu begrenzen. FTX-Konkurrenten kämpften am Freitag darum, von den Turbulenzen nicht mit in den Abgrund gerissen zu werden. Die US-Börsenaufsicht SEC ermittelt.
Tagesverlust erlitten hat: Mit dem Untergang von FTX soll BankmanFried 95 Prozent seines Vermögens verloren haben, fast 15 Milliarden Dollar. Mehr als ein blaues Auge.
Es ist der tiefe Fall eines Superstars, der zuvor einen rasanten Aufstieg hingelegt hat. Noch im März dieses Jahres traf sich SBF mit Goldman-Sachs-CEO David Solomon, im Mai veranstaltete er eine Konferenz mit Teilnehmern wie Bill Clinton, Tony Blair und Football-Superstar Tom Brady.
Idealist mit dickem Konto
Auf dem Podium mit den Mächtigen der Welt trat er auf wie immer – in Shorts, T-Shirt und alten Turnschuhen. Freilich kokettierte er mit seinem für einen Milliardär ungewöhnlichen Auftreten. Im Gegensatz zu anderen neureichen FinStars, die stets gestriegelt und gekampelt auftraten, machte SBF seinen zerzausten Lockenkopf zu seinem Markenzeichen.
Bei allem, was er tat, verfolge er nur ein Ziel, betonte SBF immer wieder: so reich zu werden, wie es nur geht. Geld sei für ihn
aber nur Mittel zum Zweck – den Großteil seines Vermögens spendet er. Im US-Präsidentschaftswahlkampf zahlte er persönlich 5,2 Mio. Dollar an Joe Biden und war damit einer der größten privaten Geldgeber des Demokraten. Seine Kryptobörse spendete nach eigenen Angaben ein Prozent ihres Umsatzes für wohltätige Zwecke.
SBF tat all das aus Überzeugung. Der nun gestrandete KryptoRobin-Hood wurde utilitaristisch erzogen: Wie können wir mit unserem Handeln den größtmöglichen Nutzen für die Menschheit erzielen? Mit Fragen wie diesen beschäftigte sich die Familie Bankman-Fried beim Abendessen.
Sam studierte Physik am MIT, bloggte über Utilitarismus, Baseball und Politik. Nebenbei schloss er sich der Organisation der Effektiven Altruisten an, die es sich zum Ziel gesetzt haben, Ressourcen wie Zeit und Geld so effektiv wie möglich einzusetzen, um das Leid auf der Welt zu lindern.
Mit 21 Jahren absolvierte SBF ein Praktikum bei Jane Street Capital, einem Trading-Unternehmen
im New Yorker Finanzdistrikt, das mit börsenotierten Fonds handelt. Bald galt er dort als einer der besten Trader.
25 Millionen an einem Tag
Gerade als seine Karriere richtig Fahrt aufgenommen hatte, rutschte SBF in eine Lebenskrise. Er kündigte seinen Job und begann wie fanatisch, sich mit Krypto-Technologie auseinanderzusetzen. Im Jänner 2018 organisierte er einen Arbitrage-Handel, bei dem er bis zu 25 Millionen US-Dollar an einem Tag umsetzte, als er vom höheren Bitcoin-Preis in Japan im Vergleich zu den Vereinigten Staaten profitierte.
2019 gründete er FTX. Das Timing hätte nicht besser sein können, der Kryptomarkt explodierte. Innerhalb kürzester Zeit wurde FTX eine der größten Kryptobörsen der Welt, Risikokapitalgeber investierten 40 Mrd. Dollar in das Unternehmen. Der Großteil des Gelds ist nun weg, ebenso wie SBFs Eintrag im Bloomberg-Milliardärs-Index. Seine Geschichte zeigt, wie schnell es nach oben, aber auch wieder nach unten gehen kann.