Rom brüskiert Brüssel mit neuen Coronaregeln
Einreisende aus EU-Ländern brauchen negativen Test, auch wenn sie geimpft sind.
Wien/Rom. Wer in den nächsten Wochen Italien besucht, sollte gegen das Coronavirus geimpft sein. Denn Ungeimpfte, die aus einem anderen EU-Land einreisen, müssen sich ab 16. Dezember in eine fünftägige Quarantäne begeben. Danach dürfen sie sich „freitesten“. Aber auch für Genesene oder Personen mit zwei Impfungen werden die Einreiseregeln verschärft, der Grüne EU-Pass allein genügt nicht mehr: An der Grenze müssen alle einen negativen Coronatest vorweisen. Der Antigentest gilt 24, der PCR-Test 48 Stunden.
Italien, Corona-Musterkind der vergangenen beiden Pandemiewellen, rüstet sich mit harten Maßnahmen und Grenzkontrollen gegen Omikron, das bereits bei einem Prozent aller positiv Getesteten nachgewiesen wurde. Rom scheut dabei nicht davor zurück, die EU-Kommission vor den Kopf zu stoßen. Denn die neuen Bestimmungen, die vorerst bis Ende Jänner gelten, „gefährden die Glaubwürdigkeit des Covid-Zertifikats der EU“, warnte Vĕra Jourová, Vizepräsidentin der EU-Kommission. Wenn ein Land zusätzliche Regeln verhänge, müsse die Regierung diese rechtfertigen. Brüssel beklagt nun, man sei vorab aus Rom über die neue Testpflicht nicht informiert worden. Der Grüne Pass wurde im Sommer eingeführt, um trotz Pandemie Tourismus und Bewegungsfreiheit innerhalb der Union zu gewährleisten.
Totenzahl steigt wieder
Premier Mario Draghi, eigentlich überzeugter EU-Befürworter, gibt sich diesmal unbeeindruckt von der Schelte aus Brüssel. Angesichts der rasanten Omikron-Ausbreitung in Europa sagte er: „Ich glaube, da gibt es nicht viel zu überdenken.“
Zu groß ist die Angst vor einer fünften Welle. Italien wurde als erstes Land in der EU von der Pandemie getroffen – so heftig wie kaum ein anderes EU-Mitglied. Das Trauma der ersten Welle im Frühjahr 2020 mit den vielen Toten und überlasteten Spitälern sitzt noch tief. Draghi hat seit seinem Amtsantritt im Februar die Pandemie-Bekämpfung zur Priorität gemacht. Er ernannte mit General Francesco Paolo Figliuolo einen eigenen Sonderkommissar, hat strikte Maßnahmen verhängt und eine intensive Impfkampagne gestartet: 85 Prozent der über Zwölfjährigen sind inzwischen zweimal geimpft, derzeit werden auch die über 40-Jährigen „geboostert“. Trotzdem steigt die Zahl der Infektionen – und der Opfer. Am Dienstag starben 120 Menschen an Covid, das ist die höchste Totenzahl seit Ende Mai. Kritischer wird die Lage in Intensivstationen, wo bereits zehn Prozent der Betten von Covid-Patienten belegt sind. Mehrere Regionen erhöhten die Alarmstufe, darunter Friaul und die Provinz Südtirol. Folgen wird Venetien.
Aber nicht nur durch strenge Einreiseregeln soll die nächste Welle gebremst werden. Während Draghi Lockdowns, Schulschließungen und eine allgemeine Impfpflicht vermeiden will, setzt er auf gezielte Maßnahmen: Seit gestern müssen neben dem Gesundheitspersonal auch Lehrer und Sicherheitsbeamte geimpft sein. Die Dauer des Grünen Passes – ohne den man nicht einmal ein öffentliches Transportmittel besteigen darf – wurde von zwölf Monaten auf neun verkürzt. Erwogen wird, eine Maskenpflicht auch für den Außenbereich wieder einzuführen.
Groß bleibt der Widerstand gegen Anti-Corona-Regeln. Der Protest wird zum lukrativen Geschäft für Kriminelle: In Neapel wurde eine Hackerbande zerschlagen, die in das Informatiksystem von sechs Regionen eingedrungen war. Mit geklonten Codes erstellte die Organisation so Hunderte Impfzertifikate für Ungeimpfte.