Wie Donald Jr. und Co. Trump zur Räson bringen wollten
USA. In SMS versuchten Mitstreiter den Präsidenten dazu zu bewegen, dem Aufruhr am Kapitol ein Ende zu bereiten.
Wien/Washington. Mark Meadows sorgte kürzlich für Furore, als er enthüllte, dass Donald Trump schon drei Tage vor dem ersten TVDuell mit Joe Biden Ende September des Vorjahrs mit dem Coronavirus infiziert gewesen sei, dies aber vertuscht habe. Diesen Coup hat sich der bis dato loyale Ex-Stabschef Trumps für „The Chief’s Chief“, seine Memoiren über die turbulente Amtszeit im Weißen Haus, aufgehoben. Trump konterte prompt: „Fake News.“
Noch brisanter versprechen SMS-Nachrichten und E-Mails zu werden, die Meadows in einem Konvolut an 9000 Dokumenten an den Untersuchungsausschuss des Repräsentantenhauses zum Sturm auf das Kapitol am Dreikönigstag 2021 bereitgestellt hat. „Er muss diesen Scheiß so schnell wie möglich verurteilen. Wir brauchen eine Ansprache aus dem Weißen Haus. Das ist alles außer Kontrolle geraten.“So energisch forderte Donald Trump Jr. in einer SMS an Meadows eine Intervention seines Vaters, der im Weißen Haus die Ausschreitungen des Mobs stundenlang im Fernsehen verfolgte, nachdem er zuvor seine Fans in einer Rede vor dem Washington Monument zu einem Protestmarsch aufgestachelt hatte.
Im Belagerungszustand
Trump Jr., nicht gerade bekannt für eine Rhetorik der Mäßigung, drang offenkundig selbst nicht mehr zu dem Präsidenten durch. Panische Hilferufe und drängende Appelle erreichten den Stabschef indessen auch aus dem Kongress und den TV-Studios von Fox News, dem Haus- und Hofsender der Republikaner. Sie alle versuchten, Trump zur Räson zu bringen und dem Aufruhr am Kapitol ein Ende zu setzen.
„Es ist wirklich schlimm hier oben“, schrieb ein Abgeordneter an Ex-Kollegen Meadows, der einen Sitz im Repräsentantenhaus innegehabt und sich eine Reputation als Trump-Verteidiger erworben hatte, dass ihn der Ruf ins Weiße Haus ereilte. Ein SOS lautete: „Hier wird noch jemand getötet.“
Der Kongress war in den Nachmittagsstunden des 6. Jänner im Belagerungszustand. Radikale Trump-Anhänger verschafften sich gewaltsam Zutritt in die Hallen des Parlaments, sie zerschlugen Fenster und stürmten unter Parolen wie „Hängt Pence“in Büros. Mike Pence, der bei Trump in Ungnade gefallene Vizepräsident, und führende Abgeordnete verschanzten sich unter Polizeischutz in Extrazimmern, während andere Zuflucht unter Pulten suchten.
Die tumultartigen Szenen schockten die Nation und wühlten sie nach den Wochen der Anfechtung der Präsidentenwahl vom November 2020 durch Trump und sein Team weiter auf. Was den Demokraten als „Angriff auf die Demokratie“gilt, spielen die Republikaner herunter. Die Mehrheit der ehemaligen Grand Old Party kann in dem Sturm des Mobs auf das Kapitol, dem fünf Menschen zum Opfer fielen, nichts Verwerfliches finden – und schon gar nicht, dass Donald Trump eine Mitverantwortung trägt.
„Er zerstört sein Vermächtnis“
Umso erstaunlicher sind Appelle prominenter Fox-News-Moderatoren, die Liz Cheney – wie die übrigen SMS – nun publik gemacht hat. Die republikanische Abgeordnete und Tochter des Ex-Vizepräsidenten Dick Cheney, eine deklarierte Trump-Gegnerin, hat sie im Untersuchungsausschuss mit unverhohlenem Wohlgefallen vorgelesen. „Mark, er muss den Leuten sagen, sie müssen heimgehen. Das schadet uns allen. Er zerstört sein Vermächtnis“, zitierte sie Laura Ingraham.
Selbst Sean Hannity, stets nah an Trumps Ohr, und Berater wie Senator Lindsey Graham schalteten sich ein. Doch der ExPräsident ließ sich zunächst nur zur halbherzigen Aufforderung an seine Anhänger herab, „friedlich“zu bleiben. Erst nach Stunden drängte er sie via Video: „Geht heim. Wir lieben euch. Ihr seid ganz besonders.“
Das parlamentarische Nachspiel währt bereits seit Monaten. Stephen Bannon, der erst geschasste und zuletzt begnadigte Chefstratege Trumps, handelte sich wegen Missachtung des Kongresses eine Strafe ein. Dasselbe Schicksal blüht auch Mark Meadows, der sich nach großem Zaudern zu einer Kooperation mit dem Ausschuss entschlossen hatte, bevor er sie schließlich nach Aushändigung der Dokumente aufkündigte.
Ein Gericht in Washington hat derweil zwei rechtsextreme Gruppen, die Proud Boys und Oath Keepers, angeklagt. Das Kapitel des Sturms auf das Kapitol wird die USA noch auf Jahre hinaus beschäftigen.