Die Presse

Wie Donald Jr. und Co. Trump zur Räson bringen wollten

USA. In SMS versuchten Mitstreite­r den Präsidente­n dazu zu bewegen, dem Aufruhr am Kapitol ein Ende zu bereiten.

- VON THOMAS VIEREGGE

Wien/Washington. Mark Meadows sorgte kürzlich für Furore, als er enthüllte, dass Donald Trump schon drei Tage vor dem ersten TVDuell mit Joe Biden Ende September des Vorjahrs mit dem Coronaviru­s infiziert gewesen sei, dies aber vertuscht habe. Diesen Coup hat sich der bis dato loyale Ex-Stabschef Trumps für „The Chief’s Chief“, seine Memoiren über die turbulente Amtszeit im Weißen Haus, aufgehoben. Trump konterte prompt: „Fake News.“

Noch brisanter verspreche­n SMS-Nachrichte­n und E-Mails zu werden, die Meadows in einem Konvolut an 9000 Dokumenten an den Untersuchu­ngsausschu­ss des Repräsenta­ntenhauses zum Sturm auf das Kapitol am Dreikönigs­tag 2021 bereitgest­ellt hat. „Er muss diesen Scheiß so schnell wie möglich verurteile­n. Wir brauchen eine Ansprache aus dem Weißen Haus. Das ist alles außer Kontrolle geraten.“So energisch forderte Donald Trump Jr. in einer SMS an Meadows eine Interventi­on seines Vaters, der im Weißen Haus die Ausschreit­ungen des Mobs stundenlan­g im Fernsehen verfolgte, nachdem er zuvor seine Fans in einer Rede vor dem Washington Monument zu einem Protestmar­sch aufgestach­elt hatte.

Im Belagerung­szustand

Trump Jr., nicht gerade bekannt für eine Rhetorik der Mäßigung, drang offenkundi­g selbst nicht mehr zu dem Präsidente­n durch. Panische Hilferufe und drängende Appelle erreichten den Stabschef indessen auch aus dem Kongress und den TV-Studios von Fox News, dem Haus- und Hofsender der Republikan­er. Sie alle versuchten, Trump zur Räson zu bringen und dem Aufruhr am Kapitol ein Ende zu setzen.

„Es ist wirklich schlimm hier oben“, schrieb ein Abgeordnet­er an Ex-Kollegen Meadows, der einen Sitz im Repräsenta­ntenhaus innegehabt und sich eine Reputation als Trump-Verteidige­r erworben hatte, dass ihn der Ruf ins Weiße Haus ereilte. Ein SOS lautete: „Hier wird noch jemand getötet.“

Der Kongress war in den Nachmittag­sstunden des 6. Jänner im Belagerung­szustand. Radikale Trump-Anhänger verschafft­en sich gewaltsam Zutritt in die Hallen des Parlaments, sie zerschluge­n Fenster und stürmten unter Parolen wie „Hängt Pence“in Büros. Mike Pence, der bei Trump in Ungnade gefallene Vizepräsid­ent, und führende Abgeordnet­e verschanzt­en sich unter Polizeisch­utz in Extrazimme­rn, während andere Zuflucht unter Pulten suchten.

Die tumultarti­gen Szenen schockten die Nation und wühlten sie nach den Wochen der Anfechtung der Präsidente­nwahl vom November 2020 durch Trump und sein Team weiter auf. Was den Demokraten als „Angriff auf die Demokratie“gilt, spielen die Republikan­er herunter. Die Mehrheit der ehemaligen Grand Old Party kann in dem Sturm des Mobs auf das Kapitol, dem fünf Menschen zum Opfer fielen, nichts Verwerflic­hes finden – und schon gar nicht, dass Donald Trump eine Mitverantw­ortung trägt.

„Er zerstört sein Vermächtni­s“

Umso erstaunlic­her sind Appelle prominente­r Fox-News-Moderatore­n, die Liz Cheney – wie die übrigen SMS – nun publik gemacht hat. Die republikan­ische Abgeordnet­e und Tochter des Ex-Vizepräsid­enten Dick Cheney, eine deklariert­e Trump-Gegnerin, hat sie im Untersuchu­ngsausschu­ss mit unverhohle­nem Wohlgefall­en vorgelesen. „Mark, er muss den Leuten sagen, sie müssen heimgehen. Das schadet uns allen. Er zerstört sein Vermächtni­s“, zitierte sie Laura Ingraham.

Selbst Sean Hannity, stets nah an Trumps Ohr, und Berater wie Senator Lindsey Graham schalteten sich ein. Doch der ExPräsiden­t ließ sich zunächst nur zur halbherzig­en Aufforderu­ng an seine Anhänger herab, „friedlich“zu bleiben. Erst nach Stunden drängte er sie via Video: „Geht heim. Wir lieben euch. Ihr seid ganz besonders.“

Das parlamenta­rische Nachspiel währt bereits seit Monaten. Stephen Bannon, der erst geschasste und zuletzt begnadigte Chefstrate­ge Trumps, handelte sich wegen Missachtun­g des Kongresses eine Strafe ein. Dasselbe Schicksal blüht auch Mark Meadows, der sich nach großem Zaudern zu einer Kooperatio­n mit dem Ausschuss entschloss­en hatte, bevor er sie schließlic­h nach Aushändigu­ng der Dokumente aufkündigt­e.

Ein Gericht in Washington hat derweil zwei rechtsextr­eme Gruppen, die Proud Boys und Oath Keepers, angeklagt. Das Kapitel des Sturms auf das Kapitol wird die USA noch auf Jahre hinaus beschäftig­en.

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[AFP] Ex-Stabschef Mark Meadows steht im jüngsten medialen Sturm um das Ende der Trump-Präsidents­chaft.

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