Mietabschlag wegen Kriminalität
Eine Wohnung, die innerhalb des Wiener Gürtels überdurchschnittlich günstig gelegen ist, kann nur mit Abstrichen wegen der Lage vermietet werden: Neben dem Verkehrslärm schadet die „vorherrschende Kleinkriminalität“.
Eine Wohnung in Wien in U6-Nähe darf wegen „vorherrschender Kleinkriminalität“nur mit Abstrichen vermietet werden.
Wien. Die Wohnung liegt straßenseitig und ist daher nicht lärmgeschützt, ihr Küchenfenster öffnet statt ins Freie auf den Gang, ein Kellerabteil fehlt. Alles andere aber deutet der Papierform nach auf eine überdurchschnittliche Qualität hin, sowohl der topsanierte Zustand im Inneren als auch die hervorragende Infrastruktur in der fußläufigen Umgebung. Und doch gibt es noch einen Makel, der negativ auf die zulässige Höhe des Mietzinses auswirkt: Die U6-Station Josefstädter Straße ist nahe. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hatte nun zu entscheiden, ob die Vorzüge der Lage überwiegen.
Der Mieter der 81-Quadratmeter-Mezzaninwohnung in der Josefstädter Straße zahlte ab Mai 2019 monatlich netto 749,68 Euro Zins, das waren fast 60 % mehr, als dem Richwertmietzins (5,81/m2) entsprochen hätte. Die meisten Abund Zuschläge, die der Vermieter vorgenommen hatte, waren unbestritten, nicht aber der Lagezuschlag (wobei feststand, dass die Adresse in keinem Gründerzeitviertel liegt, wo generell kein Lagezuschlag zulässig ist).
Der Mieter stieß sich vor allem an der Nähe zu dem nur „rund 100 Meter entfernten ,Hotspot‘ der Drogenkriminalität an der Josefstädter Straße“(tatsächlich sind es 160 Meter). Deshalb ließ er seine Miethöhe gerichtlich überprüfen. Doch die ersten beiden Instanzen hielten einen Zuschlag von 3,50 Euro/m2 für gerechtfertigt: Das Bezirksgericht verwies auf die fußläufige Nähe von U-Bahn, drei Straßenbahnlinien sowie von je zwei Parkanlagen, Theater und Palais mit kulturellem Angebot, ferner auf die bequeme und schnelle Erreichbarkeit der Innenstadt und auf das umfassende Angebot an Einkaufsmöglichkeiten und medizinischer Versorgung. Damit sei die Adresse selbst für eine innerstädtische Wohnumgebung überdurchschnittlich, fand das BG-Josefstadt.
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen teilte diese Einschätzung
und fügte ihr hinzu, dass der OGH schon bei vergleichbaren Wohnungen in der Umgebung einen Lagezuschlag gebilligt hätte. Es ließ jedoch einen Revisionsrekurs zu: mit der Frage, ob nicht eine überdurchschnittliche Lärmbelästigung, wie sie in der Wohnung vorlag und in den Zins eingerechnet wurde, eine nochmalige Berücksichtigung von überdurchschnittlich viel Lärm in der gesamten Wohnumgebung ausschließt.
Das solcherart angedachte Verbot einer „Doppelverwertung“ist laut OGH jedoch nicht dem Gesetz zu entnehmen: Tatsächlich kann eine Wohnung ja auch in einer lauten Gegend liegen, aber hofseitig lärmgeschützt sein. Umgebung und Wohnung sind also getrennt zu betrachten.
Deshalb ist im konkreten Fall die massive Lärmbelastung der Umgebung auch bei der Frage nach dem Lagezuschlag zu berücksichtigen. Dazu komme „die unmittelbare Nähe zu einer als Drogen- und Kriminalitätshotspot allgemein bekannten U-Bahnstation mit regelmäßigen Polizeieinsätzen“, so der OGH (5 Ob 104/21m).
Rückzahlung an den Mieter
„Eine Abwägung dieser Faktoren im Einzelfall ergibt, dass die Lage des konkreten Hauses insgesamt jedenfalls nicht als überdurchschnittlich zu beurteilen ist. Ein Lagezuschlag steht daher nicht zu“, entschied der OGH.
Ergebnis für den Mieter: Sein Zins darf maximal nur 6,07 Euro pro Quadratmeter und Monat betragen, das ergibt 493,73 Euro. Zu viel Verlangtes muss der Vermieter zurückzahlen.