E-Health-Start-ups unter gemeinsamen Dach
In Alpbac hha ben sich rund 30 Unternehmen z umV ere inH ealth Pioneer sz usammengeschlosse n.D e rn eue Verband versteht sic hal s Netzwerkplattform, Ideengebe run d Dialogforum zwischen digitalen Vordenkern un de ntscheidungsrelevanten Stakeholdern des österreichischen Gesundheitswesens.
Analog macht krank. Digital macht gesund.“So plakativ der Slogan des Manifests war, so schwierig gestalteten sich die ersten Schritte jener deutschen Initiative, die zur Gründung des Spitzenverbands Digitale Gesundheitsversorgung führte. „Wir sind zunächst auf eine Systemmauer gestoßen. Aber unsere Beharrlichkeit, die Stakeholder des Gesundheitswesens für uns zu gewinnen, wurde belohnt“, freut sich Vorstandsmitglied Diana Heinrichs. Der Spitzenverband tritt mittlerweile als gemeinsame Stimme aller E-Health-Anbieter und -Förderer Deutschlands auf und steht den gesetzlichen Krankenkassen als Verhandlungspartner zur Verfügung – und dient einer österreichischen Initiative als Vorbild.
Digitalverband im Aufbau
„Der Weg des deutschen Spitzenverbands hat uns inspiriert. Wir planen Ähnliches“, sagt Lukas Seper. Bereits 2018 entwickelten Seper und seine Partner einen KI-gestützten Gesundheitsassistenten und gründeten in Wien das mittlerweile auf 25 Mitarbeiter angewachsene Start-up XUND. Nun steht Seper an der Spitze einer Bewegung von 30 Unternehmen aus dem Bereich der digitalen Gesundheitsversorgung. „Unser Ziel ist es, den Verein Health Pioneers zu einem bedeutenden Branchenverband zu formen, der die Interessen aller Hersteller von DigitalHealth-Anwendungen in Österreich auch gegenüber Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Öffentlichkeit vertritt“, erklärt Seper.
Wie bunt die Szene in der digitalen Gesundheitsversorgung geworden ist, zeigt sich in der Bandbreite der Anwendungen jener Start-ups, die nunmehr unter der gemeinsamen Dachmarke Health Pioneers aktiv sind. Zwölf von ihnen präsentierten ihre Digitalprodukte beim Praevenire Talk auf der Schafalm.
12 digitale Innovationen
„Breathe ilo“(breatheilo.com) lautet etwa der Name jener Fruchtbarkeitschecker-App des Grazer Startups Carbomed, mit der Frauen über ihren Atem ihre fruchtbaren Tage ermitteln und alles über ihren Zyklus direkt in der App erfahren. „Pocketcoach“(pocketcoach.co/de) ist der Name des ersten deutschsprachigen Chatbots, der im Sinne der Gesundheitspräventive psychologische Unterstützung anbietet. „Contextflow“(contextflow.com) nutzt Deep Learning und medizinische 3-D-Bildgebung, um Radiologen das in Tausenden von medizinischen Bildern und Berichten kodierte Wissen an die Hand zu geben. Entwickelt wurde die Suchmaschine, um den Zeitaufwand für die Suche nach fallrelevanten Informationen während der Bild interpretation zu verringern. Für mehr Zeit effizienz sorgt in einem anderen Bereich die Lösung für smar- tes Wartelisten management„Quick- ticket“(quickticket.io): Patienten, die ein digitales Ticket in der Warteliste entnehmen und genau wissen, wann sie an der Reihe sind, vermeiden in Arztpraxen Wartezeiten und Stress.
Die Digitalisierung standardisierter Assessments in der Physiotherapie treibt „reha buddy“(rehabuddy.at). Stoppuhr, Bleistift und Maßband werden durch ein zertifiziertes Medizinprodukt ersetzt, um durch die Anbindung an das vorhandene Krankenhaus informationssystem in Rehakliniken eine höhere Effizienz des Personal einsatzes zu schaffen. Ohne große Investitionen soll so die Reha-Erfahrung sowohl für Patienten als auch für Therapeuten objektiver und ergebnis orientierter werden. Den Fokus auf evidenzbasierte Medizin legt auch „Careety“. Die digitale Plattform für Ärzte und eine Patienten-App stellen sicher, dass Patienten alle Informationen über die bestmöglichen Therapien bekommen. Als Plattform wurde auch „Probando“(probando.io) konzipiert. Der digitale Marktplatz will die Forschung unterstützen, indem er auf Matchmaking-Lösungen setzt, um die passenden Personen für medizinische Studien herauszufiltern. Mit wissenschaftlich fundierten Matching-Methoden und einer innovativen Software-Plattform arbeitet ebenfalls das Harmony & Care System (harmonyandcare.com). Das Matching-Verfahren fragt und gleicht soziale Kompetenzen, Interessen und Neigungen im Bereich der Pflege sowohl von Betreuungskräften als auch von Betroffenen ab.
Ein digitales Trainingsspiel, das über Neurofeedback mit Elektroden am Kopf funktioniert, wurde vom Wiener Unternehmen „MyMind“(mymind.life) entwickelt. Das Team des Start-ups setzt in weiterer Folge auf ein Medizinprodukt, das speziell für Autismus, ADHS und andere neurologisch-psychologische Beeinträchtigungen zertifiziert ist und von Betroffenen zu Hause genutzt werden kann. Menschen mit chronischen Schmerzen nachhaltig zu helfen und ihnen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, ist wiederum der Antrieb des Start-ups SzeleSTIM (szelestim.com). Entwickelt wurde eine Methode, die ohne Medikamente und deren Nebenwirkungen funktioniert, indem ein im Ohr tragbares Gerät den Vagusnerv mit elektrischen Impulsen stimuliert. Was SzeleSTIM so besonders macht, ist, dass das Gerät über eine verbundene Smartphone-App Daten sammelt, mit denen die Therapie individuell angepasst und gesteuert werden kann. Die Wirksamkeit der Methode wurde bereits in klinischen Studien belegt.
Auf die Wirksamkeit des Jungunternehmens Novid20 (novid20. at) hofft wiederum ganz Österreich: Das Start-up arbeitet seit März 2020 mit neuen Lösungen daran, die Covid-Pandemie zu beenden. Nach Abschluss diverser Großprojekte im Inund Ausland konnte sich das Team rund um Novid20, das in engem Austausch mit Behörden und der Wissenschaft agiert, als führende Experten zum Thema „Covid-TestInfrastruktur“mit starkem IT-Fokus positionieren.
Von der Nische in die Breite
Dass die zwölf auf der Schafalm kurz vorgestellten digitalen Gesundheitsanwendungen beispielhaft für einen regelrechten Boom des E-Health-Bereichs stehen, lässt sich in Zahlen dokumentieren. Rund 150 DigitalHealth-Start-ups wurden in den letzten zehn Jahren allein im D-A-CHRaum gegründet und mit Risikokapital im Gesamtumfang von mehr als einer Milliarde Euro finanziert. Zwei Drittel der Gründungen entfielen auf die letzten fünf Jahre. Als zusätzlicher Beschleuniger der Digitalisierung erwies sich die Coronapandemie.
„Es gibt einen eindeutigen Trend von der Nische in die Breite. Die Zeit ist reif, um den Gesundheitsbereich digital in die Zukunft zu führen“, bringen es Franz Leisch und Günther Rauchegger von der ELGA Gmbh auf den Punkt. Daran glaubt auch Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen Ärztekammer: „Die Gründung des neuen Verbands Health Pioneers kommt zum richtigen Zeitpunkt. Es geht darum, neue, digitale medizinische Produkte zum Verbraucher zu bringen. Daran hat die Ärztekammer ein hohes Interesse.“Ebenso groß ist das Interesse im Bereich der Pflege, wie Elisabeth Potzmann, Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes, betont: „Ich sehe in digitalen Lösungen eine große Chance und appelliere an den Mut, den Prozess voranzutreiben. Ich stelle aber leider fest, dass dies in vielen Bereichen noch zu langsam geht.“Ein Grund für die Trägheit des Systems ist dabei laut Wissenschaftsvermittlerin Barbara Fisa (thehealthychoice.at) die Tatsache, dass die ältere Generation für digitale Angebote noch nicht zur Gänze empfänglich ist – was sich mit der zunehmenden Durchdringung und Akzeptanz von Smartphones allerdings gerade ändert.
Eine andere Bremse im System erläutert Irene Fialka, CEO INiTS, Universitäres Gründerservice Wien: „Leider glauben viele große Organisationen, dass sie selbst alles entwickeln können. In Wahrheit fehlt es ihnen aber an Know-how, finanziellen und zeitlichen Ressourcen.“Besser wäre es laut Fialka, den Fundus an innovativen technologischen Lösungen zu nutzen und gezielt auf die Suche nach Start-ups für digitale Gesundheit zu gehen, die neue Ideen von außen einbringen.
Tempo auf Evidenz-Basis
Für den Zwiespalt zwischen dem Tempo der digitalen Veränderung und der teils langsamen Reaktion des Gesundheitssystems hat Lars-Peter Kamolz, Präsident Austrian Wound Association, eine weitere Erklärung: „Auf der einen Seite beobachten wir einen rasanten Zuwachs an medizinischem Wissen, das sich alle drei Monate verdoppelt. Auf der anderen Seite braucht das System Zeit für die Sammlung von Daten und Fakten, um evidenzbasierten Lösungen den Vorrang geben zu können.“E-Health-Start-ups seien insofern gefordert, nicht nur zu entwickeln, sondern auch konkret zu zeigen, was sie können, um am Markt zu reüssieren. Das sieht auch Alexander Biach, Standortanwalt Wirtschaftskammer Wien, so: „Mit einer guten Idee allein ist es nicht getan. Neue Produkte und Unternehmen müssen sich am Markt bzw. im Rahmen von Pilotprojekten beweisen und gute Ergebnisse erzielen. Dafür braucht es Netzwerke und Partner, die Voraussetzung für Wachstum sind.“Einig sind sich beide Experten, dass diese Netzwerkarbeit von einem Interessensverband wie Health Pioneers entscheidend gefördert werden kann.