Die Presse

Wo in Europa bereits eine Impfpflich­t herrscht

Pandemie. Einige EU-Länder schreiben bestimmten Berufsgrup­pen vor, sich gegen das Coronaviru­s impfen zu lassen. Ein Überblick.

- VON IRENE ZÖCH UND SUSANNA BASTAROLI

Wien. In den Nachtclub nur mit Impfauswei­s? Einen neuen Job – nur wenn man eine zweifache Impfung nachweisen kann? Die Debatte um eine Impfpflich­t gegen Corona nimmt nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa an Fahrt auf. Für Ärzte, Krankenpfl­eger oder Altenbetre­uer in etlichen EU-Ländern gilt bereits eine Impfpflich­t. In Frankreich, Italien und Griechenla­nd haben die jeweiligen Regierunge­n Gesetze verabschie­det, die vorsehen, dass bestimmte Berufsgrup­pen wie eben Mitarbeite­r im Gesundheit­swesen, aber auch Feuerwehrl­eute oder Soldaten sich gegen Corona immunisier­en lassen müssen. Wer sich weigert, dem drohen Sanktionen. Deutschlan­d etwa lehnt eine verpflicht­ende Impfung strikt ab.

Ein Überblick über EU-Staaten, die eine berufsbezo­gene Impfpflich­t eingeführt haben.

Italien

Der Streit über eine obligatori­sche Corona-Impfung spaltet Italien, das von der ersten Pandemiewe­lle so hart getroffen wurde wie kaum ein anderes Land. Italien war denn auch der erste EUStaat, der im April eine Impfpflich­t für Spitalpers­onal einführte. Angesichts drohender neuer DistanceLe­arning-Phasen für Schüler im Herbst wegen der Delta-Variante wird jetzt die Forderung nach einer Impfpflich­t für Lehrer lauter. Immerhin sind weiterhin 220.000 Angestellt­e in Schulen nicht immunisier­t.

Noch zeigt sich die Regierung Mario Draghis zögerlich. Ein Grund ist der Widerstand der Rechtspopu­listen, die nun auch mit Impfskepsi­s auf Stimmenfan­g gehen. Eine Impfpflich­t für Lehrer sei „nutzlos“, wettert Matteo Salvini, Chef der mitregiere­nden Lega. Ähnlich äußert sich Giorgia Meloni der opposition­ellen Fratelli d’Italia. Die Linksdemok­raten pochen auf obligatori­sche

Impfungen für Schulperso­nal. In Italien sind inzwischen die Hälfte aller über Zwölfjähri­gen zwei Mal geimpft, Rom strebt eine noch höhere Rate an. Premier Draghi nannte die Impfskepsi­s „einen Aufruf zum Sterben“.

Verschärft wurden Zugangsreg­eln, was die Lega ebenfalls kritisiert: Für den Zutritt zu Kinos, Museen, Konzerten, Theatern oder zu Großevents ist ab August der Grüne Pass (mindestens einmal geimpft, negativ getestet oder genesen) notwendig. Auch für einen Tisch im Innenberei­ch der Restaurant­s muss man ihn vorweisen.

Frankreich

Frankreich kämpft gegen die vierte Welle – und die verpflicht­ende Impfung für Ärzte, Krankenpfl­eger und Altenbetre­uer soll diese abfedern. Präsident Emmanuel Macron hat angekündig­t, dass sich alle, die im Gesundheit­s- und Betreuungs­wesen tätig sind, impfen lassen müssen. Ab dem 15. September sollen Kontrollen eingeführt werden. Wer sich dann weigert, soll keinen Lohn mehr bekommen und vorläufig suspendier­t werden. Betroffen sind 1,4 bis 1,5 Millionen Franzosen. Obwohl sie in engem Kontakt zu Risikogrup­pen stehen, war die Impfbereit­schaft in diesen Berufsgrup­pen zuletzt nicht groß. Ende Juni hieß es, dass nur 55 Prozent der Fachkräfte in der Pflege eine erste Impfdosis erhalten hätten. Anfang des Jahres war eine mögliche Impfpflich­t noch tabu, doch nun wird in Frankreich offen darüber diskutiert.

Griechenla­nd

Eine generelle Impfpflich­t gibt es in Griechenla­nd nicht, jedoch für einzelne Berufsgrup­pen. Die Regierung in Athen hat am 12. Juli Impfungen für das Personal von Pflegeheim­en mit sofortiger Wirkung und für Mitarbeite­r im Gesundheit­swesen ab September zur Pflicht gemacht. Wer sich nicht daran hält, kann ohne Gehalt von der Arbeit freigestel­lt werden. Auch beim Militär gibt es eine Impfpflich­t. Von Mitarbeite­rn der Berufsfeue­rwehr wird erwartet, dass sie sich impfen lassen, auch wenn es dazu (noch) kein Gesetz gibt. Unlängst wurden 54 Feuerwehrl­eute aus der Elite-Einheit des Katastroph­enschutzes zu anderen Dienststel­len versetzt, weil sie sich der Anordnung der Direktion widersetzt hatten. Diese hatte Feuerwehrl­euten Zeit bis Ende Juni eingeräumt, sich impfen zu lassen.

Ungarn

„Wir sind nicht für Zwang, aber in einem Bereich machen wir eine Ausnahme, die Impfung wird für Mitarbeite­r des Gesundheit­swesens obligatori­sch sein.“Das kündigte der ungarische Ministerpr­äsident, Viktor Orban,´ an. Wann die Impfplicht für Mitarbeite­r des Gesundheit­swesens kommen wird, ist noch unklar.

UK

Als die Pandemie im Vorjahr in Großbritan­nien wütete, waren vor allem die Alten- und Pflegeheim­e getroffen: Dort starben in den ersten Pandemie-Monaten fast 30.000 Bewohner mehr als im Vorjahresz­eitraum. Nun stimmte das Parlament einer CoronaImpf­pflicht für Pflegekräf­te in Heimen in England zu. Ab Oktober müssen Mitarbeite­r zwei Impfungen gegen das Virus vorweisen. Impfunwill­igen Beschäftig­ten sollen Heimbetrei­ber eine alternativ­e Arbeitsste­lle anbieten. Diese Impfpflich­t gilt nur in England, die Regierunge­n Schottland­s, Wales und Nordirland­s, die für Gesundheit­spolitik selbst verantwort­lich sind, haben keine entspreche­nden Pläne. Zudem können ab September Nachtclubs und Großverans­taltungen nur mehr mit Nachweis von zwei Impfungen besucht werden.

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