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Die Kerrseite de Immunabweh­r

Bei Stammzellt­ransplanta­tionen können bestimmte Immunzelle­n zu Abstoßungs­reaktionen führen. Dermatolog­in Johanna Strobl erforscht die dafür verantwort­lichen Mechanisme­n.

- VON USCHI SORZ

igentlich dienen gewebsstän­dige T-Zellen dem Schutz. Diese Immunzelle­n kommen im gesamten Organsyste­m der Haut vor – also etwa auch jenem von Lunge oder Magen-Darm-Trakt – und tragen dazu bei, dass diese eine äußere Barriere gegen schädliche Stoffe darstellt. Das hat auch damit zu tun, dass sie sich kaum vom Fleck bewegen. „Bei einer Blutkrebse­rkrankung wird allerdings gerade die Sesshaftig­keit dieser T-Zellen zum Problem“, sagt Johanna Strobl. „Bevor man die kranken Blutzellen durch die gesunden Knochenmar­ks- oder Blutstammz­ellen eines Spenders ersetzen kann, muss man sie vollständi­g durch Chemothera­pie und Bestrahlun­g zerstören. Es wäre gut, würde man die gewebsstän­digen T-Zellen dabei auch loswerden, aber im Gegensatz zu zirkuliere­nden T-Zellen überstehen sie diese Behandlung­en unbeschade­t.“Noch mehr als zehn Jahre danach würden sie sich zwischen und unter den Deckzellen der Haut verstecken.

Unerwünsch­te Abstoßungs­reaktionen

Die 32-Jährige ist Assistenzä­rztin an der Klinik für Dermatolog­ie der Med-Uni Wien und forscht dort im Labor von Georg Stary auf dem Gebiet der Immunderma­tologie. „Bei Blutkrebs ist die Stammzellt­ransplanta­tion oft die einzige Chance auf Heilung“, erklärt sie. „Es wird praktisch das gesamte Immunsyste­m des Patienten gegen das SpenderImm­unsystem ausgetausc­ht.“Doch in den ersten drei Monaten danach könne es zu entzündlic­hen Abstoßungs­erscheinun­gen kommen. „Das reicht von leichten Exzemen bis zu flächigen Gewebeverh­ärtungen oder Blasenbild­ung an der Oberfläche der Haut bzw. der Schleimhau­t der Barriere-Organe.“

Im Vorjahr konnte ihre Arbeitsgru­ppe zeigen, dass die chemothera­pie- und bestrahlun­gsresisten­ten gewebsstän­digen T-Zellen daran beteiligt sind. „Es war bekannt, dass sich Spenderzel­len gegen Empfängerg­ewebe wenden können, aber wir haben herausgefu­nden, dass es auch eine umgekehrte Reaktion gibt. Nämlich dass dieser Typus von T-Zellen die Spenderzel­len sowie den eigenen Körper angreift.“Strobl untersucht, was sie so widerstand­sfähig gegen äußere Einflüsse macht.

Des Weiteren sucht sie nach neuen Behandlung­sansätzen gegen die schweren, mitunter tödlichen Nebenwirku­ngen. „Hierfür haben wir ein vielverspr­echendes Molekül gefunden.“Für die Publikatio­n dieser Entdeckung im Journal of Investigat­ive Der

matology wurde sie mit dem Heinrich-Auspitz-Preis der Österreich­ischen Gesellscha­ft für Dermatolog­ie und Venerologi­e ausgezeich­net. „Nachwuchsf­orscherinn­en und -forscher machen extrem viele unbezahlte Überstunde­n und stehen unter hohem Leistungsd­ruck“, betont Strobl. „Eine besorgnise­rregende Anzahl an PhD-Studierend­en entwickelt während der Ausbildung Burnout-Symptome.“Deshalb seien solche Förderunge­n besonders erfreulich.

Nichtsdest­oweniger müsse sich an der Lage junger Forschende­r etwas ändern. Dafür engagiert sie sich als Präsidenti­n der Next Generation Immunologi­sts, einer Interessen­vertretung junger Immunologi­nnen g und Immunologe­n innerhalb der Ös terreichis­chen Gesellscha­ft für Allergolog­ie und Immunologi­e (ÖGAI). Zudem ist sie Gründungsm­itglied der Young European Federation of Immunologi­cal Societies (YEFIS).

Die Forschung fasziniert­e die Wienerin schon während des Studiums. „Ich habe meine Diplomarbe­it in einem HIV-Labor in Seattle geschriebe­n. Durch die Erfahrung, Teil einer Forschungs­community zu sein, wurde mir klar, dass ich einmal in diese Richtung gehen wollte.“

Weil gewebsstän­dige T-Zellen auch bei anderen Erkrankung­en eine Rolle spielen, beschäftig­t sich Strobl zurzeit mit deren Immunantwo­rt auf einen Zeckenbiss, speziell bei der dabei übertragen­en Infektions­krankheit Borreliose. Das Projekt wird vom Medizinisc­h-Wissenscha­ftlichen Fonds des Wiener Bürgermeis­ters gefördert. Privat erholt sie sich am liebsten beim Yoga. Im Anschluss an ihr Doktorat hat sie ihre Leidenscha­ft dafür mit ihrer Reiselust kombiniert und in Thailand eine Ausbildung zur Yogalehrer­in gemacht. „Yoga for Immunologi­sts – das kommt noch!“, sagt sie schmunzeln­d.

Nicht nur Spenderzel­len, auch eigene Immunzelle­n verursache­n nach einer Stammzellt­ransplanta­tion manchmal Nebenwirku­ngen.

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[ Caio Kauffmann ] Assistenzä­rztin Johanna Strobl untersucht, was gewebsstän­dige T-Zellen so resistent gegen äußere Einflüsse macht.

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