Wenn die Zuhörer sanft entschlafen
Wissenschaftskommunikation. Spätestens seit der Pandemie wissen wir: Auch Hochwissenschaftliches kann man breitenverständlich transportieren. Man muss es nur wollen.
Manchmal, sagt Autorin und Business Coach Regina Maria Jankowitsch, habe sie den Eindruck, sogar dickhäutige PR-Verantwortliche hätten Hemmungen, Forschern, Rektoren und Professoren zu sagen, dass sie grauenvoll kommunizierten. Dass sie ihr Publikum langweilten, dass es sie nicht verstehe und das Gähnen kaum unterdrücken könne. Auch die „Götter des Intellekts“selbst scheuten sich, um Hilfe zu fragen – trotz schmerzlich erlebter Misserfolge.
Wer Projekte an Land ziehen und Fördergelder gewinnen will, muss heute mitreißend kommunizieren können. Jankowitsch definiert das als „die gewünschte Wirkung bei der Zielgruppe auszulösen.“Hier sieht sie gleich zwei Denkfallen. Die erste: Gerade Wissenschaftler machen sich selten Gedanken über Zielgruppen. Sie transportieren „Fakten“– und die sind für alle gleich. Warum sie also herunterbrechen?
Das Argument lässt sich leicht entkräften: Ein- und dieselbe Aussage löst bei Erstsemestrigen andere Resonanz aus als bei Doktoranden. So lohnt es sich, sie zielgruppengerecht aufzubereiten.
Denkfalle Nummer 2 ist, sich keine Gedanken über die eigene Intention zu machen. Warum will man überhaupt kommunizieren? Gründe gibt es viele: um aufzuklären, zu belehren, unterhalten, motivieren, schockieren. Geübte Redner in Politik und Wirtschaft machen sich lang vorab darüber Gedanken. Organisatoren von Großevents hingegen verzweifeln regelmäßig an den Wissenschaftlern unter ihren Keynotern. Die schicken ihren Vortrag immer zu spät, weil sie „ihn erst im Zug schreiben“. Da bleibt keine Zeit, sich mit Zielgruppe und Intention auseinanderzusetzen.
Auch präsentiert wird so, wie sie es von Wissenschaftspapieren gewohnt sind: chronologisch, von der Vorgeschichte zum Status quo, über die Beschreibung des Studiendesigns bis zur Conclusio am Ende. Vielleicht gehen sich noch
Interpretation und Zukunftsausblick aus. Das Publikum hört es nicht mehr.
Jankowitsch vergleicht solche Präsentationen mit Flugzeugen, die sich langsam und bedächtig ihrer Flughöhe nähern. Sie empfiehlt die Metapher eines Helikopters, der aus dem Stand nach oben steigt. „Inhaltlich wesentliche Punkte gehen unter, wenn man sie nicht gleich am Anfang platziert.“
Kurze Aufmerksamkeitsspanne
Das hat auch mit der nachlassenden Gedächtnisfähigkeit des Publikums zu tun. Konnte es sich in den 1950er-Jahren noch sieben Inhalte merken, sind es heute drei – höchstens. Die müssen gleich am Anfang stehen, damit das reizüberflutete Publikum sie mit seinen Erwartungen abstimmen kann: Wird es sich lohnen, dass ich gekommen bin?
Die Entscheidung fällt in den ersten 60 Sekunden. Jankowitsch rät – nicht nur Wissenschaftlern – zum inversen Aufbau: Statt mit Floskeln („Guten Morgen auch von meiner Seite“), Selbstvorstellung oder einem müden Scherz zu beginnen, kommt man besser gleich zum Punkt. Und widersteht der Versuchung, seine Intelligenz durch unverständliche Fachsprache oder ausuferndes Bemühen von Statistiken belegen zu wollen. Das Publikum mag es einfach und bildhaft. Erst das Ziel, dann ein paar Fakten – solche, die interessieren, beeindrucken oder aufrütteln.
Gerade Letzteres, das Publikum aufzurütteln und ins Handeln bringen zu wollen, ist ein radikal neues und kaum besetztes Rollenverständnis für Wissenschaftler. Es lohnt sich, darüber nachzudenken. Der Ruf, ein Macher zu sein, öffnet ganz neue Türen.