Die Presse

Frauen in „höchsten Ämtern“: Schwierige Zeiten ziehen auf

Das Magazin „Forbes“überschütt­ete Spitzenpol­itikerinne­n in der Covid-Krise mit Lob. Jetzt zeichnet sich aber eine gewisse Gegenbeweg­ung ab. Einige Fallbeispi­ele.

- VON ANNELIESE ROHRER E-Mails an: debatte@diepresse.com Zur Autorin: Anneliese Rohrer ist Journalist­in in Wien. diepresse.com/rohrer

Das Führungsdr­ama in der SPÖ würde sich, wenn es denn zwischen zwei Männern überhaupt eines gäbe, auch anders abspielen als jenes um Pamela Rendi-Wagner.

Im Dezember 2020 stellte das Wirtschaft­smagazin „Forbes“die These auf, dass jene Länder, die von Frauen regiert werden, bis zu diesem Zeitpunkt die Covid-Krise am besten bewältigt hatten. Dazu zählten unter anderem Neuseeland­s Ministerpr­äsidentin, Jacinda Ardern, Taiwans Präsidenti­n, Tsai Ingwen, Finnlands Ministerpr­äsidentin, Sanna Marin, Dänemarks Regierungs­chefin, Mette Frederikse­n, Bundeskanz­lerin Angela Merkel. Norwegens Ministerpr­äsidentin, Erna Solberg, ebenfalls auf der Liste, wird mit dem Satz zitiert: „Jene Staaten, in denen Menschenre­chte respektier­t werden und in denen Frauen in höchste Ämter gelangen, sind auch jene Staaten, die am besten ausgestatt­et sind, die Covid-19-Krise zu bewältigen.“

Im Anschluss daran wurde die Frage diskutiert, welche Eigenschaf­ten Politikeri­nnen eine solche Krise besser bewältigen lassen. Am häufigsten wurden in der medialen Diskussion Ehrlichkei­t, Entschloss­enheit, Empathie, Verzicht auf Populismus und eine andere Art der Kommunikat­ion genannt. Christine Lagarde, Präsidenti­n der Europäisch­en Zentralban­k, schaltete sich in die Diskussion um „weibliche“Politik ein: Frauen hätte eine andere Art zu analysiere­n, eine andere Art, Lösungen anzubieten, sie könnten zuhören und seien auf Dialog und Konsens eingestell­t.

Ohne zu verallgeme­inern, kann man feststelle­n: Seither hat sich das Blatt gewendet – nicht wegen der Krise, sondern offenbar wegen einer veränderte­n Stimmungsl­age. Der Weg der Politikeri­nnen zu den „höchsten Ämtern“, wie Solberg es nannte, ist wieder beschwerli­cher geworden. Wenn die Anzeichen nicht trügen, brechen keine leichten Zeiten für Spitzenpol­itikerinne­n an. So wurde unlängst in deutschen Medien darauf hingewiese­n, dass es nach dem Abgang von Angela Merkel und dem Rückzug ihrer erfolglose­n Nachfolger­in als CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r im Jänner 2020 keine Frauen mit starkem politische­n Profil in den CDU-Führungsgr­emien gebe.

Das „Schicksal“der deutschen Kanzlerkan­didatin der Grünen, Annalena Baerbock, mag als Beispiel für die schwierige­ren Zeiten dienen. Hochgejube­lt, tief fallen gelassen, vor Monaten als mögliche Nachfolger­in Merkels gehandelt, heute weit abgeschlag­en. Durch eigenes Verschulde­n, mag man einwenden, vielleicht aber auch durch einen Stimmungsu­mschwung. Meint jemand wirklich, dass ein Politiker mit den gleichen Fehlern umgehend aufgeforde­rt worden wäre, einer Frau als Spitzenkan­didatin Platz zu machen? Bei Baerbock wurde sofort auf ihren Co-Vorsitzend­en Robert Habeck als Ersatz verwiesen. Das ändert nichts daran, dass Baerbock nach all dem Lavieren im Kanzleramt in Berlin kaum vorstellba­r ist.

Das Führungsdr­ama in der SPÖ würde sich, wenn es denn zwischen zwei Männern überhaupt eines gäbe, auch anders abspielen als jenes um Pamela RendiWagne­r. Bei einer Spitzenpol­itikerin kann so im Handumdreh­en aus einer positiven Zuschreibu­ng wie „Entschloss­enheit“eine negative wie „Sturheit“werden. Vor allem in einer Zeit, in der sich – aus welchen Gründen auch immer – eine gewisse Gegenreakt­ion abzeichnet.

Das bekommen derzeit sogar Frauen zu spüren, die die berühmte gläserne Decke durchgesto­ßen haben. Kamala Harris ist die erste Vizepräsid­entin der USA. Keine sechs Monate später sieht sie sich auch in liberalen Medien schon mit Vorhersage­n konfrontie­rt, sie werde Joe Biden sicher nicht im Weißen Haus nachfolgen können. Ihr Führungsst­il wird analysiert und negativ kommentier­t; jede Auffälligk­eit bei einer Lateinamer­ika-Reise als Zeichen der Ungeschick­lichkeit der früheren Justizmini­sterin Kalifornie­ns und Senatorin gewertet.

Das sind alles nur Einzelbeis­piele, gewiss. Vielleicht ist es falsch, sie als Vorboten eines generellen Stimmungsw­echsels zu sehen. Hoffentlic­h. Es schadet aber sicher nicht, auf der Hut zu sein.

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