Türkise Familie umzingelt, blaue unmaskiert
Parlament. Nach heißen Debatten über die Chat-Protokolle wird der Misstrauensantrag gegen Finanzminister Gernot Blümel abgelehnt.
Wien. Diese Chance lässt sich keine Opposition entgehen. Die Chats von Thomas Schmid, aus denen hervorgeht, wie der Chef der staatlichen Beteiligungsgesellschaft Öbag selbst die Ausschreibung für seinen Job verfasst und die Aufsichtsräte, die ihn bestellten, ausgesucht hat, wurden zum Thema einer Nationalrats-Sondersitzung. Es geht um die „türkise Familie“, um Finanzminister Gernot Blümel („Schmid AG fertig“), der Schmid ebenso unterstützt hat, wie Bundeskanzler Sebastian Kurz („Kriegst eh alles, was du willst“).
Die Opposition
So unterschiedlich die Oppositionsparteien SPÖ, FPÖ und Neos auch sind, so einig sind sie sich an diesem Tag: Sie orten Korruption, wünschen sich einen moralischen Neustart und die Rücktritte von Finanzminister Blümel und ÖbagChef Schmid. Nur der Ton ist unterschiedlich: FPÖ-Klubchef Herbert Kickl gibt wie üblich den Rabauken und spricht in seiner Rede von der Cosa Nostra, der „ehrenwerten Familie“, für die der MafiaParagraf das einzig sinnvolle Instrument der Verfolgung sei. Was der frühere FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache auf Ibiza „im Suff“von sich gegeben hat, Postenschacher und Käuflichkeit, das habe die ÖVP tatsächlich betrieben.
Höflicher formuliert es SPÖChefin Pamela Rendi-Wagner. Aber auch sie prangert die türkise Politik an, die einen Staat im Staate aufgebaut habe und die Öbag in eine türkise Spielwiese verwandelt habe. Der ÖVP unterstellt sie eine „unreife respektlose Politik“und fordert einen moralischen Neustart. Ähnlich äußerte sich NeosChefin Beate Meinl-Reisinger: „Von der ach so neuen Volkspartei“sei absolut nichts übrig geblieben. Kurz und Co. hätten das System des Postenschachers auf die Spitze getrieben. Die Chats seien hochnotpeinlich: „Man geniert sich richtig dafür.“
Die Verteidigung
Finanzminister Blümel kontert mit Gegenangriffen. Er spricht von Skandalisierung, Vorverurteilung und Diffamierung und greift einzelne Oppositionsabgeordnete an. Einzelne Chat-Nachrichten seien aus dem Zusammenhang gerissen, andere salopp formuliert oder aus der Emotion heraus geschrieben. Und ja, eine Regierung treffe Personalentscheidungen. Wichtig sei aber, dass die Qualifikation passe und formale Vorgaben eingehalten werden. Einzelne ÖVP-Abgeordnete eilen ihrem Minister zu Hilfe: Das Finanzministerium arbeite gut, das müsse man auch einmal anerkennen, sagt beispielsweise der Abgeordnete Andreas Hanger.
Die Grünen
Wie reagiert der Koalitionspartner? Auf der Regierungsbank erhält Blümel keine Unterstützung, die grünen Minister bleiben fern. Klubchefin Sigrid Maurer bemüht sich um einen mit der Koalition kompatiblen Standpunkt: Es gibt keine Unterstützung für den Finanzminister, aber auch keine Angriffe an den Koalitionspartner. Stattdessen versucht sie, die Grünen als Kontroll- und Transparenzpartei darzustellen. Um die strafrechtlichen Aspekte werde sich die Justiz (und damit auch die grüne Justizministerin Alma Zadic)´ kümmern. Fraktionskollege David Stögmüller dagegen scheut vor einem Frontalangriff auf den Koalitionspartner nicht zurück: Die SMS seien „peinlich und schamlos“, Schmid solle seinen Posten räumen. Bei der Abstimmung hält die Koalition dann doch: Der Misstrauensantrag gegen Blümel wird zurückgewiesen.
Der FPÖ-Machtkampf
Wer ist stärker in der FPÖ? Parteichef Norbert Hofer, der seine Kollegen aufgefordert hat, sich an die neue Hausordnung mit Maskenpflicht zu halten, oder Klubchef Herbert Kickl? Die Frage ist nach diesem Tag klar beantwortet: Die freiheitlichen Abgeordneten erschienen geschlossen ohne Maske.
Die Maskenpflicht habe keine sachliche Begründung, sondern sei ein Ablenkungsmanöver von den Korruptionsvorwürfen, argumentiert Kickl: „Kinder können Sie wegen des Koalitionspartners keine mehr abschieben, jetzt versuchen Sie es mit der Maskenpflicht.“
Das ist ein moralischer Konkursantrag für die ÖVP und ein Schlag ins Gesicht jedes Steuerzahlers.
Sepp Schellhorn Neos-Abgeordneter