Wenn Kleinaktionäre Hedgefonds attackieren
Kurseskapaden. Privatanleger verabreden sich auf sozialen Medien, um Leerverkäufer in die Knie zu zwingen.
New York. GameStop hat schon bessere Zeiten erlebt. Das US-Unternehmen verkauft Videospiele im Einzelhandel. Nun ist die Nachfrage nach Videospielen in der Coronakrise zwar gestiegen, aber primär online. GameStop hat keine starke Onlineschiene. Das Unternehmen hat daher mit rückläufigen Umsätzen und hohen Verlusten zu kämpfen.
Viele Investoren, darunter der Hedgefonds Melvin Capital, hielten es daher für eine gute Idee, das Papier leerzuverkaufen, also auf fallende Kurse zu wetten. Das funktioniert so: Man leiht sich Aktien aus, verkauft sie zu einem hohen Preis und gibt sie später, wenn der Preis gefallen ist, zurück. Diese Wette kann auch schiefgehen, nämlich wenn der Kurs nicht fällt, sondern steigt. Dann müssen die Leerverkäufer die Aktie trotzdem kaufen, um sie zurückzugeben, notfalls zu einem höheren Preis. Besonders unangenehm wird es, wenn die Frist, innerhalb derer sie die Aktien zurückgeben müssen, bereits abläuft, der Kurs aber gerade explodiert. Dann müssen sie zu einem exorbitant hohen Preis kaufen und treiben durch ihre eigene Nachfrage den Kurs noch stärker an. Ein solches Phänomen heißt Short Squeeze und passierte dieser Tage bei GameStop.
Kurs ist explodiert
Hatte die Aktie zu Jahresbeginn 17 Dollar gekostet, waren es Ende der Vorwoche 65 Dollar. Am Dienstag ging das Papier um 147 Dollar aus dem Handel, am Mittwoch schnellte es zunächst auf 300 Dollar hoch. Inzwischen soll zumindest Melvin seine Position geschlossen haben, berichtet CNBC. Andere Hedgefonds dürften jedoch noch engagiert sein und verzweifelt versuchen, sich mit Aktien einzudecken, wie die Fortsetzung des Kursanstiegs am Mittwoch zeigt. Wie hoch die Verluste von Melvin Capital waren, ist nicht bekannt. Melvin hatte nicht nur gegen GameStop gewettet. So stiegen die Aktien des Pharma-Zulieferers Evotec und des Batterienherstellers Varta zuletzt auch deswegen so stark, weil der in Schieflage geratene Hedgefonds dort ebenfalls Short-Positionen auflösen musste, um an Liquidität zu kommen.
Doch wie kam es, dass sich Melvin und andere Hedgefonds dermaßen die Finger verbrannt haben? Bei GameStop war zwar der aktivistische Investor Ryan Cohen eingestiegen, der das Unternehmen stärker im Onlinevertrieb von Videospielen positionieren möchte. Ein Aktionär, der dem Management Druck macht, hat häufig positive Auswirkungen auf Geschäftsentwicklung und Aktienkurs. Ob der Einstieg eine solche Vervielfachung rechtfertigt, ist allerdings zweifelhaft.
Vielmehr haben Kleinaktionäre den Kurs angetrieben, die sich auf Plattformen wie Reddit oder Twitter zum gezielten Kauf von Aktien verabredeten. Vielen dürfte es weniger ums Geldverdienen gehen als um das Gemeinschaftserlebnis, als Teil einer großen Internet-Community einem mächtigen Hedgefonds die Stirn zu bieten. Unter einem Tweet von Tesla-Chef Elon Musk, der das Phänomen als „Gamestonk!“bezeichnete, schrieb ein Nutzer: „Every 12 dollars up, Melvin loses 1 Billion“(„Mit jedem Kursanstieg um zwölf Dollar verliert Melvin eine Milliarde“).
„David versus Goliath“
Ein anderer freute sich, dass Melvin von einer Gruppe von RedditNerds und von Elon (Musk) in die Pleite getrieben werde. Wieder ein anderer erklärte, dass die „Robinhood Reddit Bros“(Robinhood ist eine Trading-Plattform, deren meist junge Kunden für sehr spekulatives Kurzzeithandeln bekannt sind) Millionen verdienten, indem sie einen Hedgefonds ausnehmen. Das sei „David vs. Goliath. Power of the Internet“.
Wie lange sich die Privatanleger über ihre „Millionen“freuen können, wenn sie bei GameStop nicht rechtzeitig aussteigen, ist fraglich. Es ist denkbar, dass sich viele die Finger verbrennen, wenn der Kurs nachgibt, nachdem der Short Squeeze beendet ist.
Einige sind bereits andere Wetten eingegangen. Auch die Blackberry-Aktie soll auf diese Weise hochgetrieben werden. Der „Aktionär“vermutet gar einen Zusammenhang zwischen dem Bitcoin-Rückgang und dem kometenhaften Anstieg einiger Aktien wie GameStop oder Blackberry: Die selben Anleger, die zuerst dabei sein wollten, als Bitcoin anstieg, wollten nun Teil dieser Internetphänomene sein.