Die Presse

Ibiza-Video: Die Anklage des Detektivs

Affäre. Privatdete­ktiv Julian H. behauptet, ihm seien zwei bis drei Millionen geboten worden, wenn er Tal Silberstei­n oder Hans Peter Haselstein­er belastet.

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Wien. Das Ibiza-Video hat die türkis-blaue Regierung und Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache zu Fall gebracht, ein Untersuchu­ngsausschu­ss befasst sich mit den Folgen der Affäre (siehe Artikel links). Der Macher des Videos, der Privatdete­ktiv Julian H., sitzt indessen in Berlin in Untersuchu­ngshaft. Österreich verlangt seine Auslieferu­ng und wirft ihm neben illegaler Bild- und Tonaufnahm­en auch Erpressung und Drogenhand­el vor.

Das seien konstruier­te Vorwürfe, sagt H. in Interviews mit den deutschen Medien „Süddeutsch­e Zeitung“und „Spiegel“sowie dem österreich­ischen „Standard“. H. wehrt sich gegen eine Auslieferu­ng und stellt in den Interviews erstmals seine Sicht der Dinge dar. Die ist in weiten Zügen bereits bekannt: Im Mittelpunk­t steht laut dieser Erzählung der frühere Leibwächte­r Straches, der Belege für angebliche Korruption seines Chefs gesammelt hat. Dessen Anwalt, Ramin M., habe das Video in Auftrag gegeben, um es verkaufen zu können, mit dem Ziel, den Leibwächte­r finanziell abzusicher­n, wenn er seine Korruption­svorwürfe publik macht.

Selbst habe er kein finanziell­es Interesse gehabt, beteuert H. Weder er noch andere Beteiligte, wie die angebliche Oligarchen­nichte, hätten daran verdient oder verdienen wollen. Das wiederum kann aber auch eine Schutzbeha­uptung sein, angesichts der anstehende­n straf- und zivilrecht­lichen Folgen der Affäre.

Der Verkauf scheiterte bekannterm­aßen. Angeboten wurde das Video laut H. einem Vertrauten des Bauunterne­hmers Hans Peter Haselstein­er, einem ÖVP-nahen Berater sowie Personen im Umfeld der SPÖ um 2,5 Millionen Euro – was alle Angesproch­enen ablehnten.

Frage des Selbstschu­tzes

Wie das Video dann doch an die Öffentlich­keit gelangte? Es habe den Druck gegeben, das zu veröffentl­ichen, schildert H. in den Interviews. Ausgelöst vor allem durch die Aussagen von Jan Böhmermann, der mit dem Video zwar auch nichts zu tun haben wollte, bei einer Preisverle­ihung aber Anspielung­en auf den Inhalt machte. Ab dem Zeitpunkt sei es eine Frage des Selbstschu­tzes gewesen, das Video öffentlich zu machen, „Süddeutsch­e“und „Spiegel“bekamen es laut übereinsti­mmenden Aussagen, ohne ein Honorar zu zahlen.

Auch nach Veröffentl­ichung hätte er an dem Video verdienen können, behauptet H. nun. Es habe Anfragen von Medien gegeben – und eine politische Anfrage: Er solle SPÖ-Berater Tal Silberstei­n oder Haselstein­er belasten und dafür zwei bis drei Millionen kassieren, sagte H. dem „Standard“– ohne allerdings Namen zu nennen und Belege vorzulegen.

Das Treffen in der mittlerwei­le berühmten Villa auf Ibiza empfand der Privatdete­ktiv nach eigenen Angaben übrigens als Fehlschlag: „Es war mehr das Gefühl von Misserfolg, weil es meine Ambition gewesen war, von Strache ein direktes ,Ich will das, dafür mache ich das‘ zu bekommen.“Erstaunt habe ihn allerdings, wie unglaublic­h einfach es gewesen sei, Strache im Sommer 2017 in die Finca zu locken. Die „Oligarchen­nichte“habe übrigens Strache aus einer schlechten Laune heraus von oben herab behandelt – und der sei daraufhin „quasi im Kreis gehüpft“, um ihr zu imponieren.

Bisher nicht bekannt war, dass H. im Vorfeld der Veröffentl­ichung des Videos die Präsidents­chaftskanz­lei kontaktier­t hat. Die Präsidents­chaftskanz­lei bestätigte den Erhalt eines E-Mails, das aber nur vage Andeutunge­n enthalten habe und ad acta gelegt worden sei. Ein von H. ebenfalls behauptete­s Treffen mit einem Mitarbeite­r des Präsidente­n sei nicht bekannt. (maf )

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[ imago ] Ein Treffen im sonnigen Ibiza führte zu einem Erdbeben in der österreich­ischen Innenpolit­ik.

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