Die Presse

Paranoide Panik im russischen Unrechtsst­aat

Putins Angst vor Alexej Nawalny muss groß sein.

- VON CHRISTIAN ULTSCH christian.ultsch@diepresse.com

Wladimir

Putin spielt die Bedeutung von Alexej Nawalny gerne herunter. Der russische Präsident nennt den Opposition­spolitiker öffentlich nicht einmal beim Namen. Doch die Angst vor Nawalny muss groß sein: Erst wurde er mit Nowitschok vergiftet, und am Sonntag verhaftete ihn die russische Polizei gleich nach seiner Rückkehr aus Berlin, um ihn tags darauf einem Gericht vorzuführe­n.

Der dreiste Vorwurf: Nawalny habe gegen Bewährungs­auflagen verstoßen, weil er sich nicht, wie in einem dubiosen Urteil vorgeschri­eben, bei den Behörden gemeldet habe. Dass Nawalny gar nicht vorstellig werden konnte, weil er sich in Deutschlan­d fast fünf Monate lang von einem Mordanschl­ag erholen musste, fiel nicht ins Gewicht. Ende Jänner wartet auf ihn ein weiterer fadenschei­niger Prozess.

Die Unverfrore­nheit des russischen Unrechts- und Geheimdien­ststaates raubt den Atem. Umso bewunderns­werter ist der Mut Nawalnys: Er wusste, was ihn in Moskau erwartet.

Anders als der furchtlose Patriot scheut der Kreml die offene Konfrontat­ion bei der Parlaments­wahl im Herbst. Putins Paranoia reicht neun Jahre zurück – in den Dezember 2011: Damals, mitten im Arabischen Frühling, gingen in Moskau Zehntausen­de Bürger auf die Straße, um gegen Betrug bei der Duma-Wahl zu protestier­en. Zu den Massen sprach ein gewisser Alexej Nawalny.

Seither gilt er als Gefahr für den Kreml und soll offenbar um jeden Preis verschwind­en, wenn nicht vom Erdboden, dann wenigstens hinter Gittern.

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