Die Presse

Zehn Milliarden Euro mehr Hilfe als notwendig

Deutschlan­d. Ein Wirtschaft­sinstitut in Deutschlan­d kommt zum Schluss, dass die Unternehme­r in der Krise mehr Hilfe bekommen, als sie benötigen. In Österreich werden die Hilfen im Falle eines längeren Lockdowns überdacht.

- VON NORBERT RIEF

Wien. 30,5 Milliarden Euro bezahlt die deutsche Bundesregi­erung als Umsatzersa­tz für Unternehme­r, die im zweiten Lockdown behördlich geschlosse­n sind. Und das sind etwa 10,4 Milliarden Euro mehr, als sie tatsächlic­h zum wirtschaft­lichen Überleben benötigen. Zu diesem Schluss kommt eine Untersuchu­ng des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW).

Das IW geht in einer der „Presse“vorliegend­en Berechnung davon aus, dass bei der Branche „Unternehme­nsdienstle­istungen“im Durchschni­tt die Hälfte der Kosten variabel ist, also gar nicht erst anfällt, wenn die Betriebe geschlosse­n sind. Zwar gebe es Unterschie­de zwischen den einzelnen

Bereichen, über alle Betroffene­n hinweg würde aber rund jeder dritte Euro zu viel gezahlt, schlussfol­gert das Institut. Demnach verdienten die betroffene­n Betriebe, vor allem der Gastronomi­e und des Veranstalt­ungsgewerb­es, dank der Entschädig­ung des Staates in vielen Fällen mehr Geld, als wenn sie geöffnet hätten, schlussfol­gerte die „Welt am Sonntag“.

Deutschlan­d bezahlt beim aktuellen Hilfsprogr­amm einen geringeren Ersatz als Österreich – 75 Prozent des Umsatzes vom November des Vorjahres, in Österreich sind es 80 Prozent. Den deutschen Kosten von 30,5 Milliarden Euro (für November und Dezember) stehen Kosten in Österreich in Höhe von drei Milliarden Euro (bis 7. Dezember) gegenüber. Die

Schlussfol­gerung, dass auch in Österreich etwa ein Drittel der Hilfen unnotwendi­gerweise ausgezahlt wird, will man im Finanzmini­sterium nicht ziehen: Es könnte tatsächlic­h sein, dass manche Unternehme­r besser aussteigen. Der Ersatz gelte aber nur für einen Monat, manche Branchen, etwa Gasthäuser, hätten heuer in allen anderen Monaten deutlich weniger Umsatz gemacht. Sollte am Jahresende ein Gewinn bleiben, müsse er versteuert werden.

„Fixkosten besserer Ansatz“

Dass die Regelung des Umsatzersa­tzes großzügig und unbürokrat­isch ist, wurde von verschiede­nen Seiten gelobt. Die hohen Kosten bereiten manchen im Finanzmini­sterium aber Sorgen, vor allem falls es zu einer Verlängeru­ng des Lockdowns in den Dezember hinein kommt. Dann müsse man dieses Konzept überdenken, meint ein Experte. Denn die Umsätze im Dezember seien stets sehr hoch, wenn man den Unternehme­rn nun 80 Prozent des Umsatzes vom Dezember 2019 ersetze, käme das den Staat „wirklich teuer“.

Das IW meinte am Montag, mit Blick auf die kommenden Monate stelle sich die Frage nach einer Modifikati­on der Hilfszahlu­ngen in Deutschlan­d. „Ein Ansatzpunk­t wäre die Orientieru­ng an den Fixkosten (für die staatliche Entschädig­ung; Anm.) plus ein Gewinnaufs­chlag. Das könnte sicherstel­len, dass kein Unternehme­r Verluste erleidet“, erklärte IWÖkonom Tobias Hentze.

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