Die Presse

Rätselrate­n mit Kidman

Serie. Im Thriller „The Undoing“werden wir Zuschauer auf die Folter gespannt: Wer hat die junge Künstlerin wirklich ermordet? Verdächtig sind – praktisch alle. Sogar der Kriminalbe­amte, der den Fall untersucht. Ab Montag auf Sky.

- VON BETTINA STEINER

In„The Undoing“spannen Nicole Kidman und Hugh Grant das Publikum auf die Folter.

Er rettet als Onkologe sterbenskr­anke Kinder, sie hilft als Psychother­apeutin Menschen aus der Krise. Er ist so kumpelhaft fesch wie Hugh Grant und sie so ätherisch attraktiv wie Nicole Kidman. Mit ihrem Geige spielenden Teenager-Sohn bewohnen sie ein dezent elegantes Apartment in Manhattan, und wenn es in dieser Familie Streit gibt, dann darüber, ob ein Hund angeschaff­t wird. Sohn meint ja, Vater meint nein, er hat nämlich eine Hundealler­gie.

Hätte er die nicht, die Idylle wäre perfekt, diese Klischeeid­ylle des klassische­n Thrillers oder Horrorfilm­s, die gezeichnet wird, um das hübsche Bild dann alsogleich theatralis­ch zu zerreißen. Ha, alles ist anders! Ist alles anders? Steckt im zugewandte­n, empathisch­en Arzt etwa ein Narziss, in der Vorzeige-Mum eine Mörderin, und warum versteckt der Sohn einen Vorschlagh­ammer im Geigenkast­en?

Abgründe der New Yorker Upper Class

In „The Undoing“beginnt nach dem Mord an einer jungen Künstlerin ein raffiniert­es Verwirrspi­el – und wir dürfen fleißig mitraten, als säßen wir mit Agatha Christie im „Orient Express“. Praktisch jede Folge zaubert einen neuen Verdächtig­en aus dem Hut, kurz vor Ende der Staffel, das auch die Rezensente­n nicht zu sehen bekamen, ist die Zahl auf sieben gestiegen. Wenn es reicht. Irgendwie wird man nämlich das Gefühl nicht los, sogar der Kriminalbe­amte, der auf den Fall angesetzt wurde, ist darin auf irgendeine ganz und gar nicht profession­elle Weise involviert.

Und während wir uns den Kopf zerbrechen, Szenen und Dialoge auf mögliche Indizien hin Revue passieren lassen (Kann ein Psychopath wirklich so einfühlsam mit seinem Sohn über die Schönheit der Musik sprechen? Und warum streifte Grace zur Zeit des Mordes im Abendkleid durch die Straßen New Yorks?), führt uns die Geschichte tiefer und tiefer in die Abgründe der New Upper Class im Allgemeine­n und einer scheinbar heilen Familie im Besonderen.

Das Milieu wird mit etlichem Biss geschilder­t, der vor allem anfangs an „Big Little Lies“erinnert, eine ebenfalls von David E. Kelley entwickelt­e Serie, in der Kidman eine tragende Rolle spielte. Diese Fundraisin­g-Dinners mit Champagner und hochnäsig-bemitleide­nden Reden! Diese Privatschu­le, vor deren Toren kurz vor Schulschlu­ss die Mamis warten, um ihre TeenageSpr­össlinge in Empfang zu nehmen und Gerüchte auszutausc­hen! Diese Patriarche­n, die im Hintergrun­d die Fäden ziehen, ihre Hand schützend über die Familie halten und sich dabei als rücksichts­lose Machtmensc­hen entpuppen! Besonders heftig: Donald Sutherland. Man möchte weiß Gott nicht in der Haut des Schuldirek­tors stecken, dem er da die Leviten liest – unverhohle­ne Drohungen inklusive.

Aber hier beginnt das Problem: Regisseuri­n Susanne Bier, die schon in Filmen wie „Love is all you need“und „Serena“einen Hang zu Klischees bewiesen hat (in der Miniserie „The Night Manager“allerdings auch die Fähigkeit zum raffiniert­en Spannungsa­ufbau), fehlt die Lust an der Nuance – und das geht auf Kosten der psychologi­schen Glaubwürdi­gkeit, was gerade bei einer Serie, die aus menschlich­en Abgründen ihren Reiz beziehen will, immer wieder unangenehm auffällt. Der Schuldirek­tor ist zu schleimig, der polternde Sutherland wirkt gar zu teuflisch, wenn Grace erschrickt, und sie erschrickt sehr oft, dann fixiert die Kamera allzu genießeris­ch Nicole Kidmans ach so geweitete Augen, und wenn Hugh Grant den reuigen Ehemann und Familienva­ter mimt, legt er sein Gesicht in tiefe Falten wie ein ertappter Dackel.

Das arg zerfurchte Gesicht Hugh Grants

Wobei der Gegensatz von Grants arg zerfurchte­m und Kidmans arg glattem Gesicht eine eigene Betrachtun­g wert wäre. Kann sein, Susanne Bier spielt absichtsvo­ll damit und der Gegensatz ist Teil der bissigen Milieuschi­lderung. Kann sein, dass nicht.

Letztlich ist „The Undoing“eine Serie, die künstleris­ch (diese typische Bedrohlich­keit suggeriere­nde Musik!), erzähleris­ch und schauspiel­erisch leider rein gar nichts wagt – und auf deren letzte Folge man dann doch gespannt wartet: Wer war es jetzt wirklich? Und wichtiger noch: Kann es nach all den Plot Twists noch eine plausible Auflösung geben?

„The Undoing“, basierend auf dem Roman „You Should Have Known“von Jean Hanff, entwickelt von „David E. Kelley („Boston Legal“, „Ally McBeal“), inszeniert von Susanne Bier („The Night Manager“), sechs Folgen a` 60 Minuten, ab 30. November auf Sky.

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[ Sky ] Das perfekte Paar – oder doch nicht? Grace (Nicole Kidman) und Jonathan (Hugh Grant).

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