Die Presse

Schnitzel, Alkohol und Zigaretten sind die wahren Lebensgefä­hrder!

Die Politik suggeriert derzeit, gesund zu sein bedeute, virenfrei zu sein. Das ist ein falscher und extrem verengter Gesundheit­sbegriff.

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Bleiben Sie gesund!“– Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich kann diese Floskel nicht mehr hören. Zum einen, weil dies ein völlig unrealisti­scher Wunsch ist, so wie die Unsterblic­hkeit. Krank zu werden gehört zum Leben dazu, die Frage ist, wie man damit umgeht und wie man es bewältigt. Und zum anderen stellt sich die Frage, was versteht man unter „Gesundheit“?

Derzeit dominiert die eingeschrä­nkte Sichtweise von Gesundheit, virenfrei zu sein, und meint damit nur ein bestimmtes Virus. Die Politik sagt uns ganz genau, was wir alles zu tun und nicht zu tun haben, um diesem einen Virus zu entrinnen. Es setzt sogar empfindlic­he Strafen, wenn wir uns diesem Vermeidung­sverhalten widersetze­n. Man nimmt auch in Kauf, dass die psychische Gesundheit der Menschen Schaden nimmt.

Diese Politik ist das Ergebnis eines jahrzehnte­langen Gesundheit­ssystems, das eher ein Krankheits­system ist im Sinne einer Reparaturm­edizin. Bei den Bürgern entstand so eine verfehlte Einstellun­g: Ich habe selbst keine Verantwort­ung für meine Gesundheit und wenn ich krank werde, werde ich behandelt und alles ist wieder gut. Es sind also immer andere für die eigene Gesundheit zuständig.

Dies ist ein völliges Fehlverstä­ndnis, das sich leider in der Finanzieru­ng spiegelt. Bezahlt wird nämlich nur bei Erkrankung, nicht bei der Gesunderha­ltung, die ist persönlich­er Luxus. Auch bei der Vorsorge zeigt sich ein krasses Missverhäl­tnis: So etwa erhält ein Hautarzt für Melanom-Screening und Muttermal-Entfernung bloß ein Taschengel­d. Hat sich allerdings mangels rechtzeiti­ger Vorsorge und Behandlung ein Tumor entwickelt, dann setzt sich der gesamte sündteure medizinisc­he Apparat in Bewegung.

Der Mensch ist für seine eigene Gesundheit und Gesunderha­ltung zu einem guten Teil selbst zuständig. Dieses Bewusstsei­n fehlt jedoch sowohl bei den Einzelnen als auch in der Politik. Dabei genügt ein Blick auf die Statistik der häufigsten Todesursac­hen in Österreich: In diesem traurigen Ranking liegen an erster

Stelle Herz-Kreislaufe­rkrankunge­n. Diese sind meist verursacht von einem falschen Lebensstil, also etwa von Übergewich­t. Auf Platz zwei folgen Krebserkra­nkungen, wobei manche Formen ebenfalls mit einer falschen Lebensweis­e zu tun haben. So etwa sterben 14.000 Menschen jährlich an den Folgen von Rauchen. Österreich liegt beim Alkohol- und Tabakkonsu­m weltweit im Spitzenfel­d.

Der ursprüngli­che Gesundheit­szustand ist auch bei der aktuellen Pandemie von großer Bedeutung, wie wir mittlerwei­le wissen. So berichtete Florian Thalhammer, Mitglied der Corona-Kommission der Bundesregi­erung, unlängst in einer Diskussion, dass jüngere Patienten, die mit Corona auf der Intensivst­ation landen, meist Vorerkrank­ungen wie Übergewich­t, COPD und Leberschäd­en aufwiesen. All diese Vorerkrank­ungen haben viel mit dem persönlich­en Lebensstil und mit mangelnder Eigenveran­twortung für die Gesundheit zu tun.

Es geht nicht darum, mit dem Finger hinzuweise­n und zu sagen: „Selbst schuld.“Und natürlich gibt es viele Menschen, die chronisch krank sind aufgrund einer schweren Last des Schicksals. Aber es muss das Bewusstsei­n greifen, dass man für seinen Körper und den Umgang damit selbst mit verantwort­lich ist. Die Medizin soll mit all ihren Möglichkei­ten allen gleich zur Verfügung stehen. Doch diese Mittel sind begrenzt und Vollkasko gibt es nicht.

Es wäre gerade jetzt die Chance, statt eines bloßen Angst- und Vermeidung­sverhalten­s, einen gesunden Lebensstil zu propagiere­n und Maßnahmen zur Gesunderha­ltung zu fördern und zu belohnen. Die Sozialvers­icherung der Selbststän­digen hat hier schon vor Jahren ein wichtiges Signal gesetzt. Dieses Prinzip sollten sich das Gesundheit­sministeri­um und andere Versicheru­ngen zum Vorbild nehmen. Denn ohne Eigenveran­twortung und Anreize für eine umfassende Gesunderha­ltung ist eine nachhaltig­e Gesundheit­spolitik nicht möglich.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zur Autorin:

Dr. Gudula Walterskir­chen ist Historiker­in und Publizisti­n. Autorin zahlreiche­r Bücher mit historisch­em Schwerpunk­t.

Seit 2017 Herausgebe­rin der „Niederöste­rreichisch­en Nachrichte­n“und der „Burgenländ­ischen Volkszeitu­ng“.

Morgen in „Quergeschr­ieben“: Andrea Schurian

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VON GUDULA WALTERSKIR­CHEN

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